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Polizei in der Rigaer Straße

© imago images/A. Friedrichs/Andreas Friedrichs via www.imago-images.de

Extreme Rechte will nach Berlin-Friedrichshain: Großes linkes Bündnis ruft zu Blockaden auf

Ein rechtsradikales Bündnis will am Sonnabend gegen „täglichen Linksextremismus“ durch Friedrichshain ziehen. Mobilisiert wird allerdings mit einem Foto der amerikanischen Antifa.

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Nach dem Großeinsatz der Berliner Polizei am Rande einer Flüssiggas-Konferenz im Hotel Adlon und Klimaprotesten stehen die Einsatzkräfte am Wochenende vor der nächsten Herausforderung. Ein rechtsradikales Bündnis ruft für diesen Sonnabend zu einer Demonstration durch den traditionell alternativ geprägten Stadtteil Friedrichshain auf.

Ursprünglich verlief die Route des rechten Protests auch durch die bekannte Rigaer Straße, doch die Strecke wurde nach polizeilicher Empfehlung mehrmals verändert.

Stattdessen wird die Demonstration um 13 Uhr am Bahnhof Ostkreuz beginnen. Sie soll über Neue Bahnhofstraße, Gürtelstraße und Frankfurter Allee zum Bahnhof Lichtenberg ziehen.

Hinter der Anmeldung steckt das neu gegründete „Aktionsbündnis Berlin“, das sich auf Tagesspiegel-Anfrage vom Rechtsextremismus distanziert, gleichzeitig jedoch Verbindungen zu extrem rechten Akteuren aufweist.

Mobilisiert wird unter dem Motto „Für Recht und Ordnung: gegen Linksextremismus und politisch motivierte Gewalt“, angekündigt sind Reden des ehemaligen Aachener AfD-Politikers Serhat Sentürk und des extrem rechten Influencers „Der Fürst“. Sentürk galt schon länger als schillernde Figur im Aachener Kreisverband der AfD, bis ihn die Partei mit einem Parteiausschlussverfahren belegte. Der Kommunalpolitiker soll gegen „Grundsätze der AfD“ verstoßen haben, hieß es von der Alternative.

Neue Partei „BAD“ in Gründung

Nachdem es Anfang Dezember am Rande einer Sitzung des Aachener Kreisverbandes zu einem Handgemenge zwischen Sentürk und Security-Kräften gekommen war, kam er dem drohenden Ausschluss zuvor und trat aus der Partei aus. Nun kündigte er an, eine eigene Partei unter dem Namen „Bürgerliche Allianz für Deutschland“ (BAD) gründen zu wollen.

Neben Sentürk steht auch Jannik Giese hinter der rechten Anmeldung am Sonnabend. Giese nahm im Oktober an einer Neonazi-Demonstration in Berlin-Marzahn der neu entstanden Gruppen „Jung und Stark“ (JS) und „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) teil und fungiert jetzt offenbar als Sprecher des „Aktionsbündnis Berlin“.

Neonazis bei der Demonstration in Berlin Marzahn-Hellersdorf im Oktober

© Julius Geiler

Der „Berliner Morgenpost“ sagte Giese, der Besuch der Marzahner Demonstration sei nur aus Gründen der Beobachtung erfolgt. Sie sei ihm schließlich „deutlich zu radikal“ gewesen. Zugleich zeigt ihn jedoch ein Foto auf ebendieser Demonstration mit dem sogenannten „White Power“-Zeichen, einem rechtsextremen Symbol für die angebliche Überlegenheit der „weißen Rasse“.

Mit jungen, im Sommer entstandenen Neonazi-Gruppen wie „JS“ und „DJV“, die im Oktober von einer größeren Razzia betroffen waren, habe die Demonstration am Sonnabend nichts zu tun, betonte Giese auf Anfrage. Nach Recherchen des Tagesspiegels rufen jedoch mehrere Mitglieder beider Organisationen via Social Media zum Protest in Friedrichshain auf. Gleichzeitig sorgte der Protest für internen Streit bei „Deutsche Jugend Voran“ und „Jung und Stark“.

Interne Unstimmigkeiten in Neonazi-Gruppen

Die Anmelder der Friedrichshainer Demonstration, das „Aktionsbündnis Berlin“, bat die Neonazi-Organisationen offenbar darum, ihren Protest auf Social Media zu bewerben, äußerte gleichzeitig jedoch den Wunsch, dass deren Mitglieder wegen der Außendarstellung nicht in „DJV“- oder „JS“-Kleidung am Zug teilnehmen.

Mindestens ebenso kompliziert ist das Verhältnis der Veranstalter zur AfD. „Einige unserer Mitglieder sind zwar Teil der Jungen Alternative und der AfD, jedoch haben wir nichts mit ihnen zu tun“, heißt es vom „Aktionsbündnis Berlin“. Doch auch der AfD-Politiker Matthias Helferich teilte einen Aufruf zu der Demonstration auf Social Media. Gegen Helferich wurde wegen rechtsextremer Aussagen ebenfalls ein Parteiausschlussverfahren beantragt, einst bezeichnete er sich als „das freundliche Gesicht des NS“.

Um Distanzierung bemüht

Währenddessen ist die Berliner AfD um Distanzierung zur Demonstration bemüht. „Keine Gliederung von Berliner AfD oder JA beteiligt sich daran“, sagte Berlins AfD-Sprecher Ronald Gläser dem Tagesspiegel. Es handele sich um keine AfD-Veranstaltung.

Auch überregional ist keine Mobilisierung nach Berlin auszumachen, ob die angemeldeten 500 rechten Demonstranten tatsächlich zusammenkommen, ist mehr als fraglich.

Der Grund der Demonstration durch Berlin-Friedrichshain sei, laut Sprecher Giese, der gesamtdeutsche Linksextremismus, den man „täglich merkt“. Mobilisiert wird mit einem Foto einer Antifa-Demonstration, auf dem im Vordergrund brennende Mülltonnen zu sehen sind. Auf mehrmalige Nachfrage bestätigte Giese schließlich, dass das Foto nicht in Berlin aufgenommen wurde, sondern eine Demonstration im amerikanischen Bundesstaat Washington im Jahr 2021 zeigt. Dort kam es damals zu Protesten, weil ein Polizeiauto in eine Menge gefahren war und Personen verletzt hatte. Mit Berlin-Friedrichshain hat das Ereignis nichts zu tun.

Sehr viel wahrscheinlicher ist unterdessen eine vierstellige Anzahl von Teilnehmern bei zahlreichen geplanten antifaschistischen Gegendemonstrationen, die sich gegen den rechten Protestzug richten. Laut Versammlungsbehörde wurden bereits über zwölf Kundgebungen an verschiedenen Orten in Friedrichshain angemeldet. Ein großes linkes Bündnis ruft zu Blockaden der Route auf.

Durchaus bemerkenswert dabei ist, dass sich verschiedene linke Initiativen und Organisationen über ideologische Grenzen hinweg zusammengeschlossen haben, die in den vergangenen Jahren vor allem wegen Differenzen in puncto Nahostkonflikt wenig miteinander zu tun hatten. „Dies sei jetzt schon ein Erfolg“, sagte Bündnissprecher René Schuhmann der „taz“.

Eine linke Zubringer-Demonstration wird bereits um 11 Uhr am Bahnhof Schlesisches Tor beginnen und von dort nach Friedrichshain ziehen. Weitere Kundgebungen sind unter anderem im Bereich um das Ostkreuz angemeldet. Dort dürfte es am Sonnabend nicht nur aus politischen Gründen voll werden. Um 15.30 Uhr empfängt Union Berlin den VfL Bochum in Köpenick, die Anreiseroute vieler Heim- und Gästefans dürfte erfahrungsgemäß ebenfalls über das Ostkreuz verlaufen. (mit ath)

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