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Das Gebiet Buch – Am Sandhaus hat viel Natur zu bieten, trotzdem sollen hier 2700 Wohnungen gebaut werden.

© Dirk Laubner

„Wir brauchen eine Zeitenwende in der Stadtplanung“: Fraktionen wollen weniger Wohnungsbau für mehr Naturschutz in Berlin-Buch

Im Ausschuss für Stadtentwicklung sprachen sich die Abgeordneten für Naturschutz aus. Sie zeigten Verständnis für die Forderungen einer Anwohner-Initiative.

Lässt sich eine Moorwiese erhalten, wenn sie von sechs- bis zehngeschossigen Wohnblocks umbaut wird? Fast alle Teilnehmenden in der Anhörung des Stadtentwicklungsausschusses am Montagvormittag, Abgeordnete und Anzuhörende, haben daran ihre Zweifel.

Fast alle, bis auf die Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Es geht um die Pläne zum neuen Stadtquartier „Am Sandhaus“ in Buch, wo nach dem Willen der Verwaltung rund 2700 Wohnungen entstehen sollen – in einem renaturierten Moorgebiet, bestehend aus einer Moorwiese und zwei „Moorlinsen”.

Laut Justus Meißner von der Stiftung Naturschutz Berlin hat das Gebiet „eine herausragende Bedeutung für zahlreiche Vogelarten, die gemäß der Europäischen Vogelschutz Richtlinie zu schützen sind, in Berlin vom Aussterben bedroht sind und zum Teil hier ihr einziges Berliner Revier haben.“

Zahlreiche streng geschützte TIerarten leben im betroffenen Gebiet

Mit dem Moorfrosch, der Knoblauchkröte, der Zauneidechse, dem Feuerfalter und der Mopsfledermaus leben laut Meißner auch noch eine große Anzahl weiterer besonders streng geschützter Tierarten im Gebiet der großen und kleinen Moorlinse. Werden die Naturräume zurückgedrängt, bringt das überdies den örtlichen Abenteuerspielplatz und Waldkindergarten in Bedrängnis. Die wiederum sind wichtige Lern- und Freizeitorte für Buch, eine benachbarte Schule hält dort regelmäßig ihren Unterricht ab.

Um all dies zu erhalten, fordert die Initiative Buch am Sandhaus die drastische Reduktion der geplanten Wohneinheiten auf maximal 1000. Über 4600 Unterschriften hat die Initiative zuletzt gesammelt und nun am Montagmorgen den Mitgliedern des Stadtentwicklungsausschusses ausgehändigt.

Außerdem mahnt sie an, die Moorwiese nicht durch Gebäude zu „umzingeln“, und überhaupt keine Bebauung zwischen der Moorwiese und der „Moorlinse“ vorzunehmen, einer Art kleinem See im Gebiet. Auch von den geplanten Waldrodungen von bis zu 7,24 Hektar sollte man in den weiteren Planungen Abstand nehmen. Außerdem bräuchte es ein tragfähiges Verkehrskonzept für den Pankower Nordosten.

Zauneidechsen werden überall in Berlin eingesammelt und umgesiedelt.
Zauneidechsen werden überall in Berlin eingesammelt und umgesiedelt.

© Thomas Loy TSP

„Wir brauchen eine Zeitenwende in der Stadtplanung“, sagte Initiativenvertreter André Fabian in der Anhörung. „Planungen zum Neubau von Wohnraum müssen von den bestehenden naturräumlichen Gegebenheiten und dem Schutz der dadurch erbrachten Ökosystemdienstleistungen ausgehen und diese bewahren.“ Auch wenn der Senat hier ein sozial-ökologisches Modellquartier angekündigt habe, seien das bislang „nur wolkige Versprechen“.

Fraktionsübergreifend Forderungen nach Naturschutz

Unterstützung für ihre Forderungen zur Reduktion der Baumasse und Erhalt der Naturräume gibt es fraktionsübergreifend, vor allem von Linken, Grünen und der CDU, die ebenfalls nur eine reduzierte Bebauung fordert.

Die Senatsverwaltung allerdings scheint bislang keinen Anlass zu sehen, von der bestehenden Baumasse abzuweichen: „Richtig gut finde ich zehn Geschosse im Bereich eines Abenteuerspielplatzes auch nicht“, sagt Staatssekretär Christian Gaebler (SPD), zuständig für Bauen und Wohnen.

Richtig gut finde ich zehn Geschosse im Bereich eines Abenteuerspielplatzes auch nicht.

Christian Gaebler (SPD), Staatssekretär, zuständig für Bauen und Wohnen. 

Aber immer nur beschweren, wie es die Opposition und die Koalitionspartner täten, helfe beim Wohnungsbau eben auch nicht weiter, irgendwo müsse man die Häuser ja hinbauen: „Wir haben noch keine Möglichkeiten, Wohnungen in der Luft aufzuhängen. Aber auch da gäbe es bestimmt naturschutzrechtliche Probleme.“ Ernsthaft gesprochen sei man aber ohnehin noch in einem frühen Stadium der Planungen für das Bebauungsplanverfahren, es sei längst noch nicht alles bis ins Letzte aufbereitet.

Der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan, der das Planungsrecht hierfür schaffen soll, soll laut der Stadtentwicklungsverwaltung innerhalb des ersten Quartals verabschiedet werden. Die Howoge wird die landeseigenen Flächen auf dem Gebiet entwickeln. Mit dem Baubeginn sei ab 2026 zu rechnen.

Wolfgang Mochmann von der evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Buch ergänzt die Kritik der Initiative Buch am Sandhaus um Überlegungen zur sozialen Struktur: Buch habe seit jeher viele Aufgaben für Berlin übernommen, was durchaus zu sozialen Herausforderungen geführt habe. Es wurde oft von den Bedürfnissen Berlins her geplant.”

Krankenhäuser sollen zu Wohnraum umgebaut werden

Ob nun Heilanstalten, der Maßregelvollzug oder Krankenhäuser gebaut wurden, selten sei aber gefragt worden: „Was braucht Berlin gerade?“ Seit 2009 habe man hier eine Verbesserung gesehen. Aber nun erlebe man ein ähnliches Szenario wieder. „Wir dafür, hier neuen Wohnraum, aber in Maßen, ausgehend von den Bedarfen vor Ort.“

Außerdem solle man darüber nachdenken, das momentan brachliegende ehemalige DDR-Regierungskrankenhaus in Wohnungen umzuwandeln. Immerhin stehe dies auf bereits versiegeltem Grund. Dieses Gelände ist aber aktuell im Flächennutzungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen. Das ehemalige Stasi-Krankenhaus, das ebenfalls im Gebiet liegt, soll von der Howoge in Wohnraum umgewandelt werden.

Wegen des ehemaligen Regierungskrankenhauses kündigt Staatssekretär Gaebler an, sich mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft ins Vernehmen zu setzen, ob man die Fläche vielleicht in ein Wohngebiet umwidmen könne.

Am Ende der Anhörung ist André Fabian von der Initiative erfreut: Die fraktionsübergreifende Resonanz für die eigenen Forderungen mache ihm Hoffnung, dass es tatsächlich noch Spielräume gebe. Im Laufe des Jahres hätten sich viele der Abgeordneten ein Bild vor Ort gemacht, das habe offensichtlich seine Wirkung gezeigt.

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