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Weil ihr Internet zu langsam ist, bemühen sich die Unternehmen im Darßer Bogen um Breitbandförderung und geraten in ein bürokratisches Wirrwarr.

© Felix Kästle/dpa

Darßer Bogen in Berlin-Pankow: Wo das Internet nur aus der Leitung tröpfelt

Die Telekom verweigert den Ausbau, die Politik ist überfordert. Mehrere Firmen sorgen sich um ihr Geschäft, weil ihr Internetzugang zu langsam ist.

In einer Straße im Norden Berlins tröpfelt das Internet aus der Leitung. Das Gewerbegebiet Darßer Bogen in Pankow empfängt maximal sechs Megabit pro Sekunde. Das bedeutet: Zu Hochzeiten, in denen viele Menschen zeitgleich im Netz surfen, müssen die ansässigen Unternehmer schon viel Geduld aufbringen, wenn sie auch nur eine E-Mail mit Anhang verschicken wollen.

Downloads am frühen Morgen oder späten Abend

Für solche Fälle hat der Bund die Breitbandförderung eingerichtet. Erreicht ein Gebiet höchstens 30 Megabit pro Sekunde, ist es auf der Internet-Landkarte ein „weißer Fleck“. Es könnte öffentliche Mittel erhalten, wenn eine sogenannte Markterkundung ergeben hat, dass die Netzbetreiber keinen Glasfaserausbau planen – weil es sich für sie nicht lohnt.

So einfach ist es aber nicht. Als sich der Unternehmer Kai Salzinger, Geschäftsführer von ESA-Systems, an die Politik wendet, gerät er in ein bürokratisches Wirrwarr. E-Mails gehen hin und her, Telefonate werden geführt, Treffen angesetzt und wieder verworfen. Niemand sagt ihm, wie die Breitbandförderung zu beantragen ist.

Salzinger produziert mit zwei Mitarbeitern im Darßer Bogen Druckluftmesssonden für kleine Flugzeuge. Seine Geschäftsmails werden oft nicht in den Gesendet-Ordner kopiert, weil die Verbindung zu langsam ist.

Um das Problem zu beheben, hat er, im Namen aller Unternehmer der Straße, an viele Stellen geschrieben: dem Bezirk Pankow, dem Breitband-Kompetenz-Team, das vom Tüv für das Land Berlin geführt wird, und der Berliner Wirtschaftsförderungsgesellschaft.

Auch eine Bundestagsabgeordnete hat Salzinger kontaktiert. Daniela Kluckert (FDP) leitet stellvertretend den Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur und kommt zufällig aus dem Wahlkreis, in dem der Darßer Bogen liegt. Bisher konnte aber auch sie nicht helfen.

Dabei braucht das Gebiet dringend schnelles Internet. Eine Bauklempnerei am Ende der Straße, die eine Sackgasse ist, hat es besonders schwer. „Bei uns kommt fast nix mehr an“, sagt die Familienunternehmerin Annette Martens. Der kleine Betrieb mit sieben Mitarbeitern bewirbt sich regelmäßig um öffentliche Aufträge. „Das Herunterladen von Angeboten funktioniert wirklich nur ganz früh zwischen sieben und acht Uhr oder spätabends“, sagt Martens. „Oder eben am Wochenende.“ Darunter litten Geschäft wie Privatleben.

Leid geteilt durch 15

Bei Doreen Geratsdorfer fällt die Leitung tageweise ganz aus. Ihre Firma produziert und vertreibt im Darßer Bogen Magnesiumanoden. „Die 850 Produkte im Onlineshop pflege ich teilweise von zu Hause, weil ich da besseres Internet habe“, sagt Geratsdorfer. Sie behilft sich – wie einige andere Firmen in der Straße – mit einem Surfstick, mit dem sie über das mobile Netz online geht.

Etwa 15 Unternehmen in dem Gebiet teilen diese Probleme. Die Politik sagt: Die Firmen sollen den Glasfaseranschluss selbst bezahlen, sie seien schließlich Gewerbetreibende. Doch im Darßer Bogen sitzen viele kleine und mittelständische Unternehmen – sogenannte KMU –, in denen oft nur ein einzelner Mitarbeiter das Internet nutzt. Für sie lohnt sich ein Business-Glasfaseranschluss nicht, sagt Salzinger.

