zum Hauptinhalt
Ein "Rosinenbomber" vom Typ Douglas DC-4 Skymaster auf dem Vorfeld des ehemaligen Flughafens Tempelhof.

© Wolfgang Kumm/dpa

Neue Ausstellung in Berlin: Der Flughafen Tempelhof und seine Geschichte

Auf dem Flughafen Tempelhof erinnert die neue Ausstellung „Ein weites Feld“ an dessen wechselhafte Geschichte. Die NS-Zeit steht im Fokus

SS-Sturmbannführer Karl Koch war ein Mann mit sehr speziellem Humor. Seine Zeit als Kommandant des KZ Columbia-Haus am Nordrand des Tempelhofer Feldes, die von April 1935 bis März 1936 dauerte, dokumentierte er sorgfältig in zwei Fotoalben. Die Aufnahmen pflegte er zu beschriften, so eine Szene mit Häftlingen, zu der er „Singstunde im KLC, Juli 1935“ notierte. Musikalische Unterhaltung im Konzentrationslager? Nun, es waren ausnahmslos nationalsozialistische Lieder, die der um eine perfide Quälerei nie verlegene Koch seine Gefangenen anstimmen ließ. Auch die Unterschrift „von links: Ihre Heiligkeiten“, Kommentar zu einem anderen Foto, war der Versuch einer zynischen Witzelei über Häftlinge, die wegen ihres Glaubens in die Fänge der SS geraten waren.

Zwei kleine Details nur aus der am Dienstag am Ort ihres Gegenstandes vorgestellten Ausstellung „Ein weites Feld. Der Flughafen Tempelhof und seine Geschichte“. Erstellt wurde sie von der Stiftung Topographie des Terrors, das lässt schon ahnen, dass die Zeit zwischen 1933 und 1945 eine besonders große Rolle einnimmt. Etwa die Hälfte der Ausstellung handele von der NS-Zeit, bestätigte denn auch Nina Burkhardt, neben Olga Goleta eine der beiden Kuratorinnen.

Für die ausnahmslos mit oft wenig bekannten Fotos, faksimilierten Dokumenten und Texten arbeitende Ausstellung wurde ein bereits einmal zu diesem Zweck genutzter Ort gefunden: ein dank großer Fenster einen Blick auf die Flugsteighalle und das Flugfeld gewährender Raum im Bereich des ehemaligen GAT, der General Aviation Terminals. Die Alu-Stellwände, im oberen Bereich wie ein Papierflugzeug gefaltet, stiften gleich einen prima Bezug zum ersten Zweck des Flughafens, nämlich ein Ort des Startens und Landens, des Abfliegens und Ankommens zu sein, und dies mit Maschinen, deren wichtigster Baustoff eben Aluminium ist.

Von Volksbelustigung bis hin zu blutigem Ernst

Geflogen wurde dort freilich schon bevor es ab 1923 einen ersten Flugplatz gab, und danach gesellten sich zu den ersten Linienflügen bald spektakuläre Flugshows, mit Piloten wie Ernst Udet in seiner U12 „Flamingo“ – an die spätere Karriere als „Des Teufels General“ war da noch nicht zu denken. Die Nationalsozialisten machten sich die Flugbegeisterung der Bevölkerung zunutze, „Luftfahrt und Propaganda“ – so das Thema des folgenden Ausstellungskapitels – waren nicht zu trennen.

Eine riesige Menschenmenge füllte am 1. Mai 1933 das Flugfeld zur Massenkundgebung am „Tag der nationalen Arbeit“, der das Ende der freien Gewerkschaften bedeutete. An dem zum Großflugtag erklärten 2. Juni 1935 waren sogar die Kellner im Flughafenrestaurant uniformiert, und auch der „Eintopftag“ am 12. Dezember 1936 diente nicht nur kulinarischen Zwecken, sondern war zugleich Propaganda, ebenso wie Leni Riefenstahls Abflug nach Griechenland 1936. Für ihren Film über die Olympischen Spiele wollte sie das Entzünden des dann nach Berlin getragenen Feuers filmen – ein von den Nazis erfundenes, noch immer praktiziertes Ritual.

Aus dem Spaß, der Volksbelustigung, wurde bald blutiger Ernst. Wegen des Kriegsausbruchs 1939 nie fertig geworden und ohnehin während der NS-Zeit nie für den zivilen Flugverkehr genutzt, wurde der weltweit erste tatsächlich als Weltflughafen konzipierte Steinkoloss zur Fertigungsstätte von Militärmaschinen, besonders des Sturzkampfbombers Ju-87 (Stuka), der in der Propaganda ebenfalls eine besondere Rolle spielte.

Der Glamour als Tor zur Welt

Zusammengeschraubt wurden die Maschinen von Zwangsarbeitern, deren Schicksal in Bild und Text eindrucksvoll geschildert wird. Robuste Arbeitskleidung für die hinter ihren Metallfräsen und Schweißgeräten stehenden Frauen? Sie mussten mit ihren leichten Straßenschuhen schuften, nicht geschützt gegen Metallspäne und Funkenflug, dazu halb verhungert: „Zum Frühstück bekamen wir insgesamt ein kleines Brot, das wir unter acht Personen teilten, dazu ein bisschen Marmelade oder Käse. Mittagessen gab es in der Fabrik: ein paar Pellkartoffeln, ein wenig Soße und ab und zu 20 Gramm Fleisch“, schilderte es eine ehemalige Zwangsarbeiterin.

Ganz anders nach 1945, als die Amerikaner den Flughafen übernahmen. Zu ihrem Tag der offenen Tür 1967 kam auch Gudrun Ensslin, im Kinderwagen ihren wenige Tage alten Sohn, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren. Das Phänomen „LOT“ („Landet ooch Tempelhof“), der Entführungen polnischer Maschinen durch Flüchtlinge, wird in der Ausstellung ebenso gestreift wie der Glamour als Tor zur Welt, sei es, dass die Stones 1965 zu ihrem berühmt-berüchtigten Waldbühnenkonzert durch dieses Tor einschwebten, Gina Lollobrigida oder Ronald Reagan. Kennedy freilich hatte nach Tegel ausweichen müssen. Für seine Air Force One nämlich war Tempelhofs Landebahn zu kurz.

„Ein weites Feld“, GAT-Bereich im Flughafen Tempelhof, bis 30. Dezember, täglich 10 – 19 Uhr. Infos zur Ausstellung und dem Begleitprogramm wie auch zur geplanten App unter www.topographie.de/tempelhof

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false