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Umfrage der Berliner Handelskammer: Warum die Hälfte der Ausbildungsplätze unbesetzt bleibt
Wer eine Ausbildung macht, ist in den meisten Fällen zufrieden. Das Problem: Viele fangen gar nicht erst an. Woran liegt das?
Stand:
Das Problem mit offenen Lehrstellen in Berlin verschärft sich: 48 Prozent der Ausbildungsplätze in Berlin bleiben aktuell unbesetzt. Das hat die jährliche Ausbildungsumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin ergeben. Seit 2017 steige diese Zahl kontinuierlich, sagt IHK-Sprecherin Claudia Engfeld am Donnerstag bei der Vorstellung der Ergebnisse.
Die Gründe dafür? Rund ein Drittel der befragten Betriebe gaben an, gar keine Bewerbungen erhalten zu haben, 68 Prozent hätten keine geeigneten Bewerbungen bekommen. Und 18 Prozent der Auszubildenden hätten ihren Vertrag nach Beginn der Ausbildung aufgelöst.
Immerhin: Eine weitere Umfrage unter Berliner Azubis zeigt, dass mehr als 80 Prozent die Ausbildung in ihrem Betrieb weiterempfehlen würden.
Bewerbungen ohne Lebenslauf
Das Problem der ungeeigneten Bewerbungen kennt Anita Joesten-Krause, Personalverantwortliche beim Maschinenbauunternehmen KST im Norden Berlins, nur zu gut: „Schulnoten sind uns deswegen schon lange egal“, sagt sie. Am Zeugnis interessiere sie nur die Zahl der unentschuldigten Fehltage, laut ihr ein Indikator für Zuverlässigkeit.
„Aber wenn ich als Bewerbung nur eine Mail mit drei Zeilen ohne Anhang bekomme, wird’s schwierig.“ Auf solche Bewerbungen antworte sie nicht immer.
Neue Plattformen wie Jobflow wollen diesem Problem mit KI-generierten Anschreiben begegnen. Kein Problem für Joesten-Krause. Ihr sei vor allem wichtig, dass eine Motivation der Bewerberinnen und Bewerber erkennbar sei, genauso wie 75 Prozent der Unternehmen der Umfrage.
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Selbst wenn den Bewerberinnen und Bewerbern ein paar Grundkenntnisse fehlen, sind viele Firmen offenbar bereit zu investieren: Den Ergebnisse zufolge bieten 38 Prozent Nachhilfe im Unternehmen an oder geben lernschwachen Jugendlichen eine Chance. Aber dazu kommt der angespannte Berliner Wohnungsmarkt, ein Problem für 42 Prozent der Unternehmen bei der Besetzung der Ausbildungsplätze.
Berufsorientierung, um Barrieren abzubauen
Doch das zentrale Problem: Die Jugendlichen und Ausbildungsbetriebe finden nicht zueinander.
Außerdem gebe es seit der Pandemie immer mehr junge Menschen, die weder in einer Ausbildung oder einer Schule seien noch einer Arbeit nachgingen (sogenannte „NEETs“). Für viele sei die Arbeitswelt weit weg. „Da müssen wir Barrieren abbauen“, sagt Stefan Spieker, Vizepräsident der IHK Berlin.
Um all das zu lösen, setzt die IHK darauf, die Berufsorientierung weiterzuentwickeln: „Wir wollen Praktika so früh wie möglich stärken“, sagt Spieker. Jugendliche sollten eine Antwort finden auf die Frage „Was passt zu mir und was nicht?“. Zum Beispiel in der Praktikumswoche, die in den kommenden Wochen während der Sommerferien stattfinden wird. Auch das geplante elfte Pflichtschuljahr sei ein Schritt dahin.
Liz Sattler besucht als Azubi-Botschafterin regelmäßig Schulen. Sie ist noch selbst Auszubildende beim Hotel Waldorf Astoria. In den Schulen erlebt sie, dass viele Jugendliche zuerst nicht so interessiert an einer Ausbildung seien, mehr am Studium: „Nach meinem Vortrag kommen aber oft viele Fragen, auch per Mail noch Tage danach.“ Etwa zur Berufsschule, was man in der Ausbildung mache, was danach möglich sei.
Das Waldorf Astoria wirbt mit einem Instagram-Account für die Ausbildung. Instagram ist laut IHK-Umfrage der meistgenutzte Social-Media-Kanal unter Azubis, gefolgt von YouTube und TikTok. 46 Prozent der Betriebe nutzen schon Social Media fürs Employer Branding, aber nur elf Prozent TikTok oder YouTube.
Aber: Nur sechs Prozent der Azubis sind über Social Media auf Stellenanzeigen aufmerksam geworden. Die meisten über die Webseiten der Unternehmen (28 Prozent), die Agentur für Arbeit, Eltern oder Verwandte und Stellenanzeigen auf Jobportalen (ca. ein Viertel). Beim Waldorf Astoria bekomme man die meisten Bewerberinnen und Bewerber über die Plattform Stepstone.
Für den Maschinenbaubetrieb KST sind die zentralen Werbemittel die Webseite sowie Besuche in Schulen und auf Messen. „Social Media noch nicht so, aber wir haben realisiert, dass wir das müssen.“ Zum Ausbildungsstart im September waren beide Plätze besetzt, diese Woche dann sagte eine Person ab, berichtet Joesten-Krause: „Wir haben noch einen Ausbildungsplatz zum Zerspanungsmechaniker frei.“
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