
© Malte Neumann
CDU-Politiker in der FU Berlin: Philipp Amthor wird von Störern niedergebrüllt – und reagiert mit Humor
Womit ist dieser Tage zu rechnen, wenn sich ein bekannter Christdemokrat auf dem Campus in Berlin-Dahlem ankündigt? Mit den erwarteten Störungen geht Amthor souverän um.
Stand:
In den Räumen des Instituts für Wirtschaftswissenschaften an der Freien Universität Berlin (FU) haben sich am Donnerstagabend zunächst rund 50 Menschen zusammengefunden, die Mehrheit Studierende. Sie alle sind gekommen, um Philipp Amthor zu sehen. Das Bundesvorstandsmitglied der CDU ist einer Einladung des Rings Christlich Demokratischer Studenten (RCDS), der Studierendenorganisation der Partei, gefolgt. Gemeinsam will man diskutieren, „wie Ideologie den freien Austausch an Unis bedroht“.
Die Sorge der Veranstalter, dass es zu Gegenprotest kommen könnte, erhärtet sich am Nachmittag. In der Umgebung des Hörsaals seien Protestplakate aufgehängt worden, die man entfernt habe, so der Bundesvorsitzende des RCDS, Lukas Honemann. „Wenn die Veranstaltung gestört wird, werden wir den Ablauf ändern und die Protestierenden zum Dialog einladen“, sagt Honemann im Vorfeld.
Dass das nötig ist, wird offensichtlich, als kurz nach Beginn der Veranstaltung weitere 30 junge Menschen den Hörsaal betreten und im Publikum Platz nehmen. Propalästinensische Symbole sind kaum zu sehen, nur einer der Nachzügler trägt eine Kufiya um den Hals.

© Malte Neumann
„Protest ist legitim. Ich hoffe, dass er friedlich ist, wenn es so weit ist“, sagt Christian Lammert sogleich. Der Politikwissenschaftler betreut die Veranstaltung von Uniseite. Er habe das Hausrecht, ein paar Polizisten stünden vor der Tür, sagt er mit einem angespannten Lachen. Lammert ist sichtlich darum bemüht, zu deeskalieren. „Die Bedrohung der Gesellschaft vermute ich nicht hier im Hörsaal, sie kommt von rechts. So wolle etwa die AfD die Studiengänge der Gender Studies verbieten. „Mein Appell an solche Debatten ist es deswegen, entspannt zu diskutieren, sich zuzuhören und nicht rumzubrüllen“, sagt Lammert.
Amthor wird skurril gefeiert
Doch Lammerts Worte zeigen keine Wirkung. Als Philipp Amthor wenig später an das Rednerpult tritt, erheben sich die Nachzügler und ein paar weitere Gäste. Sie bedenken Amthor minutenlang mit donnerndem Applaus und stimmen „Philipp, Philipp“-Sprechchöre an. In Anspielung auf die Lobbyaffäre, in die der CDU-Politiker verstrickt war, skandiert die Menge auch „Korruption“. Vereinzelt sind auch „Free, free Palestine“-Rufe zu hören, ein Teilnehmer nennt den CDU-Politiker „Rassist“.
Erst als Amthor ein Megafon gereicht wird, kommt er gegen die Kulisse an: „Das ist ja wirklich eine sympathische Protestform. Ihr macht das viel besser als die bei Christian Lindner“, beginnt Amthor. Lindner wurde vor zwei Wochen in Greifswald von einer Linken mit einer Torte beworfen.
Hier sehen Sie ein Video aus dem Hörsaal.
Als sich die Szenerie im Hörsaal etwas beruhigt hat, schaltet der Bundestagsabgeordnete in den Wahlkampfmodus. Über die tödliche Messerattacke in Aschaffenburg und ein paar rhetorische Schleifen kommt Amthor zu der Forderung, dass es ein „Ende des Missbrauchs des Asylrechts braucht, um die Akzeptanz für das Asylrecht zu sichern.“ Aus dem Publikum kommen keine Protestrufe.
