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Mit 1,8 Millionen Euro soll das nachhaltiges Wirtschaften in Berlin gefördert werden. Neben Wirtschaftlichkeit geraten dann auch soziale und ökologische Faktoren in den Blick.

© Foto: dpa/Paul Zinken

Vorbild Öko-Suchmaschine Ecosia: Berliner Senat gibt Fördergeld für „nachhaltige“ Geschäftsmodelle

Die alternative Suchmaschine Ecosia als Blaupause: Ein Pilotprojekt will Berliner Unternehmen zeigen, wie wirtschaftlicher Erfolg Hand in Hand geht mit ökologischer Verträglichkeit.

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Als Ecosia 2009 in Berlin mit einer nachhaltigen Suchmaschine antrat, hatte sich das Wort „googlen“ schon im deutschen Sprachgebrauch festgesetzt. Doch Gründer Christian Kroll hatte eine Vision: Eine Suchmaschine, die hauptsächlich Bäume pflanzt. 100 Prozent des Gewinns sollten in Aufforstungsprojekte fließen. Aus der kuriosen Idee sind bis heute im wörtlichen Sinne über 170 Millionen Bäume „erwachsen“ – und zugleich ein Paradebeispiel, wie nachhaltiges Wirtschaften funktionieren kann. Ecosia beschäftigt inzwischen rund 100 Mitarbeitende, 80 davon in Berlin.

Wenn es nach Katharina Reuter geht, würden mehr Unternehmen in Berlin den Weg der Nachhaltigkeit beschreiten. Reuter ist Geschäftsführerin des Bundesverbandes für Nachhaltige Wirtschaft (BNW) und koordiniert das Pilotprojekt „Ort für Nachhaltiges Wirtschaften“. 1,8 Millionen Euro stehen dem Verbund zur Verfügung, um die ökologisch-soziale Transformation anzustoßen.

Unter „nachhaltigem Wirtschaften“ wird gemeinhin verstanden, dass Unternehmen neben Wirtschaftlichkeit auch sozialen und ökologischen Mehrwert schaffen – also das Kerngeschäft so gestalten, dass die Natur möglichst wenig leidet und die Gesellschaft profitiert.

Ecosia zeigt, dass eine solche Ausrichtung auch dem Unternehmen zum Vorteil gereichen kann. „Wir wachsen, obwohl wir unseren gesamten Gewinn weggeben“, erklärt Sprecherin Génica Schäfgen. Beim wohl größten Druckpunkt, dem Fachkräftemangel, wirke die grüne Firmenidentität eine enorme Strahlkraft aus. „Als womöglich einziges Tech-Unternehmen in Berlin haben wir keine Probleme, Entwickler zu finden.“

Nachhaltigkeit – auch ein Argument bei der Fachkräftegewinnung

Und die Arbeitnehmer:innen bleiben. „Es spielt eine zunehmend große Rolle gerade für junge Arbeitnehmer, sich mit den Unternehmenswerten zu identifizieren“, so Schäfgen. Gerade in Zeiten von zunehmendem Greenwashing sei Vertrauen zu einer wichtigen Währung geworden. „Und wir haben Glaubwürdigkeit geschafft: Dadurch, dass wir immer noch weitere Schritte gegangen sind.“

Die Betreiber der Suchmaschine Ecosia behaupten, seit Gründung schon mehr als 170 Millionen Bäume gepflanzt zu haben.

© Foto: Getty Images

2018 nämlich spendete Gründer Kroll 99 Prozent der Unternehmensanteile an die Purpose Stiftung – und stellte damit sicher, dass Ecosia niemals verkauft werden kann. Sprecherin Schäfgen erklärt, so sei die Suchmaschine in „Verantwortungseigentum“ überführt worden. Die Stiftung habe ein Vetorecht und sei gezwungen, es zu nutzen, wenn Ecosia zu Verkauf gestellt werden soll oder wenn Gewinne nicht gemeinwohlorientiert eingesetzt werden.

170
Millionen Bäume hat die nachhaltige Suchmaschine Ecosia seit Gründung 2009 gepflanzt.

Seit einigen Jahren begnügt sich Ecosia jedoch nicht mehr mit dem Bäumepflanzen – inzwischen baut das Unternehmen auch Solaranlagen. Mit den bereits errichteten Anlagen, so Schäfgen, erzeuge man nun doppelt so viel Strom, wie der Betrieb der Server verbraucht. Damit auch alle Nutzer:innen Klarheit darüber haben, was Ecosia mit seinem Geld macht, werden monatlich Finanzberichte auf dem Blog veröffentlicht.

„Überlebensfrage“ für klassische Unternehmen

Damit könnte Ecosia Vorbild für andere sein. „In Berlin sollen Blaupausen entstehen. Wir brauchen Nachahmerinnen und Nachahmer“, sagt Michael Biel, der Staatssekretär in der Senatswirtschaftsverwaltung. Für die klassische Wirtschaft sei das eine „Überlebensfrage“. Nicht nur wegen der Fachkräfte, wie BNE-Geschäftsführerin Reuter weiß. Auch bei der Vergabe von Krediten und Versicherungen erzeugt Nachhaltigkeit in Form von CSR-Konformität („Corporate Social Responsibility“) zunehmend Handlungsdruck.

1,8 Millionen Euro hat die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe nun zur Verfügung gestellt, um die Transformation anzukurbeln. Dieses Geld soll genutzt werden, um Anlaufstellen zu schaffen. Neben dem BNW-Büro in Berlin-Mitte soll am Impact Hub Neukölln eine zweite physische Informationsstelle etabliert werden, darüber ist ein Online-Portal in der Planung. Die Finanzierung des Projektes ist auf zwei Jahre gesichert.

Ziel ist, durch Vernetzung untereinander und Sichtbarkeit nach außen die nachhaltig wirtschaftenden Akteure zu stärken, etablierte Unternehmen zu inspirieren und Kooperationen zu fördern. Am Impact Hub, einem Co-Working-Space für sozial und ökologisch verträgliche Unternehmen, werden 30 Arbeitsplätze für nur 49 Euro monatlich angeboten, was einer 90-prozentingen Vergünstigung entspricht. „Damit bekommen gerade junge nachhaltige Unternehmen die notwendige Unterstützung, um in Berlin erfolgreich zu werden“, sagt Leon Reiner, Gründer des Impact Hub.

Kooperationen zwischen bereits nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen und klassischen Betrieben will das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) vorbereiten und begleiten. „Im Rahmen des Projekts schaffen wir Kooperationen für eine gemeinsame Gestaltung der Wirtschaft von morgen und bringen nachhaltige Produkte in die Lieferketten klassischer Unternehmen“, erläutert Michael Wunsch, Mitgründer von SEND.

Das Projekt soll den Berliner Unternehmen Orientierung bieten und „good practice“ Sichtbarkeit verschaffen. Wer sich beraten lassen möchte, muss jedoch auch Handlungsbereitschaft zeigen. Kompensieren reiche nicht, sagt Initiatorin Reuter. „Es gilt das Credo: Schädigungen meiden first, Wohltätigkeit second. Man muss ans Kerngeschäft rangehen und da etwas ändern“.

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