
© Nadine Lange
Berlins Finanzsenator im „Schattenkabinett“-Talk: „Ich habe nie Politik gemacht, um für meine Identität zu streiten“
Als Finanzsenator legt CDU-Politiker Stefan Evers Wert auf einen seriösen Auftritt, Persönliches dringt selten nach außen. Im Talkformat „Schattenkabinett“ mit Dragqueen Margot Schlönzke gibt er Einblicke in sein Seelenleben.
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Dass es ein ungewöhnlicher Abend für Stefan Evers wird, ist bereits nach wenigen Minuten klar. Der Finanzsenator sitzt auf der Bühne des BKA-Theaters in Kreuzberg neben Margot Schlönzke, Dragqueen und Moderatorin des Abends. „Wo siehst du dich beruflich in fünf Jahren?“, fragt sie herausfordernd.
Keine leichte Frage für CDU-Politiker Evers: Einerseits trauen ihm Beobachter der Berliner Landespolitik durchaus zu, eines Tages Parteikollege Kai Wegner als Regierender Bürgermeister zu beerben. Andererseits gilt er als loyaler Wegner-Anhänger.
„Ich bin froh, wenn ich weiß, wo ich mich in fünf Tagen sehe“, sagt er und rettet sich ins Allgemeine. „Jetzt mal ernsthaft: In fünf Jahren möchte ich immer noch in einem freiheitlichen Berlin meine Arbeit machen.“ Das Land dürfe nicht in eine „autoritäre oder antidemokratische Richtung“ abgleiten. Zu seinen Ambitionen schweigt er.
Seit 2021 interviewt Margot Schlönzke Spitzenpolitiker im BKA-Theater. Die Liste ihrer Gäste ist lang: Neben Franziska Giffey, Kai Wegner oder Bettina Jarasch besuchten auch Bundespolitiker wie Kevin Kühnert oder Saskia Esken ihr Talkformat „Schattenkabinett“. Am Sonntag war Evers an der Reihe und stellte sich ihren mitunter persönlichen Fragen. Der Queerspiegel, das LGBTIQ-Ressort des Tagesspiegels, präsentiert die Veranstaltungsreihe mit dem BKA-Theater seit diesem Jahr.
Queerness in der CDU
Im Interview mit Schlönzke gibt Evers an diesem Abend immer wieder knappe und ironische Antworten, wirkt dabei souverän und humorvoll. Erst nach einiger Zeit gelingt es Schlönzke, ihm persönlichere Einblicke zu entlocken.
Etwa als sie Evers auf den Satz „Ich bin schwul und das ist gut so“ des Ex-Regierenden Klaus Wowereit anspricht. Wie ihn dieser Satz geprägt habe, will Schlönzke wissen.
„Schon sehr“, erklärt Evers. Als Wowereit 2014 seinen Rücktritt ankündigte, habe er ihm einen Brief geschrieben. „Darin habe ich zum Ausdruck gebracht, dass genau dieser Satz auch für mich ein entscheidendes Fortkommen bedeutet hat.“ Wowereit sei es gelungen, über Parteigrenzen hinweg Akzeptanz zu schaffen. „Das kann man gar nicht genug wertschätzen. Und das tue ich bis heute“, sagt Evers.
Dass er 1998 in die Paderborner CDU eingetreten sei, habe eher am Rande mit seinem Leben als queerer Mann zu tun, erklärt der in Paderborn aufgewachsene Evers. „Ich habe nie Politik gemacht, um für meine Identität oder queere Interessen zu streiten.“ Er sei ein „biederer, sachlicher Typ“, den das „Konzept einer Volkspartei“ angesprochen habe.
Und dennoch: Statt zunächst Mitglied der Jungen Union zu werden, sei er direkt in die CDU eingetreten. „Die Diskussion um die Homoehe wurde in der Jungen Union viel giftiger geführt, als ich es vor Ort in der CDU erlebt habe“, erklärt Evers.
Innerhalb der CDU habe er dann „nie Widerstände erfahren“. Daran änderte auch sein Wechsel in die Berliner CDU im Jahr 1999 nichts: „Gerade in Berlin ist die CDU in manchen Fragen schwer vergleichbar mit anderen Landesverbänden.“
Merkelianer, Panda-Fan, Klavier-Spieler
Anschließend gibt sich Evers wieder humorvoll. Er bekennt sich als Anhänger der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel („immer noch mein politisches Vorbild“), als Fan der Roten Pandas im Tierpark Berlin („Es kann nie genug Rote Pandas geben“) und als Klavierspieler („Ob ich es noch kann, müsste ich überprüfen. Für die CDU-Weihnachtsfeier wurde schon angefragt, ob ich es bis dahin wieder üben würde“).
Auf sein heutiges Leben als Politiker in Berlin angesprochen, sagt er: „Wenn die Frage ist, ob Finanzsenator immer das Ziel meiner Träume war, dann ist die Antwort definitiv nein.“ Wer – wie er – Spaß an „unlösbaren Aufgaben“ habe, sei in diesem Amt allerdings genau richtig. Das Publikum lacht.
Wegner, Merz und die Regenbogenflagge
Zum Ende des Gesprächs kommt Schlönzke dann doch noch einmal auf das Verhältnis zwischen Evers Leben als queerer Person und seiner Mitgliedschaft in der CDU zu sprechen. Wie er im Sommer die Diskussion rund um Regenbogenfahnen auf dem Reichstag erlebt habe, fragt sie.
Damals hatte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner im Vorfeld des Christopher Street Days (CSD) untersagt, die Regenbogenfahne auf dem Reichstag hissen zu lassen und dafür Unterstützung von Bundeskanzler Friedrich Merz bekommen. Er verteidigte ihre Haltung mit den Worten: „Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt.“ Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner widersprach Merz daraufhin auf dem CSD und zeigte sich demonstrativ mit Regenbogenflagge.
„Kai Wegner und Friedrich Merz bereichern einander“, sagt Evers. „Ich sehe schon“, kommentiert Schlönzke Evers kryptischen Satz. „Du hast bundesweite Ambitionen.“ Evers lacht laut, verzichtet auf weitere Bemerkungen. Vielleicht weiß er doch längst, wo er sich in fünf Jahren sieht.
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