zum Hauptinhalt
Ein Arbeiter der Deutschen Bahn (DB Netze) bearbeitet eine Weichenzunge mit einem Winkelschleifer. 

© dpa/Rolf Vennenbernd

Umfrage für Berlin und Brandenburg: Nur Start-ups und Steuerberater sind noch optimistisch

In fast allen Wirtschaftszweigen der Hauptstadtregion blickt man pessimistisch ins Jahr, ergibt die jüngste Umfrage der Unternehmensverbände (UVB). In Berlin sehen die Arbeitgeber den Wohnraummangel mittlerweile als größtes Problem an.

Stand:

Die Farben Rot und Grau dominieren beim Durchblättern eines 16-seitigen Papiers, das die Unternehmensverbände Berlin- Brandenburg (UVB) am Mittwoch in Berlin vorgestellt haben. Grüne Pfeile, die nach oben zeigen und positive Entwicklungen darstellen sollen, findet man nur wenige: bei der Start-up-Wirtschaft und den Steuerberatern. Letztere profitieren ja von dem immer komplexeren Steuerrecht. „Alles andere ist trist bis traurig, mittelmäßig bis schlecht“, fasste UVB-Hauptgeschäftsführer Alexander Schirp die Ergebnisse seiner diesjährigen Frühjahrsumfrage zusammen.

Die Antworten von 60 UVB-Mitgliedern, alles Branchenverbände oder große Unternehmen, gelten als zuverlässiger Indikator für die Stimmung in der Breite der lokalen Wirtschaft. Diese reicht von der Industrie übers Handwerk bis zu den Dienstleistern, dazu zählen auch der Handel und das für Berlin wichtige Hotel- und Gastgewerbe. Die UVB-Mitglieder repräsentieren insgesamt rund 1000 Unternehmen mit zusammen rund einer Million Beschäftigten.

Schirp wies darauf hin, dass die Umfrage erhoben wurde, bevor Union und SPD die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche präsentiert haben, inklusive der Absicht, die Wirtschaft mit beispiellos hohen „Sondervermögen“ anschieben zu wollen. Auch der Plan, den Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie zu senken, war da noch nicht bekannt.

Alexander Schirp ist der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB).

© dpa/Patrick Pleul

Stand Februar also schätzten 57 Prozent der befragten Branchen ihre Entwicklung in diesem Jahr schlechter ein als im vergangenen. 40 Prozent gingen von stabilen Geschäften aus, nur drei Prozent erwarteten ein besseres Jahr. 40 Prozent der Verbände bezeichneten ihre (im Februar) aktuelle Situation als schlecht. „Noch nie in der Geschichte unserer Verbände-Umfrage war der Pessimismus in der Industrie so verbreitet. Fast durchgehend wollen die Branchen weniger investieren als in der Vergangenheit. Das ist ein Alarmzeichen und zeigt, dass die tiefe Krise der Industrie auch in Berlin und Brandenburg angekommen ist“, sagte der UVB-Chef.

Industrie baut Jobs ab, Verwaltung baut auf

Ein aus Sicht des Dachverbandes strukturelles Problem in der Region: In der heimischen Industrie seien innerhalb von fünf Jahren – trotz des Baus der riesigen Tesla-Fabrik östlich von Berlin – unterm Strich rund 2000 Arbeitsplätze verloren gegangen. In derselben Zeit sei die Verwaltung um 19.000 Beschäftigte gewachsen, rechnet der UVB vor. Erschwerend komme hinzu, dass der Anteil der Teilzeit-Beschäftigten dort um 26 Prozent gestiegen sei. Ein Trend, der vielleicht zum Zeitgeiste passe – aber nicht zu einer schrumpfenden Bevölkerung, meinte Schirp.

Die UVB-Mitglieder bewerten die Standorte Berlin und Brandenburg unterschiedlich: In Berlin beurteilen fast neun von zehn (89 Prozent) der Unternehmen die Verfügbarkeit von Wohnraum für die Mitarbeiter als „schlecht“. Hier sind die Sorgen noch größer als beim Dauer-Ärgernis Bürokratie und Verwaltung, die jeweils „nur“ 86 Prozent als „schlecht“ bewerten. „Einstellungen scheitern daran, weil kein Wohnraum gefunden wird“, berichtete Schirp. Für Brandenburg steht das Wohnraum-Problem ganz am Ende der Sorgenliste, hier sehen die befragten Verbände die Bürokratie, die (mangelnde) Digitalisierung der Verwaltung und die hohen Energiepreise als die größten Probleme an.

Beim Blick über die Region hinaus zeigte sich der UVB-Hauptgeschäftsführer ambivalent mit Blick auf die Pläne zu den „Sondervermögen“. Diese dürften die Politik dabei bremsen, „ihre Hausaufgaben“ zu machen, also Prioritäten zu setzen und zu sparen. Die Grünen hätten in den vergangenen Tagen dazu „wichtige Hinweise“ gegeben, lobte Schirp.

Wir können unseren Frieden machen mit so einer Zahl.

Alexander Schirp, UVB-Hauptgeschäftsführer, über den Plan, 500 Milliarden Euro „Sondervermögen“ in die Infrastruktur zu investieren.

Auf der anderen Seite „wollen wir nicht diejenigen sein, die jetzt über Jahre den ordnungspolitischen Streit führen“, sagte er. Wenn die 500 Milliarden Euro (vorgesehen für Investitionen in Infrastruktur) der Preis für den Aufschwung seien, dann sei das so. „Wir können unseren Frieden machen mit so einer Zahl.“

Bleiben die USA Berlins wichtigster Exportmarkt?

Besorgt äußerte er sich über die Entwicklung in den USA, die für Berlins Exporteure wichtigster Absatzmarkt sind, für die in Brandenburg an Rang drei. Dennoch dürften auch die Amerikaner bald merken, dass die Zölle das Leben verteuerten. „Keine Seite ist gut beraten, wenn sie immer weiter an der Schraube dreht“, sagte Schirp.

Fahrzeuge aus der Tesla-Fabrik in Grünheide werden auf Lkw verladen (hier im November 2024): Der Hersteller kämpft wegen der Unterstützung von Gründer Elon Musk für Donald Trump und die AfD mit Absatzproblemen und einem Kursverfall der Aktie.

© AFP/ODD ANDERSEN

Um Tesla, den größten US-amerikanischen Arbeitgeber der Region (und kein Mitglied der UVB), mache er sich keine zu großen Sorgen. Man dürfe nicht allein von der „in Deutschland aufgeregt geführten Debatte“ schließen, dass der Autobauer insgesamt ein Absatzproblem bekomme. In anderen Ländern, auch im Nahen- und Mittleren Osten, die Tesla aus Grünheide beliefere, sei die Stimmung anders. Er habe gehört, dass Tesla am Ausbau des Standortes festhalten werde und auch die geplante Batteriefabrik errichten werde. Eine konkrete Quelle für diese Information nannte Schirp nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })