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Gefährliches Nebeneinander: Abbiegeassistenten sollen Radfahrer vor Lastwagen schützen.

© Klaus-Dietmar Gabbert/ZB/dpa

Warnung vor „Rowdys“: CDU im Bund will Radfahrer ausbremsen

Die Verkehrsminister der Länder legen einen 15-Punkte-Plan für die Sicherheit von Radfahrern vor. Nicht mal der ADAC lehnt ihn ab. Kritik kommt aus der Union.

Von
  • Sabine Beikler
  • Hans Monath
  • Christian Hönicke

In einem waren sich auf ihrer Konferenz alle Verkehrsminister der Länder im Saarbrücker Schloss einig: Der Fahrradverkehr muss attraktiver werden, die Straßenverkehrsordnung fahrradfreundlicher. Als Handreichung übergaben die Länder Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) einen Katalog, den die Arbeitsgruppe Rad erarbeitet hatte. Pünktlich dazu startete am Freitag ein Pilotprojekt mit Grün-Abbiegepfeil für Fahrräder an fünf Orten in Berlin.

Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) befürwortet eine Novellierung der Straßenverkehrsordnung und begrüßte die Vorschläge: „Das Radfahren muss attraktiver und sicherer werden, damit möglichst viele Menschen vom Auto aufs Rad umsteigen – gerade diejenigen, die es eigentlich gern wollen, aber sich bisher nicht trauten.“ Die 15 Punkte der Länder (siehe unten) für eine bessere Radverkehrspolitik seien ein „klarer Appell an die Bundesregierung“ zu handeln: für mehr Sicherheit, mehr Komfort, für eine deutlich bessere Radinfrastruktur.

CDU und CSU im Bundestag befürchten dagegen den Terror der „Radrowdys“ und eine Privilegierung des Rads gegenüber anderen Verkehrsmitteln, wie der Vize-Fraktionschef im Bundestag, Ulrich Lange, dem „Spiegel“ sagte.

Das wird in der SPD so nicht gesehen. Im Gegenteil: „Ich teile das Ziel der Verkehrsminister der Länder, den Fahrradverkehr in den Städten zu fördern. Alles, was zu mehr Sicherheit für Fahrradfahrer führt, hat meine Unterstützung“, sagte der SPD-Vize-Fraktionschef Sören Bartol dem Tagesspiegel. Man solle aber „nicht übers Ziel hinausschießen“ und Vorschläge vermeiden, die neue Konflikte zwischen den Verkehrsteilnehmern provozieren könnten.

CDU-Politiker Lange sieht schon die „Radrowdys in den Startlöchern“. Dabei geht es bei den Vorschlägen im Grundsatz darum, gefährliche Rechtsabbiegesituationen zu entschärfen und Tempo 30 bei von Radfahrern viel frequentierten Straßen anordnen zu können. Der Berliner CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici kann die Kritik seines Parteifreundes im Bund nicht nachvollziehen.

Gerade Großstädte bräuchten Mindeststandards für einen sicheren Fahrradverkehr. Friederici fordert, dass die Abbiegeassistenten für Lkw und Busse so schnell wie möglich bundesweit verpflichtend eingeführt werden, um Unfälle mit Radfahrern und Fußgängern zu vermeiden.

Solange diese nicht verpflichtend seien, sei die von den Verkehrsministern vorgeschlagene Schrittgeschwindigkeit für Lkw beim Rechtsabbiegen richtig. Dass Radfahrer in Einbahnstraßen gegenläufig fahren dürften, lehnt Friederici ebenso ab wie grüne Rechtsabbiegepfeile für Radfahrer. „Rote Ampeln gelten für alle. Da geht es um den Schutz der Fußgänger.“

„Aus Sicht des ADAC hat der Radverkehr großes Potenzial“

Angesichts der Unterstützung des Maßnahmenpakets auch durch CDU-Landesverkehrsminister forderte Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar im Bundestag die Union auf, eine verkehrspolitische Linie zu finden. „Da scheint es Klärungsbedarf zu geben.“

