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Türkische Lebensfreude. Frauen wie Eylem Ozdemir-Rinke genießen und fördern die Meyhane.

© privat

Die Geburt eines Künstlerlokals: Türkisches Restaurant „Müsterek Meyhane“ eröffnet in Berlin

Der Dramatiker Moritz Rinke lädt Kulturschaffende ins „Müsterek Meyhane“ in Berlin. Man isst Mezes, trinkt Raki und atmet das Lebensgefühl Istanbuls.

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Manche Gäste aus der Hochkultur mögen wohl bis zum Schluss nicht glauben, dass sie einfach nur bei einer Restaurant-Eröffnung zu Gast sind.

Der Abend im Müsterek Meyhane am U-Bahnhof Märkisches Museum wirkt tatsächlich eher wie eine Performance, so unter dem Titel: „Die wundersame Wandlung eines Intellektuellen, der zum Investor wurde.“ Aufgeführt in einem Tiny Restaurant türkischer Prägung.

Geladen hat der Schriftsteller Moritz Rinke zusammen mit dem Müsterek-Team und den Gründern der Vereinigung „Istanbul Elsewhere“, die dem typischen Lebensgefühl des gebürtigen Istanbulers überall in der Welt nachspüren. Die Meyhane, die türkische Kneipenkultur, vermittelt nun mal besonders Intellektuellen und Exilanten das Gefühl eines „Home Away from Home“.

Trinkende Männer

Mehmet Ali Alabora, der 2013 sein Land verlassen musste, arbeitet als Schauspieler in London. Gemeinsam mit dem Autor Tan Morgül erläutert er die Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende alte Tradition, die lange von Männern zelebriert worden sei – bis schließlich zuerst die Intellektuellen und dann auch noch die Frauen dazu gekommen seien.

An dieser Stelle muss er sich freilich einige kritische Nachfragen der früheren Kulturstaatsministerin Monika Grütters und der Moderatorin Sandra Maischberger gefallen lassen bezüglich der fragwürdigen Aufzählung. Erst Intellektuelle, dann Frauen, echt jetzt?

Hemingway zelebrierte die Kneipenkultur in Konstantinopel

Selbstredend zelebrierte auch der alte Macho Ernest Hemingway Anfang der 20er Jahre die Meyhane-Kultur. Er wurde darüber aber nicht gleich zum Investor. Das damalige Konstantinopel fand der große Schriftsteller „laut, heiß, hügelig, verschmutzt und wunderschön“. Und er besuchte die kleinen Tavernen, in denen Männer rauchten und redeten.

Angefangen hat das Müsterek mit einem unternehmungslustigen Besucher aus Istanbul, Cihan Ilter, welcher der Legende nach ohne einen Cent in der Tasche, aber mit großen Plänen und viel Enthusiasmus in Berlin eine Meyhane eröffnen wollte. Bei Moritz Rinke und seiner türkischstämmigen Frau Eylem Özdemir-Rinke führte er seine Kochkünste vor.

Der Späti war groß genug

Dem Essen folgte ein weiteres. Erörtert wurde die Idee, aus einem ehemaligen Späti in der Wallstraße eine typische Kneipe nach türkischem Vorbild zu machen – einen Ort, an dem Menschen aus allen Schichten zusammenkommen, gemeinsam essen und trinken und reden. Meyhane eben. Eylem war begeistert. Moritz skeptisch.

„Der Laden ist so groß wie das Kinderzimmer unserer Tochter“, gab er zu bedenken. „Ihr Kinderzimmer ist viel zu groß“, konterte Eylem, die an diesem Abend strahlend jeden einzelnen Gast begrüßt. Andere Freunde wollten sich ebenfalls engagieren. 

Storytelling ist Teil des Konzepts

Irgendwie muss sich der frisch gekürte Ben-Witter-Preisträger dann doch in der ungewohnten Rolle des Investors gefallen haben, vielleicht war es die Faszination einer ganz anderen Welt. Oder ihm gefiel die philosophische Dimension des Meyhane-Konzepts, bei der Storytelling immer dazu gehört.

Das betreiben Gäste wie Kunstanwalt Peter Raue, Kultur-Manager Ulrich Schreiber und der langjährige US-Kultur-Attaché Peter Claussen hingebungsvoll an diesem Abend. Die Musik ist zwar laut, aber man sitzt so dermaßen vertraut auf Tuchfühlung, dass es auch schon egal ist.  

Nach dieser Woche kann man sowieso nur noch Raki trinken.

Moritz Rinke, Schauspieler

Die Sache mit dem Wein wird ebenfalls elegant gelöst. Ursprünglich kommt das Wort „Meyhane“ nämlich aus dem Persischen und bedeutet Weinhaus, was in dem Vortrag der beiden Künstler aus England durchaus eine Rolle spielt. Blöderweise nur ist das Unternehmen Yeni Raki der Sponsor des Abends. Der frisch gebackene Investor gibt kurzerhand die Parole aus: „Nach dieser Woche kann man sowieso nur noch Raki trinken.“

Auf den Tischen stehen große Flaschen mit roten, schwarzen und goldenen Kappen bereit. Bald entspinnen sich geistreiche Diskussionen, unter welcher Kappe sich der beste Schnaps verbirgt, wobei die rote eher weibliche und die schwarze Kappe eher männliche Fans gewinnt. Es gibt ihn also noch: den kleinen Unterschied, der dann keine Rolle mehr spielt, als auf Wunsch auch Wein auf den Tisch kommt.

Küchenchef Cihan Ilter erläutert die zahlreichen kalten und warmen Vorspeisen, die erstaunlicherweise auch noch Platz finden auf den Tischen: Kichererbsen-Püree mit Zwiebeln, Rosinen und Gewürzen und das Püree aus gelben Ackerbohnen mit Olivenöl und Kräutern sind besonders wichtig für die Tradition. Joghurtsauce mit Kopfsalat, Käsepaste mit Walnüssen und Kräutern und Auberginenpüree mit Knoblauch und Tahin schmecken den Gästen aber auch.

Neue Horizonte. Der Schriftsteller Moritz Rinke.

© Kiepenheuer & Witsch Verlag

Die mit Pastrami und Käse gefüllten knusprigen Filoteig-Rollen darf man auch mit den Fingern essen, die dann so schön glänzen. Auch egal an diesem unerwartet fröhlich familiären Abend, an dem viele Vorsätze gefasst werden, demnächst mal wieder so nah beieinander zu genießen und zu diskutieren.

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