Die kriegt der CDU-Politiker kurze Zeit später, als er von Aufstiegsversprechen spricht und gegen die Protestierenden austeilt: „Ich finde es immer ganz bemerkenswert, dass insbesondere die, die zu Hause mit dem bürgerlichsten Klammerbeutel gepudert wurden, am meisten über die sozialen Probleme in diesem Land Bescheid zu wissen scheinen.“ Ein paar Lacher hat der 32-Jährige allerdings auch auf seiner Seite.
Also ich hätte Schlimmeres erwartet, das Diskussionsniveau war doch gut! Das hat mir ziemlich Spaß gemacht.
Philipp Amthor, Bundestagsabgeordneter und Mitglied des CDU-Bundesvorstands
Auch die Fragerunde nach der kurzen Standrede meistert Amthor im Anschluss souverän, macht sich Notizen und spielt bei seinen Antworten in Maßen mit den Emotionen des Publikums. Als alle Fragen, in keiner geht es um die Situation in Gaza, beantwortet sind und die Nachzügler gegen 20 Uhr geschlossen den Hörsaal verlassen haben, sagt Amthor: „Also ich hätte Schlimmeres erwartet, das Diskussionsniveau war doch gut! Das hat mir ziemlich Spaß gemacht.“
Grasse regt Schließung einer Hochschule an
Deutlich klarer als Amthor bezieht Adrian Grasse Stellung zu den Hochschulprotesten seit Beginn des Krieges in Gaza. Der wissenschaftspolitische Sprecher der Berliner CDU und Abgeordnete für den Bezirk Zehlendorf, in dem die FU liegt, spricht noch vor Amthor.
„Mich macht die Situation an den Berliner Hochschulen sehr nachdenklich. Wir haben hier einen grassierenden Antisemitismus. Wir hatten neulich den besonders krassen Fall, dass die Alice Salomon Hochschule (ASH) von Vermummten besetzt wurde. Wer diskutiert denn mit Vermummten?“, fragt Grasse. Auf wen er sich bezieht, spricht er nicht aus. Gemeint sein dürfte aber die Leiterin der ASH, die Polizisten, die sich vor dem Eingang der Hochschule positionierten, als „bedrohlich“ für ihre Studierenden bezeichnete und ihnen den Zutritt zum Gelände verweigerte.
Würde es nicht Sinn machen, eine Hochschule zu schließen, anstatt alle kaputtzusparen?
Adrian Grasse, Berliner Abgeordneter und wissenschaftspolitischer Sprecher der CDU Berlin
Von einer Studierenden wird Grasse mit den Haushaltskürzungen konfrontiert. Sie leide unter den steigenden Preisen in der Mensa und den erhöhten Semesterbeiträgen. Grasse verweist zunächst darauf, dass in allen Bereichen gespart werden müsse, wirft dann aber auch zwei Gedanken in den Ring, die in der Debatte um die Kürzungen für die Hochschulen bisher kaum zu hören waren: Die Hochschulen könnten sich wie ihre amerikanischen Pendants mehr für private Geldgeber öffnen. Seine zweite Idee orientiere sich ebenfalls an der freien Wirtschaft, die Werksschließungen bei Volkswagen seien ein gutes Beispiel: „Würde es nicht Sinn machen, eine Hochschule zu schließen, anstatt alle kaputtzusparen?“
Christian Lammert hält davon nichts. „Das ist keine gute Idee. Die Kürzungen sind eine Frage der politischen Prioritätensetzung“, sagt der Politikwissenschaftler nach der Veranstaltung. Diese sei ihm auch nicht als Wahlkampfveranstaltung angekündigt worden, sondern als Debatte über die Wissenschaftsfreiheit. „Das Potenzial wurde leider verschenkt.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: