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Eine Montage zeigt Stefan Gelbhaar neben Klara Schedlich.

© Montage: Tagesspiegel | Villwock, dpa/Michael Kappeler

Fall Gelbhaar: Berliner Grünen-Abgeordnete wehrt sich vor Gericht gegen Parteikollegen

Der Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar steht vor einem Polit-Comeback, seinen Fall hält er für aufgeklärt. Doch die Abgeordnete Klara Schedlich kämpft weiter darum, von ihren Erlebnissen berichten zu dürfen.

Stand:

Den Berliner Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar drängt es zurück auf die politische Bühne. Am Sonnabend will Gelbhaar sich von den Mitgliedern des Pankower Bezirksverbands zum Direktkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl 2026 bestimmen lassen. Er tritt an gegen eine Frau, die sich vor ihm um die Direktkandidatur im Pankower Wahlkreis 6 beworben hat.

Sollten ihn die Mitglieder nominieren, wäre das nach der Affäre um erfundene und gefälschte Belästigungsvorwürfe, falsche Berichte des RBB sowie um seine darüber geplatzte Kandidatur für den Bundestag ein entscheidender Schritt für ein Comeback auf der politischen Bühne. Zumal das Direktmandat in diesem Wahlkreis für die Grünen seit fast zwei Jahrzehnten eine sichere Bank ist.

Doch es gibt weiter Vorwürfe mehrerer Frauen über grenzverletzendes Verhalten des Politikers.

Was Gelbhaar zu seiner Kandidatur, zu den Vorwürfen und Vorgängen jüngst in einem Interview sagte, erzürnt nicht wenige Frauen bei den Grünen in Pankow. „Die Vorgänge sind aufgeklärt, die gerichtlichen Entscheidungen gegen einzelne Medien wegen falscher Verdächtigungen als auch gegen ein Mitglied wegen falscher Behauptungen waren da sehr klar“, sagte Gelbhaar der „Berliner Morgenpost“.

Seine Anwälte verbreiteten, Gelbhaar sei „in weiten Teilen rehabilitiert“. Seine Kandidatur sei „ein Angebot, Gespräche zu führen, in Ruhe aufzuarbeiten und zu heilen“.

Vor dem Oberlandesgericht könnte bald erneut verhandelt werden

Tatsächlich ist nicht alles aufgeklärt. Eine von der Bundespartei eingesetzte Kommission befand, die Verfahren der Ombudsstelle der Partei zu Beschwerden von Frauen über Gelbhaar seien wegen Fehlern so beschädigt, dass sie nicht weitergeführt werden könnten.

Es ist ein Muster, wie er sich verhält.

Die Anwältin der Grünen-Politikerin Klara Schedlich über Stefan Gelbhaar

Auch das Verfahren, das Gelbhaar gegen seine Parteikollegin führte, die Berliner Abgeordnete Klara Schedlich, ist nicht erledigt. Das Landgericht Hamburg untersagte ihr nach einer Verhandlung im Mai Aussagen aus ihrer eidesstattlichen Versicherung, die sie dem RBB gegeben hatte und in der sie grenzverletzendes Verhalten durch Gelbhaar schilderte. Dagegen legte Schedlich nun Berufung ein, wie eine Gerichtssprecherin erklärte. Schedlich wollte sich nicht dazu äußern.

Vor dem Oberlandesgericht könnte also bald erneut öffentlich verhandelt werden. Teil des Verfahrens sind eidesstattliche Versicherungen mehrerer weiterer Frauen. Es gehe nicht um Einzelfälle bei Gelbhaar, sagte Schedlichs Anwältin im ersten Prozess. „Es ist ein Muster, wie er sich verhält.“

Auch gegen die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) und ihre „Chronologie eines Grenzfalls“ prozessierte Gelbhaar durch zwei Instanzen. Am Ende untersagte das Oberlandesgericht Hamburg der SZ acht von 17 beklagten Passagen, meist wegen Widersprüchen, weil Gelbhaar nicht ausreichend konfrontiert wurde oder die Darstellung unvollständig war. Doch es bleibt eine in weiten Teilen zulässige Verdachtsberichterstattung über die Erfahrungen von acht Frauen mit wohl grenzverletzendem Verhalten.

Nach der Gerichtsentscheidung ist bis auf Weiteres die Verdachtsberichterstattung der SZ insofern zulässig, wenn das Blatt dies schreibt: Die geschilderten Erfahrungen der betroffenen Frauen „berühren Fragen von ungleicher Macht, Status und Einfluss und beschreiben, sofern sie zutreffen, ein Verhalten, das heute in vielen Unternehmen wohl die Compliance-Abteilung beschäftigen dürfte: Junge weibliche Grüne anflirten, ihnen Komplimente machen, bis manche sich bedrängt fühlen“.

Die „SZ“ darf laut der Gerichtsentscheidung vorerst auch verbreiten, dass acht Frauen „von eigenen Begegnungen mit dem Politiker berichtet“ haben, „die sie als unangenehm und vor allem unangemessen empfunden haben“. Und zwar „Annäherungen, die nicht einvernehmlich, sondern einseitig“ waren. Und dass er „eine Zeugin auf einer Party bei einem Bierpong-Spiel mit beiden Händen an der Hüfte zu sich gezogen und ihre Hand festgehalten“ haben soll.

Mehrere Frauen, die von den Verfahren betroffen sind, sagten dem Tagesspiegel, Gelbhaar habe entgegen seines per Interview geäußerten Wunsches bislang nicht das Gespräch mit ihnen gesucht, um die Erlebnisse aufzuarbeiten.

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