Sogar der ADAC steht dem Maßnahmenpaket der Verkehrsminister nicht ablehnend gegenüber. „Aus Sicht des ADAC hat der Radverkehr großes Potenzial“, sagte ADAC-Sprecherin Katrin van Randenborgh. „Grundsätzlich ist ein Umdenken bei Stadt- und Verkehrsplanung notwendig, das die neuen Mobilitätsformen berücksichtigt.“ Der Umstieg vom Auto aufs Fahrrad müsse attraktiver werden.

Ein neues Grünpfeil-Schild für Radfahrer hängt seit Freitag zur Erprobung an der Kreuzung Rosa-Luxemburg-Straße/Torstraße.
Ein neues Grünpfeil-Schild für Radfahrer hängt seit Freitag zur Erprobung an der Kreuzung Rosa-Luxemburg-Straße/Torstraße.

© Annette Riedl/dpa

„Die Aussage aus der CDU im Bund entbehrt jeder Grundlage“, sagte Stephanie Krone, Sprecherin des Fahrradverbands ADFC. „Jeder weiß, dass es der Autoverkehr ist, der privilegiert ist.“ Die Dominanz des Autoverkehrs verhindere, dass man sicher und komfortabel Rad fahren könne. „Das deutsche Verkehrsrecht atmet noch den Geist der Nachkriegszeit“, sagte ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork.

Bei Kreuzungen mit Grünpfeil ist die Unfallrate etwa 25 Prozent höher

Der ADFC fordert Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit und Tempo 50 als Ausnahme. Beistand erhalten die Radfahrer von den Fußgängern. „Bis zu einer Privilegierung des Radverkehrs ist es noch weit, die Aussage ist absurd und albern“, sagte Roland Stimpel, Sprecher des Verbands Fuss e.V. Die Union interessiere nur, was Autofahrer wollten, Radfahrer und Fußgänger kämen nicht vor. Allerdings hat der Verband klare Vorbehalte gegen den grünen Abbiegepfeil für Radfahrer.

Schon beim Grünpfeil für Autos würden 75 Prozent der Fahrer die Regeln missachten. Bei Kreuzungen mit Grünpfeil sei die Unfallrate etwa 25 Prozent höher. Stimpels Gegenvorschlag: absteigen, rechts über den Gehweg schieben und in der Querstraße wieder aufsteigen.

Der 15-Punkte-Plan der Länder

Die Arbeitsgruppe Radverkehr hat Vorschläge für eine fahrradfreundliche Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) erarbeitet. Die Verkehrsministerkonferenz bittet das Bundesverkehrsministerium, diese „möglichst bis Ende 2019“ zu berücksichtigen.

Tempo 30: Auf Verbindungen, die für den Radverkehr wichtig sind, können Straßenverkehrsbehörden innerorts eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h anordnen.

Überholabstand: Ein Seitenabstand von mindestens 1,50 Meter soll in der StVO verankert werden.

Einbahnstraßen: Einbahnstraßen in Zonen mit Tempo 30 sollen grundsätzlich in Gegenrichtung für Radverkehr freigegeben werden.

Nebeneinander fahren: Die StVO soll beinhalten, dass mit Rädern nebeneinander gefahren werden darf, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird. Ansonsten wird hintereinander gefahren.

Rechtsabbiegen: Für rechtsabbiegende Lkw soll innerorts Schrittgeschwindigkeit vorgeschrieben werden. Denn Rechtsabbiegeassistenten für LKW oder Busse werden bei Neuzulassung erst ab 2022 verpflichtend.

Innovationsklausel: Straßenverkehrsbehörden sollen Pilotprojekte zur Verbesserung des Radverkehrs wie zum Beispiel der grüne Rechtsabbiegepfeil durchführen.

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