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Kurzes Duett. Dietmar Schwarz und Anne von Fallois begrüßen die Gäste.

© Deutsche Oper/CHLietzmann

Eine Berliner Gala geht auf Diät: Aids-Stiftung feiert festliche Opernnacht mit neuem Konzept

Die Aids-Stiftung zelebrierte eine Opernnacht der besonderen Art: Mit begeisterndem Bühnenprogramm und neuem Party-Konzept der Vorstandsvorsitzenden der Stiftung, Anne von Fallois.

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Alles neu bei einer Institution des gesellschaftlichen Lebens. Statt großer Gala bis zum Morgen gibt es diesmal am ersten Novemberwochenende in der Deutschen Oper eine „Festliche Opernnacht“ zugunsten der Deutschen Aids-Stiftung. Und die endet um Schlag Mitternacht ohne Bühnendinner, Tombola und schwere Geschenketüten zum Abschied.

Wer das gewöhnungsbedürftig findet, wird zunächst mal reichlich entschädigt, mit einem besonders schönen Arienprogramm, kurzen, knackigen Reden und dem Verzicht auf endlos lange Scheckübergaben.

Temperamentvoll, lustig, stimmgewaltig: Moderator Rolando Villazon.

© Deutsche Oper/CHLietzmann

Moderator Rolando Villazon zeigt sich in Top-Form, stellt sein komödiantisches Talent so wenig unter den Scheffel wie den kreativen Umgang mit Akkusativ und Dativ, um im nächsten Moment mit ungeheurer Stimmgewalt „Amor, vida de mi vida“ eine kollektive Gänsehaut aufs Publikum zu zaubern.

Countertentor Nils Wanderer interpretiert „St. Petersburg“

Dass große Operngefühle nicht notgedrungen mit tödlichem Ernst auf die Bühne kommen müssen, zeigen auch andere Solisten, wie die junge, bereits vielfach ausgezeichnete spanische Sopranistin Serena Sáenz. Ihr gelingt es, auch dank darstellerischer Stärke, die altvertraute Jacques-Offenbach-Arie „Les oiseaux dans la charmille“, in ein völlig neues Erlebnis zu verwandeln.

Starker Auftritt: die spanische Sopranistin Serena Sáenz.

© Deutsche Oper/CHLietzmann

Die italienische Sopranistin Martina Russomanno verlangt mit der Rossini-Arie „Bel raggio lusinghier“ ihrer Stimme große Akrobatik ab und wirkt, ein aparter Kontrast, dennoch cool dabei. Überraschungselemente werden mit stürmischem Beifall und Bravo-Rufen honoriert.

Dazu zählt das für die Deutsche Aids-Stiftung gemeinsam mit Peter Plate geschriebene, von Countertentor Nils Wanderer mit tänzerischer Untermalung selbst vorgetragene „St. Petersburg“.

Kunst ist die Seele von unserer Gesellschaft.

Rolando Villazon, Moderator

Das von den Brüdern Pene und Amitai Pati unvergleichlich in Szene gesetzte Lied der Maori „A Te Tarakihi“ gehört zu den Höhepunkten des Abends. Er habe sich sehr gefreut, diesen Moment hier zu erleben, sagt Rolando Villazon und fügt Richtung Berliner Politiker hinzu: „Kunst ist die Seele von unserer Gesellschaft. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Unterstützung von euch.“

Alle Künstler treten für die gute Sache auf. Intendant Dietmar Schwarz und die neue Vorstandsvorsitzende der Aids-Stiftung, Anne von Fallois, begrüßen die Gäste mit Ehrenbürgerin Margot Friedländer an der Spitze zeitsparend im Duett. Sie unterstreichen die große Dringlichkeit, die der Kampf gegen die Stigmatisierung Erkrankter immer noch habe und wie wichtig es sei, ein kraftvolles Zeichen gegen die Ausgrenzung zu setzen.

