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Kai Wegner, Landesvorsitzende der CDU-Berlin und Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl 2021.

© Christoph Soeder/dpa

CDU-Landeschef Kai Wegner: „Ich habe Sympathien für einige Grüne“

Kai Wegner möchte Regierender Bürgermeister werden. Der CDU-Kandidat über eine neue Offenheit in der Verkehrspolitik – und den Wahlkampf gegen zwei Frauen. Ein Interview

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Kai Wegner, 48, ist gebürtiger Spandauer und war dort lange als Bezirkspolitiker aktiv. Seit 2005 ist er durchgängig Bundestagsabgeordneter. Im Mai 2019 übernahm Wegner den Landesvorsitz der CDU von Monika Grütters. Nun möchte er Regierender Bürgermeister werden.

Herr Wegner, stellen Sie sich vor, Sie wären Regierender Bürgermeister. Was würden Sie als Erstes tun?
Wenn ich mir so anschaue, was in den letzten Jahren verschleppt und handwerklich schlecht gemacht wurde, fallen mir viele Dinge ein. Vor allem will ich einen grundlegenden Politikwechsel und einen neuen Politikstil: Wie finden wir Wege und Konzepte, um die Stadt wieder zusammenzubringen? 

Berlin ist eine großartige Metropole, aber durch Rot-Rot-Grün politisch polarisiert und gespalten. Es muss erst wieder ein innerer Zusammenhalt entwickelt werden, um die Stadt voranzubringen. Ich will nicht, dass in der nächsten Wahlperiode die Koalitionspartner weiter aufeinander einhauen, so wie es SPD, Grüne und Linke tun. Das zerstört Vertrauen, davon wenden sich die Menschen mit Grausen ab.

Wir leben in besonderen Zeiten. Was würden Sie bei der Corona-Bekämpfung anders machen als der rot-rot-grüne Senat?
Ich erwarte, dass diese Regierung endlich mal einheitlich handelt. Bei all dem Streit, den wir in der Koalition erleben, wissen viele Berlinerinnen und Berliner kaum noch, welche Regeln gerade gelten. 

In dieser Krise sind Führung und Orientierung gefragt. Es gibt andere Bundesländer, in denen die Bevölkerung der Regierung mehr vertraut und den schwierigen Weg mitgeht. Außerdem bekommt Rot-Rot-Grün die Pandemiebekämpfung einfach nicht hin. 

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Maskenverweigerer müssen konsequenter sanktioniert und illegale Feiern verhindert werden. In Berlin verbreitet sich das Virus inzwischen unkontrolliert.

Also mehr Ordnungskräfte und Polizei auf den Straßen und in den öffentlichen Verkehrsmitteln?
Ja. Knöllchen schreiben darf für die Ordnungsämter derzeit nicht mehr oberste Priorität haben, die Kräfte müssen gebündelt werden. Wir brauchen viel mehr Schwerpunktkontrollen.

In einem Jahr sind Wahlen in Berlin. In den Umfragen liefert sich die CDU mit den Grünen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz. Wie erklären Sie sich die guten Umfragewerte der Berliner CDU?
Natürlich profitiert die Berliner CDU vom Bundestrend, die Union wird bundesweit als stabile Kraft anerkannt, die die aktuelle Krise gut bewältigt. Außerdem nehmen die Berlinerinnen und Berliner sehr deutlich wahr, dass die Bilanz von Rot-Rot-Grün alles andere als gut ist. Auch viele ehemalige Wählerinnen und Wähler dieser Koalition sind unzufrieden. 

Und immer mehr Menschen bekommen mit, dass sich in der Berliner CDU in den letzten Monaten viel getan hat. Wir haben uns verändert – und wir wollen auch die Stadt positiv verändern. Die Berliner CDU ist geschlossen und entschlossen, sie hat neuen Schwung und frische Ideen. Und die CDU ist hoch motiviert, die Chancen der Stadt zu gestalten, damit endlich alle Berlinerinnen und Berliner davon profitieren können.

