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Bei einer Demonstration gegen hohe Mieten in Berlin halten Teilnehmer ein Transparent mit der Aufschrift „Deutsche Wohnen & Co enteignen“.

© dpa/Christophe Gateau

Debatte in Berlin: Regierende Bürgermeisterin Giffey und Senator Geisel bleiben beim Thema Enteignungen skeptisch

Berlins Regierende Bürgermeisterin und Bausenator Geisel (beide SPD) bleiben skeptisch zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen. Die Risiken müssten zuvor ermittelt werden.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und Bausenator Andreas Geisel (beide SPD) haben sich erneut skeptisch zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen in der Hauptstadt geäußert. „Ich will sichergehen, dass wir mit unserem Vorgehen nicht vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern“, sagte Giffey der Deutschen Presse-Agentur.

Deswegen habe der Senat die Expertenkommission beauftragt zu prüfen, ob eine Enteignung grundsätzlich möglich und auch auf Wohnungen anwendbar wäre. „Welche Risiken hat es, was eine Klagewelle angeht, mit der wir rechnen müssen? Es werden sich ja Menschen dagegen wehren, enteignet zu werden.“

Es stelle sich auch die Frage, was Enteignungen für die Investitionstätigkeit in der Stadt und in den Wohnungsbau bedeute –  auch dann, wenn ein geringerer Entschädigungsbetrag bezahlt werden müsste als zunächst angenommen.

„Ich beobachte, dass vielen etwas der Bezug zwischen Millionen und Milliarden abhanden gekommen ist, weil wir permanent mit Riesensummen hantieren“, sagte Giffey. „Da wird mal locker-flockig von Milliarden gesprochen. Fast alle Berliner Bezirke haben einen Gesamtetat von jeweils nicht einmal einer Milliarde Euro“, sagte die SPD-Politikerin.

Die Konsequenzen für Berlin prüfen

„Wenn wir auch von geringeren Beträgen reden – von etwa 13 Milliarden – dann ist das das Komplettbudget aller Berliner Bezirke mit allen Bürgerämtern, mit allen Schulen, mit allem, was dazu gehört.“ So leichtfertig über solche Summen zu sprechen, negiere völlig, wie viel schon eine einzige Milliarde sei.

„Und es negiert auch, dass wir, wenn wir das alles investieren würden, keine einzige neue Wohnung haben“, so die SPD-Landesvorsitzende. „Der Punkt ist, es löst das Problem nicht, dass Leute keine Wohnung finden. Und deswegen muss man sich das gut überlegen.“ Mit dem Volksentscheid sei respektvoll umzugehen. „Aber wir müssen genauso schauen, welche Konsequenzen das für das Land Berlin hat.“

Zu erwarten sei, dass gegen Enteignungen bis vor das Bundesverfassungsgericht geklagt werde. „Das wird dazu führen, dass wir jahrelang eine unklare Situation haben“, warnte Giffey. „Der Senat muss sich im nächsten Jahr, wenn der Endbericht vorliegt, positionieren. So viel ist klar. Die Expertenkommission wird den politisch Verantwortlichen nicht die Entscheidung abnehmen.“

Bausenator Geisel warnt vor Rechtsstreitigkeiten als Folge

Bausenator Andreas Geisel (SPD) teilt diese Skepsis: „Ob das am Ende 30 Milliarden Euro Entschädigung sind, 20 Milliarden oder 10 - es bleiben Milliarden Euro, die wir Aktionären geben müssen und deshalb nicht dafür einsetzen können, neue bezahlbare Wohnungen zu bauen und die Mieten zu stabilisieren“, sagte er. „Die Frage, warum es sinnvoll sein soll, Aktionäre mit Milliardensummen zu entschädigen, muss auch die Linke beantworten.“

Es werden jahrelange Rechtsstreitigkeiten auf das Land Berlin zukommen. In dieser Zeit wechselt keine einzige Wohnung den Eigentümer.

Andreas

Die Befürworter von Enteignungen müssten sich die Frage stellen, was wirtschaftlich, finanziell und juristisch die Konsequenzen seien. „Man kann nicht so tun und behaupten, mit einem Vergesellschaftungsgesetz sei alles geklärt. Es werden jahrelange Rechtsstreitigkeiten auf das Land Berlin zukommen. In dieser Zeit wechselt keine einzige Wohnung den Eigentümer.“

„Auch ich bin für eine möglichst hohe Zahl von landeseigenen Wohnungen“, betonte Geisel. „Aber ich folge nicht der Analyse, dass Enteignungen den Wohnungsmarkt entspannen oder gar eine Antwort geben auf die Frage der klimagerechten Sanierungen der Wohnungen in dieser Stadt, die wir brauchen, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen.“

FDP will keine Enteignungen

FDP-Fraktionsvorsitzender Sebastian Czaja sagte der Deutschen Presse-Agentur, mit seiner Partei werde es keine Enteignungen geben. Natürlich werde man sich alle Wege offen halten, zu prüfen, wie man dagegen rechtlich vorgehen könne, sollte es soweit kommen, so der FDP-Politiker. „Wir brauchen Wohnungsneubau und sollten nicht Milliarden für Entschädigungen ausgeben. Es kann sein, dass Frau Giffey und Herr Geisel das auch so sehen, aber Rücksicht auf Grüne und Linke nehmen müssen.“

Die vom Senat eingesetzte unabhängige Expertenkommission unter Leitung der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) berät seit April darüber, ob und gegebenenfalls wie das Anliegen der Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ umgesetzt werden kann, die mit ihrem Volksentscheid im September 2021 erfolgreich war.

Dabei hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Enteignung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Bis Ende April oder Anfang Mai soll die Kommission ihre Ergebnisse vorlegen. Die Initiative fordert eine Umsetzung des Volksentscheids. Unterstützung dafür gibt es unter anderem auch bei den Linken und den Grünen. (dpa)

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