
© Steffi Bey
Biesdorfer verleiht Bullis: Mit „Miss Sophie“ zum Standesamt
Auf einer alten Tankstelle in Berlin-Biesdorf sammelt Lucas Kohlruss alte VW Busse. Die Leidenschaft für die Oldtimer hat er schon als Kind entwickelt.
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VW Bullis haben Lucas Kohlruss schon immer fasziniert. Vielleicht weil man sie in Deutschland eher selten sieht, vermutet der 37-Jährige. In seinem Marzahner Kinderzimmer hing jedenfalls ein großes Poster mit dem Kultmobil, er hatte eine Waschtasche mit diesem Motiv und er schlief in Bulli-Bettwäsche.
Im Nachhinein betrachtet, ging ihm der VW-Bus nie richtig aus dem Kopf. Nach dem Abi machte er erst einmal eine Ausbildung zum Automobilkaufmann und verkaufte eineinhalb Jahre VW-Gebrauchtwagen. „Danach wusste ich nicht richtig, wie weiter und plante einen Urlaub, aus dem eine achtmonatige Weltreise wurde“, erzählt Lucas. Auf der langen Tour hoffte er, eine Idee für ein eigenes Business zu entwickeln.
„Es war verrückt, überall – in Thailand, Hawaii, Kalifornien, Neuseeland, Australien – entdeckte ich so viele T1- und T2-Modelle, das hätte ich nie gedacht“, erzählt er fasziniert. Vor jedem VW Bulli ließ er sich fotografieren. Und nach einer Stadtrundfahrt mit einem Cabrio-Bus durch Los Angeles stand seine Geschäftsidee fest. Er kaufte einem Surfer einen alten VW-Bus ab und ließ das Fahrzeug nach Deutschland verschiffen.
Erstes Büro im Kinderzimmer
Aus einem sind inzwischen 15 fahrbereite Kultmobile geworden. Denn Lucas gründete 2014 einen Bulli-Verleih. Sein erstes Büro war sein Kinderzimmer, bis er 2017 „Old Bulli Berlin“ in Biesdorf-Nord eröffnete. Verrückt an diesem Standort ist, dass er genau gegenüber seiner einstigen Berufsschule liegt. Er weiß von Lehrern, dass sie ihn oft als „positives Beispiel vor den Auszubildenden erwähnen“. Das macht ihn ein bisschen stolz, gibt er zu.
Und manchmal horcht er in sich hinein und denkt: „Ich lebe meinen Traum – auch wenn das abgedroschen klingt.“ Denn was er macht, fühlt sich für ihn nicht wie Arbeit an. „Es ist meine Leidenschaft geworden, obwohl ich selbst keine Autos instand setze, ich kann am besten quatschen“, sagt er und grinst.
Um seine „Bulliflotte“ kümmern sich rüstige Oldtimer. So nennt der Geschäftsmann scherzhaft seine Mitarbeiter Ingo, Ulli und Bernd. Ulli lernte er zum Beispiel kennen, weil der seinen Bulli verkaufen wollte, mit dem er selbst 40 Jahre gefahren war.
Unter dem knallroten Tankstellendach an der Marzahner Chaussee stehen die bunten, glänzenden Fahrzeuge. „Noch ist Saison“, sagt Lucas. Sie beginnt im Mai und endet meistens im Oktober. Während dieser Zeit boomt das Geschäft.
Mit dem Bulli zum Standesamt
Heiratswillige leihen sich Mrs. Bea, Mister Michael, Miss Sophie oder Mister Fritz aus – die rollenden Oldtimer haben alle einen Namen. Lucas gab ihnen die nach „lieben Menschen, die ihm geholfen haben“. Bea ist beispielsweise seine Mutter, Michael der Vater und Sophie eine Freundin, die mit ihm sein erstes Auto aussuchte.
Die meisten, die zu ihm kommen, haben Kindheitserinnerungen an den Bulli. Und erleben nun wieder dieses besondere Freiheitsgefühl, auch wenn sie auf einmal feststellen, dass sich ein alter Wagen ganz anders lenkt als die modernen Autos. „Ich bekomme von den Leuten so viele positive Emotionen zurück, das gibt mir ein gutes Gefühl“, sagt Lucas.
Zu den schönen Momenten gehören für ihn die Stadtrundfahrten, die er anbietet. „Wir können mit maximal zehn Fahrzeugen hintereinander mit 70 Personen durch Berlin rollen“, erzählt der Marzahner. Dass ihnen dabei jedes Mal viele Menschen zuwinken und lächeln, findet er gut.
Kita-Kinder und Hochzeitspaare
Seine Mutter und sein Vater sind auch mit in das Unternehmen eingestiegen. David, der Bruder, ist sein Geschäftspartner. Er hat unter anderem fünf Autos zu Foto-Bullis umgebaut. Die stehen für Events zur Verfügung. Manchmal werden die restaurierten Transporter auch für Junggesellenabschiede gebucht oder Freundinnen mieten sie für einen Tagesausflug.
Neben seinen geschäftlichen Verpflichtungen bietet Lucas einiges gratis an: Regelmäßig lädt er Kitakinder aus seinem Bezirk ein und taucht mit ihnen gemeinsam in eine „Bulliwelt“ ein. Auch Promis haben sich schon Kultautos von ihm ausgeliehen, es gab Film- und Video-Drehs. Unter anderem mit Jeanette Biedermann und Guido Maria Kretschmer drehte er „Shopping Queen“ an der Bulli-Tanke.
Lustige Geschichten erlebt Lucas jedenfalls immer wieder. Wie die mit dem Hochzeitspaar an einem sehr heißen Sommertag. Sein Kollege fuhr einen glänzenden Bulli mit den Heiratswilligen an Bord und der Wagen blieb plötzlich stehen. „Es half nur noch anschieben, was das festlich gekleidete Brautpaar auch schwitzend tat.“ Hinterher sei das ein Highlight des Tages gewesen.
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