Die designierte SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey präsentiert inzwischen gemeinsam mit dem SPD-Fraktionschef Raed Saleh ein persönliches Wahlprogramm. Wo ist denn Ihre Agenda, Herr Wegner?
Was die künftige SPD-Landesspitze vorschlägt, steht im diametralen Gegensatz zu dem, was die Sozialdemokraten in den letzten Jahren gemacht haben. Offenbar war aus Sicht von Frau Giffey und Herrn Saleh die Senatspolitik von Rot-Rot-Grün falsch. Diese Einschätzung teile ich. 

Jetzt bin ich gespannt, ob die SPD-Parteibasis das genauso sieht und ob sich die Vorschläge des designierten Führungsduos im Wahlprogramm der Berliner Sozialdemokraten tatsächlich wiederfinden werden.

Ich fragte nach Ihrer Agenda.
Meine Themenschwerpunkte sind Wirtschaft und Arbeitsplätze, Bauen und bezahlbare Mieten, Bildung, Mobilität, Sicherheit und Sauberkeit. Nicht zu vergessen eine funktionierende Verwaltung. Das CDU-Wahlprogramm werden wir gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern gestalten. Es wird ein Programm aus Berlin für Berlin, das wir spätestens Mitte 2021 öffentlich präsentieren werden.

Im Wahlkampf konkurrieren aber vor allem Personen, und nicht Programme. Kennen Sie Frau Giffey persönlich? Was halten Sie von Ihr?
Wir sind uns schon damals in Neukölln begegnet, und ich kenne sie durch meine Arbeit im Bundestag. Ich freue mich auf den Wettbewerb mit Frau Giffey und heiße sie in der Berliner Landespolitik herzlich willkommen.

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Kai Wegner ist auch für spezielle Wahlkampfmethoden bekannt - hier mit dem stellvertretenden Landesvorsitzenden Falko Liecke bei einer Presseaktion gegen Clankriminalität.
Kai Wegner ist auch für spezielle Wahlkampfmethoden bekannt - hier mit dem stellvertretenden Landesvorsitzenden Falko Liecke bei einer Presseaktion gegen Clankriminalität.

© Dirk Reitze/CDU Berlin/dpa

Die Berliner Grünen haben eine Überraschungskandidatin als Spitzenkandidatin aus dem Hut gezaubert, Bettina Jarasch. Aus Sicht der CDU passt da vielleicht was zusammen, immerhin ist sie Katholikin.
(lacht) Ich bin evangelisch. Ja, den Grünen ist mit dieser Entscheidung eine Überraschung gelungen. Ich kenne Frau Jarasch gut und ich schätze sie. 2017 haben wir beide um den Bundestagswahlkreis Spandau gekämpft, sie war eine faire Konkurrentin. Aber sie ist jetzt eine klassische Kompromisskandidatin, weil sich Wirtschaftssenatorin Pop und Fraktionschefin Kapek nicht einigen konnten, wer von beiden die Grünen in den Wahlkampf führen soll. 

Zudem wird Frau Jarasch im Wahlkampf nicht so tun können, als wenn sie mit der rot-rot-grünen Regierungspolitik nichts zu tun hat. Das gilt übrigens auch für Herrn Saleh. Aus dieser Verantwortung werde ich beide nicht entlassen.

Aber ein wenig müssen Sie sich die Grünen schon warmhalten. Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz ist für die Union in der Hauptstadt derzeit die einzig plausible Machtoption.
Ob es die einzige Machtoption ist, warten wir mal ab. Ich wünsche mir ein Bündnis mit den Berlinerinnen und Berlinern, die CDU wird keinen Koalitionswahlkampf machen, in dem wir uns überlegen, was bei Grünen, SPD oder FDP gut ankommt.

Na, vielleicht doch. In der Verkehrspolitik hat der CDU-Landesverband schon eine Wende vollzogen. Weniger Auto, mehr öffentlicher Nahverkehr und Platz für Radfahrer. Wird es im Wahlprogramm der Union weitere grüne Überraschungen geben?
Wissen Sie, ich bin jemand, der mit offenen Augen durch diese Stadt läuft. Ich schaue mir die Lage vor Ort an. Kompass meines Handelns sind die Probleme und Bedürfnisse der Menschen, auf die wir pragmatisch reagieren müssen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, das sind für uns auch wichtige Themen.

