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Gründer des Solar-Unternehmens Enpal: „Wir brauchen ein Sondervermögen für Energiesouveränität“
Nach dem Vorbild der Rüstungsindustrie fordert Mario Kohle, Gründer und Chef des größten deutschen Händlers für Aufdach-Fotovoltaikanlagen, dass die Politik die Abhängigkeit von Energieimporten beendet und den Klimaschutz stärkt.
Stand:
Ein Paukenschlag in der Weltpolitik folgt auf den nächsten. Kein Stein bleibt auf dem anderen, so scheint es. Der Eklat im Oval Office um Präsident Selenskyj führt uns erneut vor Augen: Europa muss sich unabhängiger machen von Russland, aber auch den USA. Von einem „Weckruf“ ist jetzt allerorten die Rede – mal wieder. Dabei haben wir den Weckruf doch schon vor langem gehört. Wir haben nur immer wieder auf den Snooze-Knopf gedrückt.
Die neue Bundesregierung will den Weckruf nun endlich ernst nehmen. Wir müssen investieren in unsere Sicherheit, und in unseren Standort. Dazu gehört auch ein Programm für die Infrastruktur, wofür es nun ein Sondervermögen geben soll – so haben es Union und SPD als erstes Ergebnis der Sondierungen mitgeteilt.
Ein Sondervermögen Infrastruktur muss unabdingbar die Stärkung der Energiesouveränität beinhalten, um dauerhaft eine sichere, bezahlbare und dezentrale Energieversorgung zu schaffen.
Bereits nach dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hat der Gaspreis-Schock die deutsche Wirtschaft bis ins Mark getroffen. Längst geht es also nicht mehr nur um Klimaschutz, sondern um Standortschutz.
Deutschland darf sich nicht in neue Abhängigkeiten begeben, weder von den USA, noch von Russland. Trotz aller Sanktionen kauft Europa derzeit so viel Flüssiggas (LNG) aus Russland wie nie zuvor, und die Importe könnten sogar noch zunehmen. Mit seiner Schattenflotte alter Öltanker umgeht Russland auch beim Öl die Sanktionen, und schmiert so seine Wirtschaft – und seinen Krieg. Umso dringender ist es, von Öl und Gas wegzukommen.

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Mehr als ein Drittel des Gasverbrauchs fließt allein in das Heizen von Privathaushalten. Aus dieser Abhängigkeit müssen wir uns schnell befreien. Wärme darf nicht mehr ein geopolitisches Risiko sein. Deutschland braucht eine dezentrale, krisensichere Heizstrategie.
Industrie hat sich auf den Heizungstausch eingestellt
Die damalige CDU/CSU/SPD-Regierung hat bereits 2019 den strategischen Umstieg auf Heizungen ohne Erdgas und Öl mit eingeleitet, wie Fernwärme, Wärmepumpen und Hybridlösungen. Industrie und Handwerk haben sich auf den Heizungstausch eingestellt, und Hunderttausende Haushalte haben in diese Technologien investiert. Was sie jetzt von der Politik brauchen, sind Verlässlichkeit und Planbarkeit, nicht Unsicherheit und Chaos.
Die zunächst unter Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und später von der Ampel reformierte Förderung für energieeffiziente Gebäude darf daher keinen Fadenriss erleiden, sondern braucht einen verlässlichen Fahrplan, in dem auch das schrittweise Auslaufen der Fördergelder geregelt ist. Der jüngste Erfahrungsbericht zur Bundesförderung für effiziente Gebäude zeigt übrigens: Jeder Förder-Euro löst fünf Euro private Investitionen aus. Ein Konjunkturprogramm, das es gerade jetzt braucht. Die Zukunft ist dezentral – und das ist eine wirtschaftliche Realität.
Deutschland darf nicht den Anschluss verpassen. Die Märkte sprechen eine eindeutige Sprache: Weltweit fließt doppelt so viel Kapital in Erneuerbare und Speicher wie in fossile Energien, so die Internationale Energieagentur (IEA). China allein installiert jeden Monat mehr Solarleistung als Deutschland im ganzen Jahr, und ist weltweit an erster Stelle bei Solar und Wind – und zwar mit Abstand.
Auch in den USA wird der Ausbau weitergehen: Texas, die erzkonservative Hochburg der Republikaner, ist Spitzenreiter bei Wind- und Solarenergie, und hat das sonst so progressive Kalifornien überholt.
Bei privaten Haushalten gibt es noch viel Potenzial
Energiesouveränität macht Bürgerinnen und Bürger selbst zu einem Teil der Lösung. Millionen Haushalte haben bereits auf Photovoltaik, Speicher und Heizsysteme gesetzt, doch das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Dezentrale Lösungen werden so zum wichtigen Standbein einer resilienten Energieinfrastruktur.
Eine resiliente, dezentrale Energieversorgung ist die Versicherung Europas gegen geopolitische Krisen und Erpressbarkeit.
Mario Kohle
Der Ausbau erneuerbarer Energien ist heute ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft und geopolitischer Weitsicht. Energiesouveränität ist kein Nice-to-have, sondern eine Notwendigkeit für Europas Sicherheit. Eine resiliente, dezentrale Energieversorgung ist die Versicherung Europas gegen geopolitische Krisen und Erpressbarkeit. Energetische Unabhängigkeit ist heute genauso wichtig wie militärische Verteidigungsfähigkeit. Europa muss hier den richtigen Balanceakt für seine Einbindung in den Welthandel finden, und zugleich massiv in seine Resilienz investieren.
Daher führt kein Weg daran vorbei, eine bezahlbare und sichere Energieversorgung auch beim Sondervermögen in den Fokus zu rücken. Jetzt sind endlich Entschlossenheit und Verlässlichkeit gefragt. Deutschland hat die Chance, sich jetzt strategisch für eine resiliente und souveräne Energieversorgung aufzustellen – und dezentrale Lösungen müssen ein zentraler Teil davon sein. Diese Chance darf nicht erneut verschlafen werden.
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