
© imago/Jens Schicke/imago/Jens Schicke
Forderung nach Abschiebezentren: Markige Worte statt Tatkraft von der Berliner CDU
Der CDU-Vorstoß bleibt unkonkret, Details spart er aus. Damit passt er in den Wahlkampf, dient aber nicht als Anleitung für kluge Politik.

Stand:
Es ist Wahlkampf: eine gute Zeit für zugespitzte Aussagen, eine schwere Zeit für Details und komplexe Zusammenhänge. Sie fallen im Buhlen um die Aufmerksamkeit der potenziellen Wählerinnen und Wähler schnell hinten runter. So wie auch aktuell in der Debatte um die Schaffung von Abschiebezentren in Berlin, wie sie die CDU-Fraktion fordert. Dass es einen Unterschied gibt zwischen Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft? Dass es, rein rechtlich gesehen, „Abschiebegewahrsam“ gar nicht gibt? Das alles scheint egal zu sein. Die Mühe, hier zu differenzieren, wird sich kaum gemacht.
Aus den Reihen der CDU-Fraktion kommt zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate die Forderung nach einer Einrichtung eines Gewahrsams für ausreisepflichtige Menschen, die sich in Berlin aufhalten. Einen konkreten Vorschlag für einen Ort oder die gewünschte Anzahl an zu schaffenden Plätzen nennt der CDU-Innenexperte nicht. Das sei Aufgabe der Exekutive.
Hier macht es sich die CDU-Fraktion zu einfach – gerade auch, weil es sich um eine Forderung handelt, die sie seit längerem erhebt. Da dürften die Berlinerinnen und Berliner mehr Details erwarten. Eigene konkrete Vorschläge auszuarbeiten, würde zu einem seriösen Vorstoß dazugehören.
Dann müsste man auch erläutern, dass Ausreisegewahrsam nach geltender Rechtslage nur „im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft, von der aus die Ausreise des Ausländers möglich ist“ vollzogen werden kann. Sollte Berlin einen Gewahrsam am Flughafen Berlin-Brandenburg einrichten wollen, wäre eine Abstimmung mit dem Bund und Brandenburg notwendig.
Geld, das an anderer Stelle fehlen würde
Zur Wahrheit würde auch gehören, dass mit der Schaffung einer neuen Einrichtung viel Geld in die Hand genommen werden müsste, das anderswo fehlen würde. Das Geld bräuchte man nicht nur für den Bau, sondern auch für zusätzliche Stellen bei den Sicherheitsbehörden. Und selbst dann würde eine solche Einrichtung nicht automatisch zu mehr Abschiebungen führen. Dass Menschen sich der Abschiebung entziehen und nicht an ihrem Aufenthaltsort anzutreffen sind, stimmt. In vielen weiteren Fällen sind Abschiebungen aber gar nicht möglich, weil etwa die Herkunftsländer nicht mit Deutschland kooperieren.
Besonders fahrlässig ist auch, dass nicht zwischen den Ausreisepflichtigen mit und ohne Duldung unterschieden wird.
Anna Thewalt, landespolitische Korrespondentin
Besonders fahrlässig ist auch, dass bei der Forderung nicht zwischen den Ausreisepflichtigen mit und ohne Duldung unterschieden wird. Dabei haben 86,5 Prozent der betroffenen Personen in Berlin eine Duldung. Ihre Abschiebung ist ausgesetzt, weil sie hier zur Schule gehen, eine Ausbildung machen, einem Beruf nachgehen oder eine schwere Erkrankung haben. Wer hier nicht differenziert, macht sich populistischer Stimmungsmache mitschuldig. Und nicht nur das: Damit wird auch ein staatliches Versagen suggeriert, das es nicht gibt: Das Land Berlin scheitert eben nicht an der Abschiebung von über 16.000 Ausreisepflichtigen, wenn bei über 14.000 Menschen die Abschiebung aus rechtlichen Gründen ausgesetzt ist.
Die CDU will Tatkraft im Bereich Migration beweisen. Überzeugend wäre das, wenn sie sich dann auch für bessere Bedingungen in den Landesunterkünften einsetzen würde – und eine dezentrale Unterbringung der Geflüchteten unterstützen, statt wie zuletzt an mehreren Standorten torpedieren würde. Die Menschen leben in den Großunterkünften Tegel und Tempelhof in belastenden Umständen, die eine Integration erschweren. Wer das nicht ändert, sollte sich in kommenden Jahren nicht über gescheiterte Integration beschweren.
Der Vorstoß einer Mischnutzung aus der CDU – Geflüchtete und Auszubildende leben Tür an Tür – war da ein richtiger Ansatz. In beiden Fällen, im Umgang mit der Unterbringung wie auch im Umgang mit Ausreisepflichtigen, braucht es jedenfalls mehr als markige Worte. Sonst reicht es lediglich für den Wahlkampf, aber nicht für kluge Politik.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false