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Das Nicolaihaus, Brüderstraße 13 in Berlin-Mitte auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1890.

© Architektur Museum TU Berlin

Kolumne „Aus der Zeit“: Von Weihnachtsbäumen und Erdbirnen

In Folge 4 unserer Kolumne zu der Wirtschaftsgeschichte Berlins blicken wir ins 18. Jahrhundert.

Beata Gontarczyk-Krampe
Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

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Für viele Menschen ist Weihnachten ohne Weihnachtsbaum wie ein Sommer ohne Schwimmen: möglich – aber komplett sinnlos. Egal, ob klein, groß, aus Holz gebastelt oder sogar hängend (Ich sage nur: Katzen im Haus): Ein Weihnachtsbaum macht die Atmosphäre aus. Da will das Kind in uns vor Freude hüpfen.

Dass der Weihnachtsbaum vermutlich eine deutsche Erfindung ist, die sich im frühen 19. Jahrhundert in Europa and Amerika rasant verbreitet hat, wissen die meisten. Wie er nach Berlin kam, wohl die wenigsten. Der erste dekorierte Weihnachtsbaum stand wahrscheinlich im Schlossviertel auf der Spreeinsel in Mitte, in der Brüderstraße 13, bei den von Gotzkowskys.

Johann Ernst Gotzkowsky war ein Preußischer Kaufmann, Kunstsammler und seit 1761 Besitzer der Fabrique de Porcelaine de Berlin (heute Königliche Porzellan Manufaktur). Er entstammte der alten polnischen Adelsfamilie Gockowski und hatte einen guten Draht zu König Friedrich II. Letztgenannter ist bis heute für seine „Kartoffelbefehle“, mit denen er seinen Untertanen Kartoffeln schmackhaft machen wollte, bekannt.

Friedrich II. oder Friedrich der Große oder der Alte Fritz: Hier dargestellt bei der Schlacht bei Kunersdorf am 12. August 1759 im Siebenjährigen Krieg.

© mauritius images

Die „Erdäpfel“ (im Grimms‘schen Wörterbuch übrigens auch als „Erdbirnen“ zu finden) waren nicht nur nahrhaft - sie wuchsen auch prima auf dem sandigen Böden Brandenburgs, Schlesiens und Pommerns und sollten als Nahrungsquelle einige für ihre Krankheiten und Wetterkatastrophen anfälligen Getreidesorten ersetzen. Der erste Kartoffelbefehl erging unmittelbar nach dem Ausbruch der Hungersnot in Pommern 1746.

Abgesehen davon könnte man Schnaps, für den man bis dato zu viel gutes Korn hatte verbrauchen müssen, auch aus den Knollen brennen. Brandenburg wurde in jener Zeit zur Hochburg des Kartoffelschnapsbrennens, Berlin zur Hauptstadt der Schnapshändler.

Was das Verspeisen der Kartoffel anging, hielt sich die Begeisterung des Volkes dagegen sehr in Grenzen – vor allem, weil viele die fremden Knollen roh verspeisen wollten, von dem Geschmack ganz und gar nicht überzeugt waren, und dann auch noch Fieber bekamen (ein alter Trick, den viele Schulschwänzer noch kennen). Also schickte der Monarch „Kartoffel-Influencer“ los. Das waren in der Regel die örtlichen Pastoren, die als „Knollenprediger“ bekannt wurden. Sie priesen die Vorteile und wundersame Wirkungen der Kartoffel von der Kanzel aus an.

Der König, der sich mit der Psychologie offensichtlich gut auskannte, hat mit Schisslaweng noch einen Kniff eingesetzt: die königlichen Kartoffelanbauflächen sollten von Soldaten bewacht werden. Da nichts so gut wächst, wie Gestohlenes und nicht so gut schmeckt, wie das, was als verboten gilt. Der Alte Fritz behielt Recht. Die Bauern, die sich vorher gesträubt hatten, zehn Prozent ihrer Flächen dem „Erdbirnen“-Anbau zu opfern, waren plötzlich neugierig und bereit diese seltsame Saat zu stehlen, um sie auf ihren Feldern königlich gedeihen zu lassen.

Aber was hat das alles mit der Brüderstraße und dem Weihnachtsbaum zu tun? Die Legende nach, ließ Herr von Gotzkowsky 1755 seinen Weihnachtsbaum mit versilberten und vergoldeten Erdäpfelchen schmücken, er nannte sie „Tartuffolli“ (aus Italienischen für „kleine Trüffel“). Erste Weihnachtsbaumkugeln aus Glas wurden etwa 80 Jahre später hergestellt.

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