Ein Stadtwald auf dem Tempelhofer Feld plus Randbebauung mit Wohnungen, auch mit diesem Vorschlag hat die CDU überrascht. Bei Rot-Rot-Grün ist alles ideologisch getrieben. Politik gegen das Auto, Politik gegen das Eigentum, Politik gegen die Polizei. Ich will nicht gegen, sondern für etwas Politik machen, für Berlin und die Menschen in unserer Stadt. Und das mit gesundem Menschenverstand.

Da die CDU derzeit keine Aussicht auf eine absolute Mehrheit hat, brauchen Sie wohl einen Koalitionspartner. Wobei es einiger Fantasie bedarf, sich vorzustellen, dass Kai Wegner zusammen mit einer Partei regieren könnte, die den Grünen-Baustadtrat Florian Schmidt in ihren Reihen hat. Auch die SPD ist in den vergangenen Jahren deutlich nach links gerückt.
Es gibt auch Grüne, zu denen ich einen guten Draht habe und die ich schätze…

…einschließlich der Grünen-Fraktionschefin Kapek…
… ja. Ob Koalitionen funktionieren oder scheitern, hängt eben nicht nur von den Inhalten ab, sondern auch davon, ob man sich gegenseitig vertraut, menschlich miteinander klarkommt und bereit ist, Kompromisse zu schließen. In einem Regierungsbündnis müssen sich alle Partner wiederfinden. 

Und zwar nicht auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern mit dem gemeinsamen Ziel, den größtmöglichen Erfolg für Berlin zu erreichen. Das wäre ein neuer Politikstil. Meinen CDU-Parteifreund und Regierungschef in Schleswig-Holstein, Daniel Günther, der eine Koalition aus CDU, Grünen und FDP führt, finde ich in diesem Sinne vorbildhaft. So etwas sollten wir auch in Berlin hinbekommen.

Mit Florian Schmidt?
Mir ist schon klar, dass wir über die Berliner Grünen und nicht die Grünen in Baden-Württemberg sprechen. In Berlin sind die Grünen keine bürgerliche, sondern eine linke Partei, insbesondere in Friedrichshain-Kreuzberg. 

Von dem einen oder anderen Thema werden sich die Grünen dann wohl trennen müssen, eine Koalition mit einer Florian-Schmidt-Partei kann ich mir in der Tat nicht vorstellen. Trotzdem habe ich bei einigen Grünen Sympathien und wenn das Wahlergebnis entsprechend ausfallen sollte, sehe ich Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

Oder hoffen Sie darauf, dass Frau Giffey ihre Genossen so in die Mitte rückt, dass ein Regierungsbündnis mit der SPD doch wieder möglich wird?
Natürlich pflege ich auch Kontakte zu Sozialdemokraten. Aus Sicht der CDU sind alle Bündnisse, die sich an der politischen Mitte orientieren, möglich. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass die Berliner SPD auf einmal ihre Liebe zum U-Bahn-Ausbau, zum Wohnungsbau und zur Sicherung des Rechtsstaats entdeckt. 

Jedenfalls wenn man Frau Giffey Glauben schenkt. Was ich strikt ausschließe, sind Koalitionen mit den politischen Rändern. Die AfD ist unser Feind, sie grenzt aus, sie spaltet, sie hetzt gegen Minderheiten. Eine Koalition mit der Linkspartei ist für die Union ebenfalls ausgeschlossen. Diese Partei verharmlost immer noch die brutale SED-Diktatur und aktuell fordert sie die Enteignung privater Unternehmen und denkt über staatliche Kaufhäuser nach.

