zum Hauptinhalt
Iris Spranger (SPD) ist Innensenatorin in Berlin.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Update

Forderung nach Abschiebezentren in Berlin: Innensenatorin Spranger wirft CDU „Wahlkampfgetöse“ vor

Der CDU-Innenexperte Burkard Dregger fordert „Abschiebezentren“ für Berlin – und stellt sich damit gegen die aktuelle Politik des Senats. Die Innensenatorin kritisiert den Vorstoß.

Stand:

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat der Forderung der CDU-Fraktion nach Einrichtung eines Ausreisegewahrsams in Berlin eine Absage erteilt. „Das ist Wahlkampfgetöse von Herrn Dregger“, sagte sie mit Blick auf die Forderung des CDU-Innenexperten Burkhard Dregger, der die Errichtung von Abschiebezentren in Berlin gefordert und sich damit gegen die aktuelle Politik des Senats gestellt hatte.

Die Innenverwaltung hatte bereits Ende Januar mitgeteilt, dass es derzeit keine konkreten Überlegungen gebe, einen neuen Abschiebegewahrsam auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel oder an einem anderen Ort in Berlin einzurichten. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hatte im Dezember den ehemaligen Flughafen Tegel als Standort vorgeschlagen.

Innensenatorin Spranger verwies auf Gespräche im Senat zu einem von ihr im September vorgelegten Fünf-Punkte-Plan zur konsequenten Durchführung von Abschiebungsmaßnahmen. Dieser sieht unter anderem vor, dass die Anwesenheitskontrolle von vollziehbar Ausreisepflichtigen in den Unterkünften gesichert werden muss und eine Meldepflicht für Ausreisepflichtige eingeführt werden soll.

Burkard Dregger ist innenpolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion.

© dpa/Fabian Sommer

CDU-Politiker Dregger hatte zuvor die Einrichtung von Abschiebezentren gefordert: „Der Gesetzgeber gibt uns das Mittel des Ausreisegewahrsams an die Hand und es ist an der Zeit, dass wir hier die nächsten Schritte gehen“, sagte er dem Tagesspiegel.

Abschiebehaft normalerweise nur für Straftäter

Bislang werden die Instrumente der Abschiebehaft und des Ausreisegewahrsams in Berlin in der Regel nur für schwere Straftäter und Gefährder angewendet, nicht für Menschen, die ausreisepflichtig sind, aber keinerlei Straftat begangen haben. Darauf hatten sich CDU und SPD auch in ihrem Koalitionsvertrag verabredet. „Die Koalition wird Abschiebehaft und -gewahrsam nur dort nutzen, wo diese Maßnahmen wegen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit notwendig sind“, heißt es dort.

Dregger hatte zuerst im RBB Zentren für den „Abschiebegewahrsam“ gefordert. Dort könnten Menschen unmittelbar vor ihrer Abschiebung festgehalten werden. Mögliche Standorte oder die gewünschte Größenordnung für einen Ausreisegewahrsam nannte der CDU-Politiker jedoch nicht. Was ein geeigneter Standort sei, müsse der Senat mithilfe von Prüfaufträgen ermitteln, sagte er. Gefragt nach dem Zeitplan sagte Dregger, es sei nicht realistisch, dass die Einrichtung solcher Zentren dieses Jahr passiere – es gehe darum, den Prozess anzustoßen.

Laut Gesetz darf der Gewahrsam nur „im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft, von der aus die Ausreise des Ausländers möglich ist“ erfolgen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt den Vorstoß zu einem Abschiebezentrum, machte aber deutlich, dass ohne Personal nicht mehr Abschiebungen durchgeführt werden können.

Berlins Abschiebehaftanstalt mit zehn Plätzen wird aktuell saniert. In der Justizvollzugsanstalt Tegel stünden bedarfsorientiert Haftplätze zur Verfügung, sagte eine Sprecherin der Innenverwaltung.

2250
Menschen in Berlin sind vollziehbar ausreisepflichtig.

„Wir schieben eine große Zahl von über 16.000 Ausreisepflichtigen vor uns her und wir schaffen es mit den bisherigen Mitteln nicht, diese Zahl substanziell zu reduzieren“, sagte Dregger als Begründung für seinen Vorstoß.

Allerdings haben von den knapp 16.800 Menschen ohne Aufenthaltsstatus in Berlin nach Angaben der Innenverwaltung rund 14.000 eine Duldung, ihre Abschiebung ist also ausgesetzt. Das betrifft etwa Menschen, die hier eine Ausbildung machen, einer Arbeit nachgehen oder die aus gesundheitlichen Gründen nicht das Land verlassen können. Demnach gibt es in Berlin 2250 Menschen, die akut ausreisepflichtig sind.

Abschiebungen scheitern an den Herkunftsländern

„Ich kann kein Vollzugsdefizit sehen, was die Abschiebungen angeht“, sagte SPD-Innenexperte Martin Matz dem Tagesspiegel, der auch auf die vielen freiwilligen Ausreisen verwies. Von den vollziehbar Ausreisepflichtigen habe man im vergangenen Jahr etwa zwei Drittel abgeschoben, sagte er. In Berlin wurden im vergangenen Jahr 1290 Menschen abgeschoben. In den verbliebenen Fällen scheitere eine Abschiebung nicht selten daran, dass es keine Einigung mit dem Herkunftsland gebe – daran ändere auch ein Gewahrsam nichts, sagte Matz. Von einem dafür vorgesehenen Zentrum hält er daher nichts. Es handele sich um „Symbolpolitik“.

Das deutsche Aufenthaltsrecht unterscheidet zwischen Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam. Eine Abschiebehaft kann bis zu sechs Monaten dauern. Sie wird in Berlin in der Regel nur bei schweren Straftätern oder Gefährdern angewandt. Der Ausreisegewahrsam darf 28 Tage nicht überschreiten. Diese Frist war erst im vergangenen Jahr von der Ampel-Regierung mit dem sogenannten „Rückführungsverbesserungsgesetz“ verlängert worden.

Grüne und Linke in Berlin kritisierten den Vorstoß Dreggers scharf. Der Innenexperte der Grünen, Vasili Franco, sprach von einer „reinen Scheindebatte“. Bereits heute leiste sich Berlin den Haftplatz zur Durchsetzung von Abschiebungen für durchschnittlich über 2 Millionen Euro pro Jahr. „Ein verantwortungsvoller Umgang mit Geflüchteten darf nicht nur auf Abschiebungen fokussiert sein, sondern muss die Bedarfe bei der Unterbringung abseits von Massenunterkünften oder der psychosozialen Versorgung endlich in den Blick nehmen“, forderte Franco. Dieser Debatte verweigere sich die CDU.

Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, plädierte für Ursachenbekämpfung, darunter die „adäquate Behandlung von psychischen Erkrankungen, egal ob jemand zugewandert ist oder nicht, klare Zuständigkeiten in den Behörden, Perspektiven für die Menschen in Massenunterkünften“. „Tausende Menschen einzusperren, weil die Herren Dregger und Merz einen Sündenbock brauchen, ist jedenfalls weder verfassungsrechtlich noch praktisch eine Lösung“, sagte er.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })