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Droht die Verwaltungsreform zu kippen?: Berliner Linke wollen Änderung der Landesverfassung nicht mittragen
Neue Änderungen an den Gesetzentwürfen sorgen aus Sicht der Linken für neues Chaos. Kurz vor Abschluss droht der parteiübergreifenden Verwaltungsreform damit ein herber Rückschlag.
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Noch in diesem Jahr will Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) die Verwaltungsreform auf den Weg bringen. Nun aber droht dem aufwendigen Prozess kurz vor dem Abschluss ein herber Rückschlag. Die Linke könnte das Projekt kurzfristig verlassen.
Hintergrund sind geplante Änderungen der schwarz-roten Koalition an der Berliner Landesverfassung sowie neue Formulierungen in den aktuellen Gesetzesentwürfen für die Neuorganisation der Verwaltung. Sie könnten aus Sicht der Linken das ganze Verfahren zum Scheitern bringen.
„Es hat sich einiges zum Schlechteren verändert. Was in der letzten Spitzenrunde besprochen wurde, passt nicht mehr zu dem, was jetzt im Entwurf steht“, kritisierte Hendrikje Klein, Sprecherin für Personal und Verwaltung der Linke-Fraktion. Zuvor hatte der Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint berichtet.
Ein Knackpunkt aus Sicht der Oppositionspartei: Der Senat soll sein Eingriffsrecht gegenüber den Bezirken nicht mehr nur bei Themen nutzen können, die „dringende Gesamtinteressen“ Berlins betreffen, sondern bei allem, was „erhebliche Interessen Berlins“ betrifft. So steht es im Senatsentwurf zur Änderung der Landesverfassung, die dem Tagesspiegel vorliegt.
Das ganze Gesetz sollte zu weniger Pingpong führen. Aktuell sieht es so aus, als würde man damit nur noch mehr Durcheinander und Willkür schaffen.
Hendrikje Klein, Sprecherin für Personal und Verwaltung der Berliner Linke-Fraktion
Manchem dürften die Änderungen marginal erscheinen. Aus Sicht der Linken-Verwaltungsexpertin aber sorgen die Formulierungen dafür, dass der Senat sich künftig nach Gutdünken Themen der Bezirke annehmen könnte – oder eben auch nicht. „Das ganze Gesetz sollte zu weniger Pingpong führen. Aktuell sieht es so aus, als würde man damit nur noch mehr Durcheinander und Willkür schaffen.“ Dafür, sagte Klein, habe man die Reform nicht machen wollen. „Wir standen bis zum jetzigen Zeitpunkt dahinter. Nun sieht es so aus, als ob das auseinanderbricht.“
Spitzenrunde zur Verwaltungsreform tagt am Freitag
Auch die grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen Senat und Bezirken werde aus Sicht von Klein durch neue Formulierungsvorschläge der schwarz-roten Koalition im geplanten Landesorganisationsgesetz unklarer.
Dort heißt es unter anderem nun: „Gesamtstädtische Durchführungsaufgaben […] sind in der Regel Aufgaben, […] die wegen ihrer Bedeutung und Synergien überbezirkliche Wirkung oder stadtweite Ausstrahlung haben.“ Auch in der Verfassung soll es eine entsprechende Änderung geben. Laut Klein war in den überfraktionellen Runden von diesem Wortlaut zuvor nie die Rede. So wie die Linke sehen das nicht alle Beteiligten. Einigen Redebedarf an den aktuellen Entwürfen gibt es Tagesspiegel-Informationen zufolge jedoch auch in anderen Parteien. Öffentlich äußern wollten sich die Vertreter dazu jedoch nicht.
Für uns ist auf jeden Fall die Tür offen, um konstruktiv im Austausch zu sein und ergebnisoffen zu diskutieren.
Stephan Schmidt, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion
Noch in dieser Woche wird es dazu die nächsten Gespräche geben. Am Donnerstag kommen am Rande des Plenums die Berichterstatter der Fraktionen im Abgeordnetenhaus zusammen. Freitag tagt dann die Spitzenrunde auf Einladung von Kai Wegner im Roten Rathaus. Bereits davor dürften sich CDU, SPD, Grüne und Linke auf informeller Ebene beraten.
Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion Stephan Schmidt glaubt weiter an einen Erfolg. „Ich sehe nicht die Gefahr, dass wir uns auf den letzten Metern und nach all der konstruktiven Vorarbeit nun auseinanderdividieren“, sagte er dem Tagesspiegel. „Für uns ist auf jeden Fall die Tür offen, um konstruktiv im Austausch zu sein und ergebnisoffen zu diskutieren.“
Neben der Änderung des Eingriffsrechts und der Aufgabenverteilung sind noch weitere Verfassungsänderungen geplant, die jedoch deutlich weniger Konfliktpotenzial bergen. So soll der Senat Aufgaben in Zukunft auch per Rechtsverordnung an sich ziehen können – ein Gesetz wäre dann nicht zwingend notwendig.
Laut Entwurf sollen die Bezirke bei Gesetzen oder Verordnungen, die ihre eigene Verwaltung betreffen, zudem „frühzeitig“ – also bereits vor der Befassung im einmal monatlich stattfinden Rat der Bürgermeister – eingebunden werden. Die Einbindung der Bezirke soll von den jeweiligen Senatsfachverwaltungen sichergestellt werden.
Größere Bedeutung könnte die geplante verfassungsrechtliche Verankerung des sogenannten Konnexivitätsprinzips beikommen. Dieses besagt, vereinfacht gesagt, dass die Bezirke für jede neue Aufgabe, die ihnen übertragen wird, auch das notwendige Personal und die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden müssen. Theoretisch ist das zwar bereits heute so geregelt, viele Bezirke klagen jedoch, dass der Senat sich oft nicht daranhält.
Sollte das Prinzip Verfassungsrang erhalten, hätten die Bezirke einen größeren Hebel, entsprechendes Personal und Geld einzufordern. Die Verfassungsänderung soll dabei nur ein kleiner Teil einer größeren Reform der überaus komplexen Bezirksfinanzierung sein. Konkretere Vorschläge dazu werden jedoch erst im kommenden Jahr erwartet.
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