Erschwert es den CDU-Wahlkampf, dass Sie ein Mann sind und gegen zwei Frauen antreten müssen?
Es geht nicht um das Geschlecht, sondern um die besten Ideen für Berlin. Das personelle Angebot der CDU wird aber selbstverständlich die ganze Vielfalt der Stadt widerspiegeln. Für die Bundestagswahl haben wir eine ganze Reihe starker Bewerberinnen, die CDU-Landesliste wird wesentlich weiblicher als beim letzten Mal. 

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Auch für die Abgeordnetenhauswahl sind wir, was die Kandidatinnen betrifft, auf einem guten Weg. Darüber hinaus wird mich ab Frühjahr 2021 ein Expertenteam im Wahlkampf begleiten, dem viele Frauen angehören werden. Auch Menschen aus der Stadtgesellschaft, die nicht CDU-Mitglied sind.

Angeblich wollen Sie den Chef der Bundespolizei, Dieter Romann, in Ihr Wahlkampfteam einbinden. Stimmt das?
Derzeit wird über sehr viele Namen spekuliert. Ich höre auch noch ganz andere Namen... Das ist alles reine Spekulation. Wir werden das Team Mitte nächsten Jahres vorstellen.

Ihre Partei hat große Probleme, junge Menschen für sich zu gewinnen. Die wählen lieber grün oder links. Das könnte wahlentscheidend sein.
Da kann die Union noch besser werden, übrigens bundesweit. Aber ich sehe auch neue Möglichkeiten. Wir haben in Berlin eine starke und motivierte Junge Union, wir haben viele junge Kandidatinnen und Kandidaten für die nächsten Wahlen. Ich bin im regelmäßigen Austausch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Club- und Kreativszene, die unter Corona um ihre Existenz bangen und vom Senat alleingelassen werden.

Ich spreche viel mit jungen Leuten in der Start-Up-Szene, die von Rot-Rot-Grün enttäuscht sind – und sehr begrüßen, wie sich die CDU kümmert.

Was ist Ihr Ziel für die Abgeordnetenhauswahl? Welches Ergebnis trauen Sie der Berliner CDU zu?
Da kenne ich keine Obergrenze. Wir wollen stärkste politische Kraft werden, mit einem klaren Regierungsauftrag.

Auf der bezirklichen Ebene stellt die Union seit 2016 nur zwei Bezirksbürgermeister, in Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf. Was schwebt Ihnen für 2021 vor?
Deutlich mehr. Berlin braucht selbstbewusste Bezirke und Bürgermeister, die einen guten Job machen. In der Zusammenarbeit zwischen Senat und Bezirken wünsche ich mir nach der Wahl auch mehr Transparenz und Einheitlichkeit. Und bei großen wirtschaftlichen Investitionen oder Verkehrsprojekten in den Bezirken brauchen wir noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten durch die Landesebene.

Im Herbst 2021 wird auch der Bundestag neu gewählt. Zurzeit sitzen sechs Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete im Parlament, nach aktuellen Prognosen bleibt es bei dieser Zahl, davon fünf Direktmandate in den Wahlkreisen. Wären Sie damit zufrieden?
Die neue Berliner CDU-Landesgruppe soll auch weiterhin eine unüberhörbare Stimme der Hauptstadt in der CDU/CSU- Bundestagsfraktion sein, und wir wollen auch mehr als fünf Direktmandate holen.

In Ihrer Bundespartei stehen wichtige Entscheidungen an, die auch die Wahlchancen der Berliner CDU beeinflussen werden. Welchen neuen Bundesvorsitzenden der Union und welchen Kanzlerkandidaten favorisieren Sie?

Wir haben mit Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen drei starke Kandidaten für den Parteivorsitz. Und wir haben mit Jens Spahn einen Bundesgesundheitsminister, der bewiesen hat, dass er schwere Krisen managen kann, der klug und bundespolitisch sehr engagiert ist. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und auch in der Partei erfährt Jens Spahn eine hohe Unterstützung, die täglich größer wird. Und wir haben den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der mit hohen Beliebtheitswerten glänzt und dem die Menschen weit über Bayern hinaus vertrauen. Diese Bewerberlage stimmt mich optimistisch.

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