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Weihnachtsgrüße einer Berliner Pfarrerin: „Nicht nur rosa Wolken über der Havel“
Merle Remler, Pfarrerin in Gatow, schreibt ihren Weihnachtsgruß im Tagesspiegel. Ab Januar 2025 wechselt sie nach Hakenfelde. Sie thematisiert sowohl persönliche Erlebnisse als auch globale Sorgen.
Stand:
Den Weihnachtsgruß im letzten Spandau-Newsletter des Tagesspiegels schreibt einer kleinen Tradition folgend immer eine Pfarrerin oder Pfarrerin, ehe Spandaus Bezirksbürgermeister Frank Bewig, CDU, in der ersten Ausgabe des neuen Jahres 2025 im Spandau-Newsletter traditionell nach vorne blickt. Heute also: Merle Remler, Pfarrerin in Berlin-Gatow.
Remler ist seit 1. Januar 2024 Pfarrerin in der Dorfkirche Gatow und wechselt - wegen „unüberbrückbarer Differenzen“ - am 1. Januar 2025 in die neu fusionierte Kirchengemeinde im Norden Spandaus. Heiligabend, 23 Uhr, will sich Pfarrerin Remler aber von den 1000 Gemeindemitgliedern in Gatow verabschieden. „Wem 23 Uhr zu spät ist, kann gerne eine Stunde früher, um 22 Uhr, in die Schilfdachkapelle kommen.“ In der Kladower Nachbarkirche ist ihr Mann Alexander Remler Pfarrer.
Hier schreibt Gatows Dorfpfarrerin

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„Ich bin ja ein bisschen oldschool. Vintage oder antiquiert, könnte man auch sagen. Oder einfach: analog. Wenn ich die Anfrage für einen Weihnachtsnewsletter bekomme, dann nehme ich meinen Schreibblock und meinen kleinen goldenen Füllfederhalter und setze mich mit Blick auf die Havel in mein Amtszimmer. Dort lehne ich mich weit aus dem Fenster in den Himmel und atme tief den leckeren Adventsduft ein, der momentan über Gatow schwebt – ein letzter Gruß vom Weihnachtsmarkt.

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Ich kann auch den Grunewaldturm sehen, der rechts von meinem Fenster am anderen Havelufer in den sanft rosa Himmel ragt. So unermüdlich backen die Engelchen über diesem Dorf in der Stadt heute ihre Plätzchen.
Viel ist geschehen in diesem Jahr, in dem ich meinen Dienst als Pfarrerin in Gatow begonnen habe. Wie hingeträumt liegen diese Ereignisse in den Beeten des schönen Wassergrundstücks der Gemeinde vor mir, an dem die Havel ihre Weihnachtsgedanken vorüberträgt. Wieder haben wir Ostern gefeiert und das Licht begrüßt. Wieder haben wir Jugendliche konfirmiert, die sich mit einer zum Teil beeindruckenden Ernsthaftigkeit zu ihrem Glauben und zu Gott bekannt haben. Wieder haben wir uns in den Sommer verabschiedet, in dem das Nachbarschaftshaus an der Havel, das nun das alte Gemeindehaus mit Leben füllt, einen fröhlichen Theatersommer auf die Beine gestellt hat.
Neu war unser Kinderferienprojekt im Herbst, das wir, unterstützt durch das Team vom Nachbarschaftshaus, zum ersten Mal veranstaltet haben. Es war eine wunderbare Erfahrung, die passenderweise den Namen „Wunderland“ trug. So ging das Jahr dem Ende zu, und am Ewigkeitssonntag haben wir unserer Verstorbenen gedacht. Es waren viele in diesem Jahr.
Und nun wird es wieder Weihnachten, und neben all den Erlebnissen, an denen die Welt in Ordnung war, wirken die Nachrichten, die uns tagtäglich erreichen, nicht wie hingeträumt, sondern erschreckend realistisch.

© André Görke
Und so mischen sich in die rosa Wolken über der Havel ein paar sorgenvolle Gedanken darüber, wie es wohl werden wird. Wie sich die politische Lage verändert und weiter verändern wird. In den fernen und doch so nahen USA, in ganz Europa für Europa, Ukraine und Russland, Gaza und Israel, in unserem eigenen Land und zuletzt in Syrien.
Rechte von Frauen standen und stehen in all diesen Konflikten für mich immer und immer wieder im Vordergrund. Rechte, die plötzlich mehr und mehr eingeschränkt werden. Gewalt an Frauen nimmt zu, und wie zu allen Zeiten, sind Frauen und Kinder die Hauptleidtragenden in bewaffneten Konflikten.
Und ich muss an Maria denken, die in den Krippenspielen, die bald überall aufgeführt werden, eine Hauptrolle, wenn nicht sogar die Hauptrolle spielt – und die meistens den geringsten Sprechanteil hat. Dabei sang sie ein so wunderbares Lied der Freude, als der Engel zu ihr kam. Maria, ohne die nichts von dem geschehen wäre, was wir Jahr für Jahr feiern, und deren Perspektive uns in dieser heutigen Welt vielleicht sehr gut tun würde.
Der Blick auf das Geschenk Leben, die Sorge füreinander, die Dankbarkeit für das alltägliche Glück und das Vertrauen darauf, dass die Kraft in den vermeintlich Schwachen liegt. All das sollte zur Sprache kommen!
Und so schließe ich meine weihnachtlichen Havelgedanken mit Worten des Schweizer Pfarrers Kurt Marti. Es ist auch eine Art Geburtswunsch für diese unsere Zeit: „Dass Gott ein Tätigkeitswort werde.“ Halleluja!, füge ich da nur noch hinzu.
Haben Sie ein gesegnetes Weihnachtsfest und möge es ein gutes neues Jahr für Sie werden! Ihre Pfarrerin Merle Remler.“
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