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Nach dem tödlichen Unfall auf der A11: Warum ist Flixbus so oft in Unfälle verwickelt?
Nach dem Unfall auf der A 11 von Berlin nach Stettin mit zwei Toten fragen sich viele Kunden, ob das Münchener Unternehmen ein Sicherheitsproblem hat. Ein Unfallforscher kritisiert die komplizierten Regeln für Lenkzeiten.
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Busfahren kann tödlich enden. Das könnte als Warnhinweis auf jedem Flixbus stehen. Aber natürlich auch auf anderen Bussen im Fernverkehr. Nach Einschätzung des Unfallforschers Siegfried Brockmann ist Busfahren genauso gefährlich wie Autofahren, auch wenn es die Busunternehmen regelmäßig anders darstellen. Der ADAC spricht vorsichtig von einem „vergleichsweise sicheren Verkehrsmittel.“
Am 11. Januar verunglückte ein Flixbus auf der A 11 von Berlin Richtung Stettin, zwei Menschen kamen ums Leben, elf wurden verletzt. Im Frühjahr 2024 war ein Flixbus auf dem Weg von Berlin nach München auf der A 9 bei Leipzig von der Fahrbahn abgekommen. Es gab vier Tote, 30 Verletzte. 2023 gab es tödliche Flixbus-Unfälle in Italien und Österreich.
„Im Jahr 2024 hatten wir weltweit in unserem globalen Netz insgesamt elf tödliche Unfälle“, erklärt das Unternehmen Flix, 2023 waren es neun. Ist das viel? Bei mehr als 80 Millionen Fahrgästen in Bussen und Bahnen eher nicht. Die Ermittlungen zur Ursache der jüngsten Unglücke richten sich vor allem gegen die Fahrer. In beiden Fällen gab es keine Beteiligung eines anderen Fahrzeugs.
Flixbus ist nach eigenen Angaben die Nummer eins im internationalen Busverkehr. Die Wahrscheinlichkeit, in einem Flixbus zu sterben, ist sehr gering – die Unfallrate liegt statistisch bei 0,003 Todesfällen pro Million Personenkilometer.
Wobei Brockmann diese Berechnungsmethode für irreführend hält. Als statistische Messlatte müssten die wesentlich geringeren Fahrkilometer der Busse herangezogen werden, die Flixbus aber nicht nennt. Wie viele Menschen bei den „tödlichen Unfällen“ zu Tode kamen, ist ebenfalls unbekannt.
Wer in eine Flixbus einsteigt, sollte allerdings wissen, dass Flix gar keine Busse unterhält, sondern nur die Buchungsplattform betreibt, die Tickets verkauft und die Marke führt. Busse und Fahrer kommen von assoziierten Busunternehmen.
Den Nutzern wird suggeriert, dass es sich um ein großes deutsches Busunternehmen handelt. Das ist jedoch ein Irrglaube.
Dirk Schlömer, Vorstandschef Verein Mobifair
Weltweit arbeiten 1000 Unternehmen mit Flix zusammen, verteilt über Europa, USA und die Türkei. In der Region Deutschland, Österreich und Schweiz (DACH) sind es laut Flix 40.
„Den Nutzern wird suggeriert, dass es sich um ein großes deutsches Busunternehmen handelt. Das ist jedoch ein Irrglaube. Billige Bustickets gibt es leider nur mit deutlichen Qualitätseinbußen und offensichtlich mangelnder Sicherheit“, erklärt Dirk Schlömer, Chef von Mobifair, einer privaten Organisation gegen unfairen Wettbewerb.
Raserei und abgelenkte Fahrer
Nutzer von sozialen Plattformen berichten immer wieder über schlechte Erfahrungen mit Flixbus, über Raserei, abgelenkte oder übermüdete Fahrer – oder gar welche ohne Führerschein.
Beim Unglücksbus auf der A 11 kam die Fahrerin laut Flix aus Polen und war auch dort angestellt, das ist bei grenzüberschreitenden Verbindungen der Normalfall. Polnische oder tschechische Busfahrer verdienen weniger, also können die dortigen Busunternehmen ihre Dienste günstiger anbieten.

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Die Busse müssen deshalb nicht unsicherer sein. Während in Deutschland im Quartal eine Sicherheitsprüfung und jährlich eine Hauptuntersuchung vom TÜV stattfinde, sei in Polen eine halbjährliche Vollinspektion, dem TÜV vergleichbar, vorgegeben.
„Zusätzlich macht Flix unangekündigte regelmäßige Abfahrtskontrollen an den Busbahnhöfen. Dort überprüft Flix unter anderem die Feuerlöscher, den Zustand der Reifen und die Gültigkeit der TÜV-Plakette“, erklärt das Unternehmen.
Außerdem würden die gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten regelmäßig überprüft. „Dass sich Busunternehmen dem Compliance-Kanon von Flixbus unterwerfen, ist gut“, sagt Brockmann. Er glaubt nicht, dass die Häufung von Unfällen am System Flixbus liegt. Zumal Flixbusse in der Regel mit modernen Assistenzsystemen ausgestattet sind.

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Brockmann hält die gesetzlichen Ruhe- und Lenkzeiten mit ihren vielen Ausnahmeregeln allerdings für reformbedürftig. „Die Fahrer können bis zu zehn Stunden am Tag am Steuer sitzen, in der Woche bis zu 56 Stunden.“ Ein gut organisiertes Unternehmen wie Flixbus nutze die maximalen Lenkzeiten sicher eher aus als lokale Unternehmen – das würde dann wieder dafür sprechen, dass Flixbus-Fahren doch gefährlicher ist.
„Wir stellen nur sehr selten relevante Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten fest“, erklärt Flixbus auf Anfrage. Das liege auch an der Natur des Linienverkehrs. „Im Linienverkehr wird in der Regel langfristig die gleiche Leistung gefahren und die Einteilung der Lenk- und Ruhezeiten ist somit berechenbar.“ Stehen Busse längere Zeit im Stau, dürften die Lenkzeiten überschritten werden – per Ausnahmeregelung.
Übermüdete Fahrer sollen Pause einlegen
„Generell halten wir alle Fahrer zu jeder Zeit an, bei möglichen Müdigkeitserscheinungen eine zusätzliche Pause einzulegen. Fahrpläne werden zudem mit ausreichend Puffer geplant, um etwaigen Staus oder anderweitigen Verkehrsverzögerungen entgegenzuwirken oder auch zusätzliche Pausen für die Busfahrer zu ermöglichen.“
Beim Busunternehmen, dessen Fahrzeug auf der A 11 verunglückte, hätten Kontrollen zu Lenk- und Ruhezeiten im vergangenen Jahr zweimal stattgefunden, erklärt Flix. „Dabei gab es keine Beanstandungen. Auch können wir bestätigen, dass bei der Busfahrerin vom verunfallten Bus die Lenk- und Ruhezeiten eingehalten wurden.“
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