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Eine Gerichtsverhandlung und eine Beschwerde: Für den Berliner Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar kommt die Woche der Entscheidung
Mutmaßlich grenzverletzendes Verhalten bei den Grünen ist jetzt ein Fall für die Justiz. Das Landgericht Hamburg klärt, inwiefern betroffene Frauen über ihr Erleben mit Gelbhaar sprechen dürfen.
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Im Streit um die Vorwürfe grenzverletzenden Verhaltens gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar kommt es zum Showdown. Am Freitag, 12 Uhr, tagt in Saal B 335 des Landgerichts Hamburg die Pressekammer – ein Grüner, 49 Jahre alt, gegen eine Grüne, 25 Jahre alt.
Während die Parteizentrale noch immer kein Ergebnis ihrer Aufklärungskommission vorlegen kann, werden nun in einem öffentlichen Prozess zentrale Fragen verhandelt: Was haben Frauen in der Partei mit Gelbhaar erlebt? Inwieweit können sie darüber öffentlich sprechen, zumal, wenn es nicht um Straftaten geht? Und die politische Komponente: Zur Verhandlung kommt es auch, weil die Grünen es selbst nicht geschafft haben, die seit Dezember bekannten Vorwürfe adäquat anzugehen.
Gelbhaar hat am Landgericht mehrere Verfahren zu laufen. Am Freitag wird sein Unterlassungsantrag gegen seine Parteikollegin Klara Schedlich, die Mitglied des Abgeordnetenhauses ist, verhandelt. Sie hatte Widerspruch gegen die Entscheidung der Kammer eingelegt. Denn die hatte ihr Mitte März, auf Gelbhaars Eilantrag hin, mehrere Aussagen untersagt.

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Dabei geht es um Inhalte einer eidesstattlichen Versicherung, die Schedlich dem RBB gegeben hatte. Der Sender hatte Ende Dezember über angebliche Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar berichtet – auch auf Grundlage einer gefälschten eidesstattlichen Erklärung mit erfundener Identität einer Bezirkspolitikerin.
Danach entzog der Kreisverband Pankow Gelbhaar die Kandidatur für das Direktmandat im Bundestag. Zuvor hatte er auf Druck der Parteispitze auch auf eine Kandidatur für die Landesliste verzichtet. Doch er kämpfte weiter gegen die Vorwürfe an. Vom RBB verlangt er eine Entschädigung in Höhe von 1,7 Millionen Euro. Der Sender löschte seinen Beitrag wegen schwerer journalistischer Fehler. Zudem verbot das Landgericht Hamburg im Januar, die Vorwürfe zu wiederholen – auch jene von Schedlich. Danach ging Gelbhaar gegen die Parteikollegin vor.
Untersagt wurden ihr Aussagen zu nächtlichen Nachrichten, Kommentaren zu ihrem Aussehen und Gelbhaars angeblichen Versuch, sie auf einen Kaffee treffen zu wollen. Das Gericht meinte, dass sich beide längere Zeit Direktnachrichten geschrieben hätten. Es sei keine einseitige, von Gelbhaar ausgehende Kommunikation gewesen.
Bei anderen Aussagen entschied das Gericht nicht, ob sie unwahr sind, ob Gelbhaar oder Schedlich glaubhafter ist – es fehlten Belege. Es ging um Schmeicheleien – er könne sich auf der Arbeit in ihrer Anwesenheit nicht konzentrieren –, angebliche Berührungen an Arm und Rücken, eine angebliche Einladung in eine Wohnung – oder dass Schedlich die Situationen unangenehm gewesen seien.

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Schedlichs Anwältin, Rebecca Richter, kritisierte, dass das Gericht Angaben anderer Personen, die die Konsistenz der Aussagen der Abgeordneten bestätigten, nicht beachtet habe. Auch habe das Gericht den Hergang falsch dargestellt. So hieß es im Beschluss der Kammer, dass Gelbhaar im Februar 2020 ein Selfie in einer Instagram-Story von Schedlich in einem Chat mit den Worten „Wasn Lächeln“ nebst Smiley kommentiert habe. Das habe Schedlich im Chat mit einem Herz und dem Emoji eines sich die Augen zuhaltenden Affen kommentiert.
Gelbhaar wehrt sich gegen Niederlage gegen die „SZ“
Das treffe nicht zu, sagte Richter. Nicht ein Herz, sondern das Emoji einer Frau, die die Hände über den Kopf zusammenschlägt, habe sie gesendet, also eine „peinlich berührte oder verlegene Antwort“. Die habe Gelbhaar dann mit einem Herz geliked. Die Kommunikation sei nicht wechselseitig gewesen, Schedlich habe Gelbhaars grenzüberschreitenden Kommentare nicht bejaht.
Dieselbe Kammer hat Mitte April einen weiteren Eilantrag Gelbhaars größtenteils abgewiesen. Der richtete sich gegen die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“), die sich auch auf Schedlich berufen hatte. Gelbhaar legte gegen den Beschluss Beschwerde ein, nun muss das Hanseatische Oberlandesgericht entscheiden.
Die „SZ“ hatte im März in einer „Chronologie eines Grenzfalls“ über die Erlebnisse mehrerer Frauen mit dem Grünen-Politiker in der Zeit von 2008 bis 2024 berichtet. Dabei soll es um unangemessene Berührungen, Direktnachrichten in den sozialen Medien und Flirts gegangen sein, die die Frauen als bedrängend empfunden haben sollen.
Das Gericht gab Gelbhaar nur in zwei nebensächlichen Details recht, zu acht Neunteln verlor er. Die „SZ“ habe den „Verdacht eines grenzüberschreitenden und übergriffigen Verhaltens (…) gegenüber einer Mehrzahl jüngerer Frauen in zulässiger Weise verbreitet“, entschieden die Richter.
Schedlich hatte in der „SZ“ Gelbhaars Darstellung, sie hätten ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt, widersprochen: Sie sei damals mit 18, 19 Jahren stark verunsichert gewesen und habe sich unwohl gefühlt. Das hat das Gericht im „SZ“-Fall nicht beanstandet.
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