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Architektur der DDR bleibt: Die historische Mitte kommt nicht - mindestens bis 2030

Über die Zukunft der historischen Mitte von Berlin wird gestritten wie nie – doch eigentlich ist das vergebens. Senat und Bezirk schaffen längst Fakten: Bis 2030 darf am Rathausforum fast nichts angetastet werden.

Große Teile des historischen Zentrums Berlins dürfen mehr als eineinhalb Jahrzehnte gar nicht angetastet werden. Das „Umgestaltungsverbot“ betrifft nach Tagesspiegel-Recherchen das Umfeld des Fernsehturmes und auch der Marienkirche und gilt bis über das Jahr 2030 hinaus. Die teilweise heftig geführte Kontroverse darüber, ob die städtebauliche Brache gegenüber vom Roten Rathaus nach historischem Vorbild bebaut werden soll oder weitgehend in ihrem gegenwärtigen Erscheinungsbild erhalten bleibt, ist bis auf Weiteres entschieden.

Senat und Bezirk Mitte haben Fakten geschaffen: Weil die Haushaltskassen leer sind, setzen sie bei den Arbeiten zur Aufhübschung des Umfeldes von Fernsehturm und Marienkirche Fördermittel des Bundes ein. Dieser überweist dem Land rund zehn Millionen Euro, damit neue Bodenplatten gelegt, Sträucher abgeholzt, Sitzbänke gebaut, Hochbeete angelegt und historische Straßengrundrisse durch im Boden eingelassene Metallbänder sichtbar werden. Der „Förderung von Tourismus“ und „regionaler Infrastruktur“ soll das dienen. Und dem Senat hilft es nebenbei dabei, die Entscheidung über die Zukunft des historischen Zentrums noch einmal zu verschieben.

Die Senatsbaudirektorin hat keine Eile

Das könnte durchaus im Sinne von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher sein, die eine grundlegende Umgestaltung des Areals nicht als vorrangige Aufgabe ansieht und erst nach Druck der Öffentlichkeit ein „Kuratorium“ hierzu gebildet hat.

In die Debatte ums historische Zentrum hatte sich zuletzt der Chef der Stiftung Berliner Schloss Humboldtforum Manfred Rettig eingeschaltet, der in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel forderte, den zu DDR-Zeiten aufs Rathausforum umgesetzten „Schlossbrunnen“ zurück an seinen Platz vor das Schloss zu bringen. Auch SPD-Chef Jan Stöß meldete sich daraufhin zu Wort, der seit gut einem Jahr an der Spitze einer Bewegung aus der Berliner Bürgerschaft steht zur Wiederbelebung von Berlins historischer Mitte. Die Stiftung Zukunft des früheren Stadtentwicklungssenators Volker Hassemer sowie der stellvertretende CDU- Fraktionschef Stefan Evers fordern noch in dieser Legislaturperiode einen Ideenwettbewerb zum Stadtkern.

Doch das alles werden wohl nur Planspiele ohne Realitätsbezug bleiben, falls der Bezirk seine Verträge mit dem Bund nicht brechen will. Die für Förderanträge zuständige Senatsverwaltung für Wirtschaft sagte auf Anfrage, die beiden „Infrastrukturprojekte“ seien jeweils „zu 90 Prozent“ mit Bundesmitteln finanziert und damit gehe ein „Umgestaltungsverbot“ einher, das 15 Jahre gilt. Demnach darf das Gebiet am Fernsehturm, in das gut 5,6 Millionen Euro vom Bund fließen, bis zum Jahr 2030 nicht angetastet werden. Und für das Umfeld der Marienkirche, wo die Arbeiten in diesem Jahr erst richtig anlaufen, läuft „die Bindungsfrist der GRW-Mittel bis 2032“. Dafür fließen gut 4,2 Millionen Euro.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wollte sich nicht dazu äußern: Die Zuständigkeit liege beim Bezirk Mitte. Ihrer eigenen Website zufolge hatte die Verwaltung von Michael Müller (SPD) die Eingriffe im Umfeld der Marienkirche „im Jahr 2012 beschlossen“ sowie im Umfeld des Fernsehturms mit zwei städtebaulichen Verfahren eingeleitet. Mittes Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) spricht von einer „breit angelegten Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie für Wirtschaft“. Dass die Arbeiten eine Neuordnung des Rathausforums als Mittelpunkt des historischen Zentrums in weite Ferne rücken, sieht er gelassen: „Die Debatte um die historische Mitte wird nicht in dieser Legislaturperiode abgeschlossen – und mit ziemlicher Sicherheit auch nicht in der nächsten.“

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