Indoor-Farmen, Radwege, ein begehbares Klärwerk: Was aus der überflüssigen A104 in Berlin alles werden könnte
Der Abriss der Autobahnbrücke über den Breitenbachplatz ist beschlossene Sache. Doch was kommt dann? Der Schinkel-Wettbewerb gab innovative Antworten für die Reste-Rampe.
Die Tage der Autobahnbrücke über dem Breitenbachplatz sind gezählt; der Abriss ist vom Senat beschlossen, schon 2024 könnten die Abrissbagger anrollen. Doch was kommt dann? Die Frage, was alles auf der Trasse der ehemaligen Bundesautobahn A 104 entstehen könnte, stand beim diesjährigen Schinkel-Wettbewerb des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin-Brandenburg (AIV) im Fokus: „Stadt statt A 104“ lautete das Thema.
Jetzt stehen die Gewinnerteams fest – und die Ideen der Nachwuchsplaner:innen für den Breitenbachplatz und Umgebung sind mannigfaltig. Bis zum 26. März werden die eingereichten Arbeiten in der Universität der Künste (Hardenbergstraße 33, Aula R201, täglich 9 bis 20 Uhr) ausgestellt. Hier ein Vorgeschmack:
Tunnel zu Farmen
Warum sollten, wie in der Arbeit „Berlin’s Urban Bio-Loop“ vorgesehen, nicht die bisherigen Tunnel in der Autobahnüberbauung an der Schlangenbader Straße zu Orten des Indoor Farming werden? Auf der Trasse könnten Kleingärten und Wohnungen ebenso entstehen, wie Gemeinschaftseinrichtungen, „die der Lebensmittelverarbeitung, aber auch der Verwertung und dem Recycling von Abfällen gewidmet sind“. Aneliya Kavrakova, Mary Lee, Sue Yen Chong, Dienu Amriza Prihartadi von der University of Edinburgh gewannen mit ihrem Vorschlag den Schinkelpreis in der Sparte Architektur.
Fahrräder statt Autos
Der Entwurf „Quartier 104“ nutzt einen Teil der Autobahntrasse weiter – als schnelle Radverbindung zwischen Steglitz und Wilmersdorf. Direkt an der aufgeständerten Radroute grenzen im Nordosten eine Reihe neuer Wohn- und Bürogebäude; der erste Stock wird von der Rad-Etage erschlossen. Hier und da weitet sie sich zu kleinen Plätzen auf, die unterschiedlich bespielt und begrünt werden sollen.
Den grünen Mittelpunkt des Entwurfs bildet der Breitenbachplatz; der Verkehr fließt nur noch auf der südlichen Seite des Platzes, die nördliche Seite ist verkehrsberuhigt. Stella Motz und Julius Rymarcewicz von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg gewinnen mit ihrem „Quartier 104“ den Schinkelpreis für Städtebau.
Überraschend: Die A104 wird zur „AufKläranlage“
Dieser Entwurf sorgte in der Jury für besonders lebhafte Diskussionen, teilt der AIV mit. Ein Frauenteam der TU Berlin beschäftigte sich mit den 150 Millionen Litern Abwasser, die jährlich in der Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße anfallen. Der Vorschlag von Isabella Bönke, Laura Jacobsen und Linda Kühnel lautet folgerichtig: Die vorhandenen Autobahntunnel und Parkebenen im Inneren des Gebäudekomplexes werden zu einer Abwasser-Kläranlage umgewidmet.
Auf dem Betontrog der Autobahn bis zur Schildhornstraße soll ein artenreich bepflanztes Biotop zur Filterung des Grauwassers und zur Verdunstung und unmittelbaren Rückführung in das lokale Wassermanagement entstehen. Ein „Blauer Campus“ für Studierende der Freien Universität schwebt dem Team vor, mit Mensa, Informationszentrum und einem „Wasserboulevard“. Das „AufKlärwerk“ erhielt den Schinkelpreis der Sparte Landschaftsarchitektur.
27.000 Euro Preisgeld
Insgesamt über 100 Arbeiten wurden beim Wettbewerb eingereicht – 13 erhielten einen Preis. „Wir haben uns sehr gefreut, dass in diesem Jahr mehrere internationale Beiträge unter den prämierten Arbeiten sind“, sagten die beiden Vorsitzenden des Schinkel-Ausschusses, Gesche Gerber und Ernst Wolf Abée, anlässlich der Bekanntgabe der Preisträgerinnen und Preisträger der 168. Auflage des Wettbewerbs. Insgesamt ist der Schinkelwettbewerb mit 27.000 Euro dotiert.
Ein besonderes Zeichen setzte in der Sparte Freie Kunst das Team der Universität Kassel: Es ist ein Grabstein! Antonia Heesen, Charlotte Vetter, Elaine Braunholz, Janek Brinkschröder schufen das Video einer fiktiven Trauerfeier (das Bild ganz oben zeigt einen Ausschnitt) samt poetischer Trauerrede und Holzsarg. Die Arbeit setze einen „markanten Schlusspunkt“ und zeige, „dass die in den 70-er Jahren skizzierte städtebauliche Entwicklung als positive Utopie jedenfalls nicht funktioniert hat“, so die Jury.
Hier die Themen aus dem aktuellen Tagesspiegel-Newsletter für Steglitz-Zehlendorf
Immer donnerstags erscheint der Tagesspiegel-Newsletter für Steglitz-Zehlendorf. Den gibt es in voller Länge, einmal pro Woche mit vielen konkreten Bezirksnews, Tipps, Terminen unter tagesspiegel.de/bezirke. Diesmal berichtet Boris Buchholz unter anderem über diese Themen:
- Kleine Sensation: Bei der Zehlendorfer Firma Knauer verdienen Frauen mehr als Männer
- Die Schocken-Villa: Der Kaufhaus-Gigant und Mäzen Salman Schocken lebte in Zehlendorf bis die Nazis ihn und seine Familie vertrieben – ein Interview, ein Buch, sieben Stolpersteine und ein Film
- Südwest-SPD will Schwarz-Rot nicht haben: Genossen setzen sich für einen rot-grün-roten Senat ein
- Wer die Koalition verhandelt
- Bürger:innen aufgepasst: Das Planfeststellungsverfahren für den Umbau des S-Bahnhofs Zehlendorf hat begonnen, die Pläne liegen aus – zwischen 2026 und 2030 soll massiv gebaut werden, Sperrungen des Teltower Damms inklusive
- Der im Bezirk gewünschte S-Bahnzugang von Postplatz und Machnower Straße aus ist nicht Teil der Planungen: Reaktionen aus Bürgerschaft und Politik
- Was lange währt, wird endlich Platz: Der Umbau des Hermann-Ehlers-Platzes kann kommen
- Hindenburgdamm: Die eine Baustelle geht, die andere Baustelle kommt – und bleibt bis 2026
- Indoor-Farmen, Radwege, Wohnen und ein begehbares Klärwerk: Beim Schinkel-Wettbewerb wurden Ideen für die Zukunft der Autobahnbrücke am Breitenbachplatz und der A104 geboren
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- „50’s Shades of Grey”: Neue Ausstellung über Frauen und Krieg in Teltow
- Einladung: Gedenkstättenfahrt ins ehemalige Konzentrationslager Flossenbürg
- Von 700 auf 189 Parzellen: Kleingärtner in Lankwitz und Südende kämpfen um Schutz vor Bebauung – die B101-Story
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