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Zu wenig Arbeitskräfte in der Region: Wirtschaft hat den Winter aber gut überstanden
Konjunkturbericht der Industrie- und Handelskammern: Der Krisenwinter fällt zwar aus, aber ein Aufschwung ist nicht in Sicht.
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Die Kriegs- und Energiekrise ist vorerst überstanden, die Arbeitsmarktkrise rückt wieder in den Vordergrund. Von einem einheitlichen Bild konnte jedenfalls keine Rede sein bei der Vorstellung des Konjunkturberichts der regionalen Industrie- und Handelskammern (IHK) unter der Überschrift „Der Krisenwinter fällt aus – der Aufschwung aber auch“. Uneinheitlich ist ferner die Branchenbetrachtung: Den Dienstleistungsbereichen geht es gut, Industrie und der Handel erholen sich von den Pandemiejahren und der Energiekrise, doch auf dem Bau dreht sich aufgrund der Zinswende kein Kran mehr. Alles in allem sei man für den weiteren Jahresverlauf „vorsichtig optimistisch“, sagten die IHK-Chefs von Cottbus, Ostbrandenburg, Potsdam und Berlin am Mittwoch im Ludwig Erhard Haus in Charlottenburg.
In manchen Unternehmen mache sich jedoch „die blanke Not“ breit, berichtet Wolfgang Krüger, Hauptgeschäftsführer der IHK in Cottbus. Mitte der 2030er Jahr, so ergänzte der Berliner Kammerchef Jan Eder, „fehlen in der Region 400.000 Fachkräfte“. Wo die herkommen sollen, weiß kein Mensch. Krüger berichtete vom Technologiepark Schwarze Pumpe in der Lausitz, wo in den nächsten zwei Jahren 3000 Arbeitskräfte benötigt würden. Eigentlich sollte ein Teil davon vom Braunkohleunternehmen Leag stammen, doch die Leag habe gerade 300 Personen eingestellt, weil aufgrund der Energiekrise wieder mehr Kohle abgebaut und verstromt werde, erzählte Krüger. Auch die Kommunen stünden vor einer großen Herausforderung, denn um die erforderlichen Arbeitskräfte anzulocken, bedürfe es Wohnungen, Kitas und Schulen, sagte der Cottbusser Kammerchef.
Lob für die Bundesregierung
Die Integration von geflüchteten Menschen aus der Ukraine im ersten Arbeitsmarkt ist bislang nur unzureichend gelungen. Es gebe zu wenig Sprachkurse und zu wenig Möglichkeiten der Kinderbetreuung, um den ukrainischen Frauen überhaupt eine Chance auf Erwerbsarbeit zu geben, sagte Gundolf Schülke, Hauptgeschäftsführer der IHK Ostbrandenburg.
Eder lobte ausdrücklich die Arbeit der Ampel-Regierung. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wiederbelebte konzertierte Aktion habe sich als Instrument zur Krisenbewältigung bewährt. Eine Aufschwungperspektive sei aber noch nicht in Sicht, da die Inflation sowie steigende Zinsen, die Lieferschwierigkeiten und der Krieg in der Ukraine die Unternehmen verunsicherten und Investitionen zurückstellen ließen.
Im Gastgewerbe gibt es den größten Lichtblick.
Wolfgang Krüger, IHK Cottbus
Alles in allem ist die Berliner Wirtschaft, die auch 2022 wieder deutlich über dem Bundesdurchschnitt gewachsen war, derzeit optimistischer als die Brandenburger. Knapp ein Viertel der Berliner Firmen ist dem Konjunkturbericht zufolge zuversichtlich, aber nur zwölf Prozent der Brandenburger. „Im Gastgewerbe gibt es den größten Lichtblick, auch wenn die Branchen nicht mit Wachstum rechnet“, sagte der Cottbusser IHK-Chef Krüger. Das größte Risiko für den weiteren Jahresverlauf sei aus Sicht der Firmen noch immer der Energiepreis, doch der Fachkräftemangel „liegt gleichauf an der Risikospitze“, wie Krüger sagte, gefolgt von steigenden Arbeitskosten, wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie einer schwächelnden Inlandsnachfrage.
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Erstaunlich sind die noch immer großen Probleme in den Lieferketten. Jedes dritte Unternehmen berichtet von „mittleren oder erheblichen“ Lieferschwierigkeiten. Im Handel und auf dem Bau sowie in der Industrie ist sogar jedes zweite Unternehmen betroffen. In der Folge müssen zehn Prozent der Firmen Aufträge ablehnen, weitere zehn Prozent schränken die Produktion ein, und mit längeren Wartezeiten kalkulieren sogar 72 Prozent der Firmen. Die Lieferengpässe haben zusammen mit Preissteigerungen und dem Krieg Russlands der Erholung der Investitionstätigkeit nach den Coronajahren „ein jähes Ende bereitet“, heißt es im Konjunkturbericht.
Eine Ausnahme ist die Industrie, wo der sogenannte Investitionsindikator in Berlin leicht und in Brandenburg sogar deutlich gestiegen ist. Neben Kapazitätserweiterungen geht es dabei vor allem um Rationalisierung: Da es keine Arbeitskräfte gibt, versuchen die Firmen Prozesse zu automatisieren.
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