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Höchste Zeit, auch die Berliner Widerständlerin zu ehren: Annedore-und-Julius-Leber-Kaserne wäre passender Name
Sie war nicht nur Mitwisserin, sondern aktiv im Kampf gegen das NS-Regime. Beim Gedenken wird Annedore Lebers Rolle zu wenig gewürdigt. Das sollte sich ändern, gerade in diesem Jahr.

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„Sie ist wie eine stählerne Klinge, diese Frau, federnd und nicht zu zerbrechen.“ Ehrfurcht spricht aus diesem Zitat des Widerstandskämpfers Fritz Dietlof Graf von der Schulenburg – und er beschrieb Annedore Leber, geb. Rosenthal, die am 18. März 1904 zur Welt kam, heute vor 120 Jahren.
Wie kann ihr mehr als bewegtes Leben heute gewürdigt werden? Widerstandskämpferin gegen die Nazis und wegweisende Historikerin des Widerstands, Schneidermeisterin und Kohlenhändlerin, Publizistin und Politikerin, Feministin und Sozialdemokratin, Ehefrau und Mutter – all dies war Annedore Leber. Seite an Seite bekämpften sie und Julius Leber, ihr Ehemann, das NS-Regime. Die Eheleute nahmen beide selbstbewusste Positionen in jener Widerstandsbewegung ein, die zum Umsturzversuch des 20. Juli 1944 führte.
Zur Gedenkkultur der jungen Bundesrepublik beigetragen
Später hat sich Annedore Leber auch um Deutschland nach der NS-Zeit verdient gemacht, etwa als Herausgeberin des Buchs „Das Gewissen steht auf“ (1954). Der Band dokumentierte bereits zehn Jahre nach dem Stauffenberg-Attentat in 64 „Lebensbildern“ die Vielfalt des Widerstands gegen den Naziterror. Sie trug damit maßgeblich zur sich entwickelnden Gedenkkultur der jungen Bundesrepublik Deutschland bei.
Sie ist heute dennoch weithin unbekannt. Der Blick auf drei Orte in drei Stadtteilen von Berlin zeigt, wie dies geschehen konnte. Die besagte „stählerne Klinge“ wurde selten als aktive Widerstandskämpferin erkannt. Die Geschichtsschreibung sah sie oft nur als Mitwisserin, die in die Pläne von Julius Leber „eingeweiht“ gewesen sein soll – so eine oft zu lesende Formulierung. Gedenktafeln in Wilmersdorf und in Schöneberg spiegeln diese irrige Literaturtradition. Annedore Leber wird in den Inschriften im Kiez ihrer Kindheit (in der Pariser Straße 14) sowie am Standort der einstigen Kohlehandlung, die das Ehepaar Leber bewirtschaftete (in der Torgauer Straße 26), insbesondere mit Blick auf ihr publizistisches Wirken nach der NS-Zeit vorgestellt.
Sie wurde an ihrem Lebensabend schließlich noch Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für die SPD (1963 bis 1967) und hat weit mehr Sichtbarkeit als bisher verdient – außerhalb des weiten Schattens ihres Ehemannes, der sich auch an einem hauptstädtischen Bundeswehrstandort zeigt. „Im Jahr 1927 heiratete er Annedore Rosenthal“, heißt es auf der Gedenkstele für Julius Leber vor der nach ihm benannten Kaserne in Wedding. Die „JuLeKa“ wurde am 5. Januar 1995 nach dem einstigen sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten (1924 bis 1933) benannt. Wehrpolitiker in der Weimarer Republik und Widerstandskämpfer unter dem NS-Regime: Die Namensgebung erfolgte 50 Jahre, nachdem Julius Leber unter dem Naziterror im Strafgefängnis Plötzensee durch den Strang ermordet worden war.
80. Jahrestag des 20. Juli 1944 wäre angemessener Anlass für Namenserweiterung
Annedore Leber aber ist an der Kaserne nahezu unsichtbar, obwohl sie im Juli 1955 eines von 39 Mitgliedern im neuen Personalgutachterausschuss für die Bundeswehr wurde. Sie war neben der Philosophin Maria Schlüter-Hermkes und 37 Herren die einzige weitere Dame. Die zentrale Aufgabe des Ausschusses für die entstehenden Streitkräfte bestand darin, Bewerber ab dem Dienstgrad „Oberst“ nach ethischen Gesichtspunkten auf ihre Eignung zu prüfen. Die Einstellung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung war dabei ein wesentliches Kriterium. Das Gremium war somit für das Soldaten- und Offiziersbild der Bundeswehr von besonderer Bedeutung – und Annedore Leber leistete auch darin ihren Beitrag.
Die Hoffnung darauf bleibt, dass die Bundeswehr dies eines Tages zu würdigen weiß, etwa durch eine Namenserweiterung der Kaserne zu Annedore-und-Julius-Leber-Kaserne. Der 80. Jahrestag des versuchten Umsturzes vom 20. Juli 1944 wäre dafür der angemessene Anlass.
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