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Der Pokalsieg im Sommer war das Highlight der bisherigen Vereinshistorie. Aylin Yaren (li.) wechselte danach zu Viktoria, Spielertrainerin Erika Szuh (re.) blieb.

© imago images / Matthias Koch

„Die Liga hat sich verändert durch Union und Viktoria“: Kreuzberger Regionalligist Türkiyemspor will alle überraschen

In der Fußball-Regionalliga der Frauen ist oft die Rede von einem Zweikampf zwischen Viktoria und dem 1. FC Union. Doch auch Türkiyemspor möchte nach ganz oben und das auf eine besondere Art und Weise.

| Update:

Erika Szuh spielt erst seit vier Jahren bei Türkiyemspor Berlin und nimmt bereits jetzt eine tragende Rolle im Kreuzberger Fußballverein ein. Sie ist erfahren und geht voran auf dem Platz, vor allem aber daneben. Szuh ist Kapitänin des Berliner Regionalligisten und gleichzeitig auch Trainerin ihres Teams. Und damit verkörpert sie das Wunschkonzept von Murat Dogan, Co-Trainer und Leiter der Mädchen- und Frauenabteilung, mit dem Türkiyemspor zukünftig an die bisherigen Erfolge anknüpfen möchte.

Dogan hat im Jahr 2004 die Mädchen- und Frauenabteilung bei Türkiyemspor überhaupt erst gegründet hat. Seitdem hat diese eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. Von Anfang an war Dogan die Nachhaltigkeit in seinem Verein wichtig. So wird vor allen Dingen in den Nachwuchs investiert, um langfristig in allen Altersklassen so breit wie möglich aufgestellt zu sein. Zunächst wurde eine D-Jugend im Mädchenbereich gegründet, aus der sich nach und nach auch Teams in den höheren Altersklassen herausgebildet haben.

Vor zehn Jahren stieg das erste Frauenteam schließlich in die Landesliga auf. Mittlerweile spielen die Kreuzbergerinnen ihr drittes Jahr in der Regionalliga und erneut um den Aufstieg mit. Nachdem das Team von Szuh und Dogan im letzten Jahr die Meisterschaft nur knapp auf Platz zwei verpasste, sollte es damit in dieser Saison unbedingt klappen. Diese Zielsetzung hat sich über die Hinrunde allerdings etwas verändert.

Nachdem der 1. FC Union und Viktoria Berlin im Sommer ihre Investitionen im Frauenbereich deutlich erhöhten und ebenfalls Ambitionen auf die Meisterschaft und den möglichen Aufstieg in die Zweite Bundesliga ankündigten, sieht Dogan sein Team nun nicht mehr in der Favoritinnenrolle, möchte sich aber auch nicht verstecken.

„Die Liga hat sich durch Viktoria und Union in diesem Jahr verändert“, sagt der Trainer. „Aber trotzdem denke ich, dass wir bis jetzt sehr gut mithalten.“ Trotz der starken Konkurrenz wolle man nach wie vor um den Aufstieg mitspielen. Und das auf eine andere Weise als Union oder Viktoria. Ohne viel Geld, dafür aber mit einer guten Planung in den letzten Jahren, die sich nun auszahle.

Türkiyemspor ist Vorreiter bei gesellschaftlichen Themen

Dogan hat eine klare Vision, wie vor allem die Frauenabteilung von Türkiyemspor in den nächsten Jahren Erfolg haben wird. Obwohl sein Plan sich komplett von dem von Viktoria unterscheidet, profitiere die Liga von der neuen professionellen Ausrichtung des Vereins aus Lichterfelde. „Einige Sache würden wir zwar anders machen, aber für den Frauenfußball in Berlin ist es sehr bereichernd“, so Dogan. „Viktoria geht ein bisschen voran, treibt einige Themen voran, schafft eine Öffentlichkeit und dementsprechend auch eine Öffentlichkeit für uns.“

Türkiyemspor habe lange nicht die strukturellen Möglichkeiten, wie Viktoria und Union sie haben. „Wir sind ein Verein, der von Einwanderern gegründet ist, der gerade mal 40 Jahre alt ist“, erklärt Dogan. Doch immerhin ist der Verein aus Kreuzberg der größte von Migrant*innen gegründete Sportverein Deutschlands. Aber nicht nur dieser Aspekt macht den Klub so besonders. Immer wieder engagiert sich Türkiyemspor bei gesellschaftlichen Themen, die über den Fußball hinaus gehen. Dafür wurde der Kiezklub bereits mit dem Integrationspreis des DFB ausgezeichnet.

Einwandererkinder haben es immer schwer gehabt in dieser Gesellschaft und sie werden es auch weiterhin schwer haben.

Murat Dogan gründete 2004 die Mädchen- und Frauenabteilung bei Türkiyemspor

Dennoch kommt es immer wieder zu Anfeindungen gegen den Verein, der 1978 von türkischen Arbeitsmigrant*innen gegründet wurde. „Es ist aus unserer Geschichte heraus. Einwandererkinder haben es immer schwer gehabt in dieser Gesellschaft und sie werden es auch weiterhin schwer haben“, sagt Dogan.

Dabei sei es mittlerweile so, dass der Verein nicht mehr „nur ein Verein von Einwandererkindern“ ist, sondern bunt und mit Menschen jeglicher Herkunft. „Ich sage das immer wieder: Wenn man jetzt nach der Staatsangehörigkeit geht der Menschen, die bei uns im Verein sind, ist unser Verein zu 60 Prozent deutsch ist“, erklärt Dogan.

Mittlerweile würden die Vereinsmitglieder auch nicht mehr nur noch aus Kreuzberg und Neukölln kommen, sondern aus der ganzen Stadt. Der sportliche Erfolg spricht sich eben herum. In der Liga belegt das Team von Dogan und Szuh den zweiten Tabellenplatz und hat in dieser Saison erst zwei Mal verloren, gegen Union und Viktoria. Dennoch seien es Spiele auf Augenhöhe gewesen, erzählt Dogan.

Dogan hat auch RB Leipzig II auf dem Zettel in Sachen Meisterschaft

Obwohl man finanziell mit Vereinen wie Union und Viktoria nicht mithalten könne, sieht Dogan sein Team langfristig aber im Vorteil, denn das Konzept seiner Kaderplanung im Sommer mit der Kombination aus jungen und erfahrenen Spielerinnen gehe auf. Vor allem Szuh spielt in diesem Plan eine entscheidende Rolle. „Sie trägt eine große Verantwortung und ist sehr involviert in den Trainingsbetrieb, aber auch in die Entscheidung für die Aufstellung.“

Dogan möchte die Mittelfeldspielerin langfristig an den Verein binden und nach ihrer aktiven Karriere weiterhin an der Seitenlinie sehen. „Letztes Jahr haben wir entschieden, dass sie den B-Schein macht und so langsam auch ihre Qualitäten am Spielfeldrand zeigt.“

Szuh ist indes kein Einzelfall. Mehrere Spielerinnen aus der ersten Mannschaft werden laut Dogan regelmäßig „runtergezogen“, um Trainingseinheiten zu begleiten und mitzuorganisieren. Auf diese Weise soll der Kontakt zu den jüngeren Spielerinnen hergestellt werden, für die die älteren Fußballerinnen oft eine Vorbildfunktion einnehmen.

Im Ligabetrieb steht Türkiyemspor nun das letzte Hinrundenspiel in dieser Saison an, bevor es in die Winterpause geht. Am Sonntag war die zweite Mannschaft von RB Leipzig zu Gast im Kreuzberger Willy-Kressmann-Stadion - laut Dogan ein ebenbürtiger Gegner: „Für mich ist es spielerisch eines der besten Teams in der Liga, die machen das schon sehr gut.“ Leipzig ist aktuell Vierter in der Regionalliga und hat nur fünf Punkte weniger als Türkiyemspor.

„Sie stehen hinten sehr gut, sind gut organisiert und es ist immer schwer, gegen Leipzig Tore zu machen. Ich erwarte ein Spiel auf Augenhöhe“, meint Dogan. Auch Leipzig stehe in Sachen Meisterschaftskampf auf seinem Zettel. Das Spiel endete 0:0.

Was aber auch klar ist für den Kreuzberger Trainer: Es wird bis zum Ende spannend bleiben im Rennen um den ersten Platz. Trotz aller großen Ansagen aus Lichterfelde und Köpenick.

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