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Gedrückte Stimmung im Berliner Handwerk: Lokomotive Baugewerbe zieht nicht mehr richtig
Das Baugewerbe ist der Konjunkturmotor des Handwerks, doch die Betriebe halten sich bei Neueinstellungen zurück – sehr ungewöhnlich fürs Frühjahr. Ein Comeback feiern Bäcker und Konditoren.
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Vom Umsatz her ist das Baugewerbe die wichtigste Branche des Berliner Handwerks. Und eine, die in der Vergangenheit als Lokomotive fungierte und die Gesamtbilanz der rund 30.000 Handwerksbetriebe der Hauptstadt aufbesserte. Doch die Lokomotive kommt selber nicht mehr so richtig in Fahrt.
„Die Auftragslage im Handwerk ist schlechter als während der Finanzkrise 2008/2009“ – das ist eine der Kernaussagen des Konjunkturberichts der Berliner Handwerkskammer für das laufende Frühjahr. Nur noch 33 Prozent der Betriebe bewerten ihre Geschäftslage als gut, 50 Prozent sind zufrieden, 17 Prozent sprechen von einer schlechten Lage.
Der Konjunkturklimaindex, der das Mittel aus aktueller Geschäftslage und den Erwartungen für die nächsten Monate abbildet, sank von 108 im Herbst auf 102.
Die fetten Jahre sind vorbei.
Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer Berlin
Die Auftragseingänge im Bau- und Ausbaugewerbe ist insgesamt gut, besonders im Straßenbau und bei den Dachdeckern, aber die Stimmung und die Einschätzung der Geschäftsentwicklung fallen stark ab. „Sehr bemerkenswert ist die Personalentwicklung im Bauhauptgewerbe. Erstmals in einer Frühjahrsumfrage plant eine Mehrheit der Betriebe keine Neueinstellungen“, sagte Hauptgeschäftsführer Jürgen Wittke. „Die fetten Jahre sind vorbei“, sagte er mit Blick auf die Gesamtbilanz der Umfrage unter 344 Handwerksbetrieben.
Hohe Bauzinsen, eine sinkende Investitionsbereitschaft privater Bauherren und schleppende Genehmigungsverfahren würden vor allem den Wohnungsbau ausbremsen, darunter hätten besonders Maurer und Betonbauer zu leiden. Installateure und Heizungsbauer würden dagegen vom stabilen Kundendienstgeschäft profitieren.

© dpa/Simon Kremer
Das Kfz-Gewerbe, das noch im Herbst einen Boom verzeichnete, hat weiterhin gut zu tun, aber die Wartezeiten auf einen Werkstatttermin haben sich laut Wittke halbiert. Die Lage der Gesundheitsbranche hat sich deutlich verschlechtert. Der Geschäftsklimaindex sank auf 96 Punkte, vor allem wegen der Zurückhaltung der Verbraucher aufgrund gestiegener Preise.
„Schlusslicht“ in der Rangfolge der Branchen seien die „körpernahen Dienstleistungen“ wie Kosmetiker oder Friseure, auch hier sei eine Konsumzurückhaltung der Verbraucher der wesentliche Grund.
Back- und Fleischwaren laufen gut
Überraschend aufwärts geht es dagegen in der Nahrungsmittelbranche – dazu gehören Bäcker, Konditoren und Fleischer. Hier steigen die Umsätze und auch die Erwartungen für die Zukunft. Der Geschäftsklimaindex liegt bei 140, so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr. Allerdings sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen, weil sich nur wenige Betriebe an der Umfrage beteiligten.
Gesichert ist zumindest, dass die Zahl der Betriebe und der Ausbildungsverträge wieder gestiegen ist. Zuletzt mussten viele Bäcker vor allem wegen des Fachkräftemangels und hoher Energiepreise aufgeben.
Fachkräftemangel bleibt problematisch
Allgemein ist durch die schwache Konjunktur der Mangel an Personal etwas weniger ausgeprägt. Über alle Branchen hinweg wird eher Personal abgebaut als eingestellt. Hier rechnet Wittke aber allenfalls mit einer Verschnaufpause. Mittelfristig werde sich das Problem wegen der demografischen Entwicklung weiter verschärfen.
Das 500-Milliarden-Paket der Bundesregierung zur Sanierung maroder Infrastruktur habe sich in der Konjunkturumfrage noch nicht ausgewirkt, sagte Wittke. Profitieren davon dürften ohnehin vor allem größere, industriell aufgestellt Baubetriebe.
Wir brauchen einen echten Bürokratieabbau, nicht nur auf dem Papier.
Carola Zarth, Präsidentin Handwerkskammer Berlin
Handwerkskammer-Präsidentin Carola Zarth erneuerte die lange Forderungsliste der Betriebe an die neue Bundesregierung. An erster Stelle stehe ein „echter Bürokratieabbau, nicht nur auf dem Papier“, als Beispiel nannte sie den Wegfall der Bonpflicht. Verlässliche Rahmenbedingungen seien wichtig, etwa bei Fördertöpfen und bezahlbarer Energie. Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse müsse beschleunigt werden.
Das Land Berlin fordert sie auf, die Verwaltungsreform umsetzen und sich von der geplanten Ausbildungsumlage zu verabschieden. Die Abgabe für Betriebe, die nicht ausbilden, würde die Abwanderung aus Berlin ins Umland beschleunigen und den Aufwand der Unternehmen erhöhen. „Es droht in Bürokratiekrieg“, sagte Zarth. In Bremen, wo bereits eine Ausbildungsumlage eingeführt worden ist, werde inzwischen weniger ausgebildet.
Auch die aktuelle Praxis bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge sei zu bürokratielastig und sollte dringend reformiert werden. „Wir brauchen einen runden Tisch ‘moderne Vergabe’.“
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