Eines der günstigeren Angebote kostet 150 Euro pro Monat. Dazu kämen noch Anschlussgebühren in unbekannter Höhe. Andere Betreiber würden für das schnelle Netz bis zu 500 Euro pro Monat verlangen.

Die Bundestagsabgeordnete Kluckert hatte vorgeschlagen, zwischen den Unternehmern und einem britischen Netzbetreiber zu vermitteln. Salzinger lehnt das ab, er hat bereits ein Angebot dieses Anbieters. Seine Forderung: Erst muss ein neues, für die Unternehmer bezahlbares Angebot auf den Tisch, dann könne man sich treffen. Eine Rückmeldung blieb bisher aus.

Widersprüchlich verhält sich die Berliner Verwaltung in der Sache. Offiziell braucht es ein Markterkundungsverfahren. Es stellt fest, ob die Anbieter in den kommenden drei Jahren selbst einen Glasfaserausbau planen. Ist das in einem unterversorgten Gebiet nicht der Fall, besteht ein Anspruch auf Förderung.

Suche nach der "schnellen Lösung"

Doch der Bezirk Pankow lehnt eine Markterkundung ab – er schreibt auf Anfrage: „In der Praxis ist damit ein vergleichsweise hoher bürokratischer und zeitlicher Aufwand verbunden.“ Man wolle eine „schnelle Lösung“ finden. Der Darßer Bogen setzt sich seit sechs Monaten für schnelles Internet ein.

An anderer Stelle in Berlin ist das Verfahren möglich. Bei Projekten, welche das Land selbst vorantreibt, wird eine Markterkundung durchgeführt. So erhielt im Jahr 2016 der neu angelegte CleanTech-Business-Park in Marzahn nach einer Markterkundung die Breitbandförderung. Und kürzlich wurden zwei Markterkundungen für die Tegel Project GmbH bewilligt, wovon eine noch läuft. Diese Firma plant für das Land die Nutzung des Flughafens Tegel nach einer Schließung.

Der Haken an der Breitbandförderung für das Land: Der Bund übernimmt nur 50 Prozent der Kosten. Die andere Hälfte muss es zusammen mit der Kommune selbst tragen.

Das Land Berlin schließt eine solche Förderung aber auch nicht aus. Ende Mai veranstaltete es mit dem Breitband-Kompetenz-Team einen Workshop für die Kommunen. Es wurde über die Förderung informiert. Doch solange für die Bezirke der bürokratische Aufwand zu hoch ist, könnten den Worten wieder keine Taten folgen.

Unternehmer Kai Salzinger hat schon mit Dutzenden Stellen gesprochen.
Unternehmer Kai Salzinger hat schon mit Dutzenden Stellen gesprochen.

© promo

Die Lösung für den Darßer Bogen wäre aber viel einfacher. Die meisten kleinen Firmen benötigen keine Glasfaserleitung mit Gigabit-Tempo, ihnen reicht VDSL. Dabei wird die vorhandene Kupferleitung aufgemotzt und so bis zu 250 Megabit pro Sekunde im Download erreicht – genug für die Unternehmen, um zu surfen und große Dateien zu übertragen. Ein solcher Vertrag kostet deutlich weniger als Glasfaser.

Doch die Telekom will die Technik nicht anbieten, auf Nachfrage teilt sie mit: „Wir sehen das Problem, werden dort aber kurzfristig wegen fehlenden Budgets nicht ausbauen.“ Laut der Telekom könnten aber auch andere Betreiber VDSL anbieten. Auch das hat Salzinger versucht. Dafür findet sich kein Anbieter, er vermutet, weil ein solcher Anschluss weniger Umsatz als Glasfaser bringt.

In der Zwischenzeit kämpfen die Firmen in der kleinen Straße in Pankow weiter mit dem Netz. Bei einem Test an Salzingers Computer ist das Ergebnis: Rund fünf Megabit pro Sekunde kann er herunterladen und zwei Megabit pro Sekunde hochladen. Sein Wunsch: nachts ein Back-up der geschäftlichen Daten im Netz erstellen – um sie vor Diebstahl und Brand zu sichern. „Wenn die Daten weg sind, können wir eigentlich zumachen“, sagt er. Doch für ein Back-up im Internet fehlt ein schnellerer Upload. So bleibt Salzinger nichts anderes übrig, als die Daten auf einer Festplatte zu sichern und jeden Abend mit nach Hause zu nehmen. So lange, wie der Darßer Bogen ein weißer Fleck auf der Landkarte bleibt.

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