
© Handwerkskammer Berlin
Unternehmensnachfolge in Berlin: Es „matcht“ noch nicht richtig
Seit sechs Wochen gibt es online die Nachfolgeplattform. Sie soll Alt- und Jungunternehmer zusammenbringen. Zu einer Übernahme kam es bisher nicht. Konfetti gab es jetzt trotzdem.
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Dating in Berlin ist bekanntlich schwierig. Unternehmen scheint es da nicht anders zu gehen, wie sich bei der offiziellen Eröffnung der Nachfolgezentrale in der Berliner Bürgschaftsbank in Charlottenburg am Mittwoch zeigt.
Schon seit etwa sechs Wochen kann man sich auf dem digitalen Portal der Nachfolgezentrale registrieren, das Unternehmer mit potenziellen Nachfolger:innen matchen soll. Zu einem unterschriebenen Vertrag kam es bisher nicht. Dafür jedoch zu einigen Gesprächen, wie Thomas Gütschow von der Nachfolgezentrale sagt.
Die Zentrale ist ein gemeinsames Projekt der Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Handwerkskammer (HWK), gefördert wird sie mit 600.000 Euro von der Senatswirtschaftsverwaltung.
Tausende Berliner Betriebe bedroht
Hintergrund sind düstere Prognosen für die Berliner Wirtschaft: In 180.000 Berliner Betrieben sind die Chefs und Chefinnen älter als 55 Jahre; allein in den nächsten zwei Jahren werden 8.600 Betriebe eine Nachfolgeregelung benötigen. „Der demografische Wandel ist für den Berliner Mittelstand, dem Rückgrat der Berliner Wirtschaft, nicht nur ein theoretisches Modell“, betont auch Unternehmensnachfolge-Referent Christian Schuchardt.
Wird kein Nachfolger gefunden, folgt oft die Schließung. Und damit der Wegfall wichtiger Infrastruktur, „von Arbeitsplätzen, Know-how und häufig auch Tradition“, wie Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) bei der Projektvorstellung im Sommer erklärte. Um das zu verhindern, ging Anfang September die Nachfolgeplattform online.
Überangebot an potenziellen Nachfolgern
Bisher haben sich rund 300 Menschen registriert. Nur ein Drittel der Anmeldungen entfällt auf Menschen, die ihr Unternehmen abgeben wollen. Die Mehrheit sind Jungunternehmer, die eine Nachfolge antreten wollen. Besonders interessant ist die Verteilung, wenn man sie mit der ebenfalls am Dienstag vorgestellten Umfrage abgleicht:
So geben Nachfolgesuchende an, dass die größte Herausforderung – noch vor der Realisierung eines gewünschten Kaufpreises – darin besteht, den potenziellen Interessenten überhaupt zu finden. Wenn auf der Plattform davon sogar ein Überangebot herrscht – warum ist hier trotzdem noch kein offizielles Paar entstanden?
An der Qualität der Interessenten liege es nicht, stellt Thomas Gütschow klar. „Die ist erstaunlich gut.“ Schon bei der Registrierung müssen Interessenten Angaben zum Lebenslauf machen und ein Motivationsschreiben hochladen. Stellt der Algorithmus ein potenzielles Match mit einem Unternehmen fest – was bisher schon 30 Mal der Fall war – kommt es zu einem ersten Gespräch mit der Nachfolgezentrale. Hier wird die unternehmerische Motivation weiter abgeklopft.
Erhaltung von Jobs, Tradition und Infrastruktur
Wohl auch, um sicherzustellen, dass das Ziel – Erhaltung von Infrastruktur und Arbeitsplätzen – tatsächlich erreicht wird. „Es sind keine verkäuferfreundlichen Preise“, stellt Arne Lingott von der HWK fest. Die Gefahr, dass Interessenten eher am Ankauf von Gerätschaften als an der Fortführung der Kiez-Tradition interessiert sind, besteht.
„Aber es gibt natürlich noch andere Parameter, warum ein Interessent vielleicht doch nicht passt“, sagt Gütschow. „Wenn die Belegschaft zum Beispiel in einem Alter ist, dass klar ist, dass ein Großteil in den nächsten Jahren ebenfalls in Rente gehen wird. Oder wenn der Betrieb zu klein ist.“ Tatsächlich beschäftigen über 50 Prozent der Unternehmen, die bisher mit der Nachfolgezentrale in Kontakt stehen, weniger als zehn Mitarbeitende. Knapp zehn Prozent nicht mal einen.
„Klare Spielregeln“ müssen definiert werden
Manchmal sind es auch persönliche Faktoren, sagt Gütschow. So lautet ein weiteres Ergebnis der Umfrage, dass etwa jeder zweite Nachfolgesuchende seinem Betrieb weiterhin beratend zur Seite stehen will. Schließlich geht es für viele um ihr Lebenswerk. Für die übernehmenden Jungunternehmer kann genau das aber störend sein. „Dann müssen klare Spielregeln definiert werden: Was darf der ehemalige Inhaber noch, was lasse ich nicht mehr zu?“

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Generell gilt: Bis der Prozess der Übernahme offiziell vollzogen ist, dauert es. Und bevor alles in trockenen Tüchern ist, sprechen Unternehmer und Unternehmerinnen ungern darüber. „Abgebende Unternehmer sind sehr vorsichtig, weil sie Angst haben, ihre Mitarbeiter zu verunsichern“, erklärt Gütschow. Die Sorge sei, dass sie ihr „human capital“ und damit den Kaufpreis und Wert des Unternehmens gefährden. Auch deshalb steht am Mittwoch also niemand von den Match-Paaren, die derzeit noch „im Vollzug sind“, hier.
Optimistisch ist man in der Nachfolgezentrale trotzdem. Noch in diesem Jahr soll es zu mindestens einer erfolgreichen Nachfolge kommen, wahrscheinlich sogar mehr. Die Zahlen rechtfertigen die Konfettikanone vielleicht noch nicht. Dass es gelungen ist, mehr Interessenten als Nachfolgende auf die Plattform zu locken, wohl eher.
Das Thema Vertrauen ist, wie auch bei der persönlichen Partnerwahl, das Thema Nummer Eins.
Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der HWK Berlin
Genauso wie das kostenfreie Beratungsangebot, mit dem Nachfolgezentrale, Handwerkskammern und Bürgschaftsbank durch den Prozess führen. „Das Thema Vertrauen“, sagt Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der HWK Berlin, „ist, wie auch bei der persönlichen Partnerwahl, das Thema Nummer Eins.“
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