Annie Lennox gewinnt den „World Without Aids Award“

Finanzsenator Stefan Evers vertritt den Schirmherren und Regierenden Bürgermeister Kai Wegner und erinnert daran, was für ein Tabu Aids darstellte, als die Operngala 1994 erstmals über die Bühne ging. „Diese Gala hat sich zu einem bundesweiten Leuchtturm unter den Benefizveranstaltungen entwickelt.“

Die südafrikanische Sopranistin Golda Schultz unterstreicht, wie wichtig für ihre Landsleute der Zugang zu Therapien und Medikamenten ist. Und der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn hält eine Laudatio auf die per Video zugeschaltete Sängerin Annie Lennox, die den „World Without Aids Award“ erhält für ihren großen Einsatz gegen die Krankheit im südlichen Afrika. Stehende Ovationen am Schluss.

Sesam-Lachs und Getränke aus dem eigenen KPM-Becher

Und dann folgt der neue zweite Teil. Im 2. Stock ist eine Lounge-Landschaft errichtet worden, in der sich VIPs, wie Heike von Joest, Sigrid Nikutta, Lisa Paus, Annabelle Mandeng und Pyronale-Chef Mario Hempel unterhalten. Es gibt eigene Ecken für Sponsoren und auch Medienpartner Tagesspiegel. Die Zahl der Ehrengäste wurde deutlich verkleinert.

Event-Expertin Sabine Clausecker hat diesmal bei der Organisation geholfen. Die Künstler sind ebenfalls gekommen. Im Rahmen eines fliegenden Buffets werden unter anderem Sesam-Lachs, Kalbsbäckchen und vegane Schoko-Brownie-Pralinen serviert, dazu Getränke, die KPM-Chef Jörg Woltmann, wie immer, aus dem eigenen Porzellanbecher zu sich nimmt.

Lieblingsessen Currywurst und Crémant

Anderswo im Haus haben sich Gäste bereits vorab ein Gedeck aus Würstchen und Wein bestellt. Im ersten Stock kann man direkt neben der von Anfang an intensiv genutzten Tanzfläche Currywurst und Crémant erwerben, den beliebten Klassiker unter den Berliner Festessen. Bühnenführungen werden ebenfalls angeboten.

Erklärt die Kulissen. Lernen statt speisen auf der Opernbühne mit Guide Jörg Riekert.

© Elisabeth Binder

Während Guide Jörg Riekert mit großer Sachkenntnis die Kulissen verschiedener Inszenierungen erläutert, sind die Arbeiter noch mit dem Abbau beschäftigt. Bei dem Anblick wird klar, was für eine riesige logistische Anstrengung es gewesen sein muss, nach dem Bühnenprogramm hierher zum gesetzten Dinner mit anschließendem Tanz zu laden, und wieso das manchmal auch dauerte, bis es losgehen konnte, erst recht, bis dann auch noch die Tombola-Gewinner feststanden.

Paulchen Panther schickt die Gäste vonn der Tanzfläche

Immerhin rund neun Millionen Euro sind zusammengekommen in 30 Jahren. Vielleicht hätte die Gala ihre Ziele nie erreicht, wenn sie von Anfang an eher nach dem Motto „pragmatisch, praktisch, gut“ organisiert worden wäre. Aber in einer Zeit, in der Sponsoren sich rarmachen, das gesellschaftliche Klima kälter und die Zeit kostbarer wird, wird die abgespeckte Variante gern angenommen.

Man muss nicht bis in die Puppen bleiben. Früher sei es bis 6 Uhr gegangen, erzählt die Garderobenfrau, und dass es sie immer geärgert habe, dass die Leute sich ihre Teller so vollgeladen und dann einfach irgendwo abgestellt hätten. „Das Geld gibt man doch besser den Kranken.“

Der ursprünglich strenge Dresscode Smoking, langes Abendkleid wird auch nur noch vereinzelt eingehalten. Dazwischen graue Jacketts bei den Herren, kurze Röcke oder Hosen bei den Damen.

Spannend bleibt, bis zum Aschenputtel-Gong, wie Anne von Fallois das nennt, wie man die Tanzfläche um Mitternacht pünktlich leert. Die Antwort ist verblüffend einfach. Statt nochmal „YMCA“ oder „It’s Raining Men“ aufzulegen, greift man tief in die Zeichentrickkiste. Paulchen Panthers „Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät?“, lässt keinen Zweifel offen. Nächstes Jahr wissen das dann vielleicht auch die Taxifahrer, die zunächst nur sehr tröpfelnd eintreffen.  

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