
© Monika Skolimowska/dpa
Erste Folge der BVG-Krise : Betriebsvorstand Rolf Erfurt verlässt Berliner Verkehrsbetriebe
Hoher Krankenstand, kaputte Züge und immer wieder Ausfälle: Die BVG steckt in der Krise. Nun geht Betriebsmanager Rolf Erfurt. Das steckt hinter dem Abgang.
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Die Krise bei den Berliner Verkehrsbetrieben fordert erste personelle Konsequenzen. BVG-Betriebsvorstand Rolf Erfurt verlässt das Unternehmen zum Jahresende.
Die Trennung erfolge „im besten gegenseitigen Einvernehmen“, teilte die BVG am Freitagmorgen mit. Doch schon der nächste Satz legt nahe, dass es in der Führung der BVG zu Differenzen zwischen dem seit Jahresbeginn amtierenden Vorstandsvorsitzenden Henrik Falk und Erfurt gekommen ist. Demnach habe es „unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens“ gegeben.
Bis eine Nachfolge für Erfurt gefunden ist, wird Falk das Betriebsressort interimistisch übernehmen, teilte die BVG mit. Und genau damit werde sich Falk hoffnungslos übernehmen, ist Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb überzeugt. Erfurt verlasse die BVG zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt, sagte Wieseke. Bis ein Nachfolger gefunden sei, werden Monate vergehen – und dieser müsse sich dann erst einarbeiten.
In der BVG galt der Manager als entscheidungsschwach
Erfurt hatte 2019 das Amt des Betriebsvorstands bei der BVG übernommen und interimsmäßig das Unternehmen geleitet, bis Eva Kreienkamp den Vorstandsvorsitz übernahm. Erfurt, der bereits zuvor im Bahnsektor tätig war, werden detaillierte Kenntnisse im Bereich der Fahrzeugflotte nachgesagt. Vor einigen Jahren machte er selbst den Busführerschein, auch um besser nachvollziehen zu können, was aus Fahrersicht bei einer Neubeschaffung der Fahrzeuge wichtig ist.
Sein letzter Eintrag im Personalnetzwerk Linkedin zeigt ihn am Donnerstag vor einem neu gelieferten Bus. Erfurt schrieb dazu: „Der erste unserer bis zu 350 neuen Solaris-Gelenkbusse ist da.“
Die kleine Einschränkung „bis zu 350“ zeigt überdeutlich eines der vielen Probleme, die die BVG derzeit hat. Offiziell wird immer noch verkündet, dass das Verkehrsunternehmen bis 2030 den gesamten Bus-Fuhrpark auf E-Antriebe umstellen wird.
Doch das ist schon lange nicht mehr zu schaffen. Bei der letzten Bestellung im Dezember wurde nur die mit dem Hersteller vereinbarte Mindestbestellmenge von 50 Fahrzeugen geordert. Für mehr fehlt der Platz, der Bau der dringend erforderlichen speziellen Betriebshöfe kommt nicht voran. Und was macht die Politik? Sie nahm der BVG das für den Kauf neuer Elektrobusse zugesicherte Geld wieder weg.
Und das ist nur eines von vielen Problemen. Die BVG steckt seit vielen Jahren in der Krise. Wegen fehlender Fahrer und zu hohem Krankenstand wurden in den vergangenen Jahren zunächst die Fahrpläne im Busverkehr eingeschränkt. In diesem Jahr verschlechterte sich auch die Lage bei der U-Bahn deutlich. Seit Monaten kämpft die BVG mit Ausfällen und Verspätungen.
Hinzu kommt ein völlig veraltetes Fahrgastinformationssystem, das die Ausfälle nicht anzeigen kann.
Er ist ein Techniker, kein Manager.
heißt es aus Unternehmenskreisen zum Abgang von Rolf Erfurt
Um die Probleme einzudämmen und wieder für mehr Stabilität zu sorgen, reduzierte das Unternehmen Anfang September den Fahrplan auf mehreren Linien. Neben fehlenden Fahrzeugen macht der BVG vor allem die angespannte Personallage zu schaffen. Die Personaldecke ist dünn, hinzu kamen zuletzt extrem hohe Krankenstände bei den Fahrern.
Vergeblich wartet die BVG seit etwa 20 Jahren auf mehr Busspuren und Bevorrechtigungen der Tram an Ampeln. Die Fahrzeuge werden immer langsamer, dies bindet immens viel Personal.
Erfurt versuchte, nah am Personal dran zu sein. Regelmäßig machte er abends Touren über die Betriebshöfe, auch um gegenüber den Mitarbeitern seine Wertschätzung auszudrücken. Jedoch soll es bei der Personalführung unter ihm immer wieder Probleme gegeben haben. Innerhalb der BVG galt Erfurt als entscheidungsschwach. „Er ist ein Techniker, kein Manager“, hieß es aus Unternehmenskreisen.
Auf die derzeitigen Probleme bei der BVG habe er keine adäquaten Lösungen gehabt. Es gebe Probleme bei der Kultur im Unternehmen und der Wertschätzung für Mitarbeiter, hatte Vorstandschef Falk am Mittwoch vor den Abgeordneten gesagt. „Da muss sich was ändern.“
„Wir sind im Gesamtsystem BVG nicht stabil“, beschrieb Vorstandschef Falk die Lage am Mittwoch im Verkehrsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Erst in den kommenden Jahren werde sich die Lage mit der Auslieferung der ersten Neufahrzeuge wieder bessern. Eine Erweiterung des Angebots sei allerdings bis 2027 nicht möglich.
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