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Der Kotti im Herzen vom SO 36, Kreuzberg.

© dpa

Zu Besuch im Café Kotti: Kreuzberg von seiner besten Seite

Im Café Kotti, wie sonst selbst in Kreuzberg 36 nur selten, mischt sich ein (post-)migrantisches Publikum mit biodeutschen Berlinerinnen und Berlinern. Auch kleinere Hipster-Touristen-Mengen werden bisher noch problemlos absorbiert. Ein Besuch.

Der Pfandflaschensammler macht Pause. Gerade hat er noch ein paar Teenager vor dem Zeitungsladen am Kotti erschreckt, denen er eine eben ausgetrunkene Flasche sanft aus der Hand gewunden hat. Jetzt gönnt er sich ein paar Meter weiter im Café Kotti ein Glas Tee. Man kennt ihn offenbar, und er bewegt sich zwischen den Tischen wie durch sein Wohnzimmer. Hier ein Plausch, da eine geschnorrte Zigarette. Alles locker, freundlich, entspannt hier oben auf der Terrasse und auch drinnen auf den roten Polstermöbeln.

Diese Atmosphäre ist typisch für das Café Kotti, das der Sozialarbeiter Ercan Yasaroglu vor fünf Jahren eröffnet hat. Der Mann mit der sanften Stimme, dem vollen grauen Haar und der schwarzen Brille kommt selber oft vorbei, redet mit den Stammgästen, lächelt, ist freundlich. Das stahlt auf seinen Laden aus, der gut integriert im ersten Stock des Betonburgmonsters Neues Kreuzberger Zentrum liegt. Es ist ein ganz besonderer Ort. Wie sonst selbst in Kreuzberg 36 nur selten, mischt sich ein (post-)migrantisches Publikum mit biodeutschen Berlinerinnen und Berlinern. Auch kleinere Hipster-Touristen-Mengen werden bisher noch problemlos absorbiert.

Multikulti ist nicht tot

An einem Abend kann man hier Türkisch, Deutsch, Griechisch, Serbisch, Englisch und Spanisch hören. Es gibt Raum für Politgruppen, Lesungen, und manchmal sitzt der Schauspieler Birol Üner mit Bier und Manuskript am Marmortisch neben dem Eingang. Falls mal wieder jemand meint, Multikulti sei tot oder Quatsch, sollte er oder sie sich einfach mal einen Abend an den kurzen Tresen setzen.

Im Café Kotti geht es meistens über etwas Substanzielles

Da kann man dann zum Beispiel beim türkischen, bayerischen oder berlinerischen Bier das große Schild lesen, auf dem in drei Sprachen steht, dass rassistische, trans- oder homophobe Übergriffe nicht geduldet werden. Ein in seinem linken Stolz fast schon rührender Text – und auch er strahlt positiv in den Laden. Vielleicht unterhält man sich deshalb im Café Kotti dann auch meistens über etwas Substanzielles. Was sind die Konsequenzen aus dem Tempelhof-Volksentscheid? Ist Gott tot oder hat er uns nur vergessen? Warum willst du immer nach zehn Jahren in eine andere Stadt ziehen? Wie geht man mit geerbten Tagebüchern und E-Mails um?

Ein bisschen später, es dämmert gerade, kommt ein hinkender Akkordeonspieler die Treppen herauf. Er spielt ein bulgarisches Lied und singt den Refrain sehr laut in die geöffnete Tür hinein. Niemand ist genervt davon, später klackt Kleingeld in seinen Pappbecher.

Dieser Artikel erscheint im Kreuzberg Blog, dem hyperlokalen Online-Magazin des Tagesspiegels.

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