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Felor Badenberg, Berliner Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

„Fußfesseln sind als Symbolpolitik zu verbuchen“: Kritik an Forderung der Berliner Justizsenatorin zum Schutz von Frauen

Nach einem Femizid in Zehlendorf hat Berlins Justizsenatorin Badenberg sich unter anderem für elektronische Fußfesseln für potenzielle Täter ausgesprochen. Polizei und Opposition sind skeptisch.

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Nach einem erneuten Femizid in Zehlendorf hatte Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) gegenüber dem Tagesspiegel strengere Schutzmaßnahmen gefordert und sich unter anderem für elektronische Fußfesseln ausgesprochen. Bei der Polizei und Opposition wird das mit Skepsis betrachtet.

Zuspruch bekam Badenberg aus der Senatsinnenverwaltung: Dort unterstütze man die Überlegungen ausdrücklich, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Berlin habe in der Innenministerkonferenz dafür gestimmt, dass eine elektronische Überwachung möglicher Täter in das Gewaltschutzgesetz aufgenommen werden kann.

Ob und wie das Gesetz verschärft werden könne, prüfe aktuell das Bundesjustizministerium unter Beteiligung der Länder, so der Sprecher weiter. Auch Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatte zuletzt signalisiert, offen für die Einführung von Fußfesseln zu sein.

Senat will Polizeigesetz modernisieren

Der Sprecher kündigte zudem an, dass die Senatsverwaltung vulnerable Gruppen bei der Modernisierung des Berliner Polizeirechts künftig besser schützen wolle. „Diese Änderungen sollen, unabhängig von einer etwaigen Regelung im Gewaltschutzgesetz, die elektronische Aufenthaltsüberwachung zur Verhinderung schwerer Straftaten ermöglichen“, so der Sprecher weiter.

Dies gelte vor allem für Sexualdelikte und schwerwiegende Verstöße gegen Schutzanordnungen. Zudem plane der Senat unter anderem, das polizeiliche Wohnungsbetretungsverbot von bislang maximal zwei auf bis zu vier Wochen auszudehnen.

Linken-Politiker spricht von „Symbolpolitik“

Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Berliner Linken, nannte Badenbergs Vorstoß hingegen „Symbolpolitik“. Schon im Justizvollzug habe sich gezeigt, dass der Nutzen von Fußfesseln begrenzt sei, sagte Schrader dem Tagesspiegel.

So könne beispielsweise nicht sichergestellt werden, dass bei Bedarf schnell genug Hilfe vor Ort eintreffe. „Zentral wichtig ist der Ausbau von Anlaufstellen für Betroffene sowie der proaktiven Opferhilfe und Täterarbeit“, sagte Schrader weiter.

Kritik kommt auch von den Grünen: „Während die Justizsenatorin mit unausgereiften Konzepten um sich wirft, droht aufgrund des Haushaltschaos der Rotstift genau dort angesetzt zu werden, wo betroffenen Frauen geholfen wird“, sagte der Innenpolitiker Vasili Franco dem Tagesspiegel. Es bestehe schon lange Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Femiziden und häuslicher Gewalt, sagte Franco weiter.

Während die Justizsenatorin mit unausgereiften Konzepten um sich wirft, droht aufgrund des Haushaltschaos der Rotstift genau dort angesetzt zu werden, wo betroffenen Frauen geholfen wird.

Vasili Franco, Innenpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus

Der Bereich falle „in der politischen Prioritätensetzung immer wieder hinten runter.“ Damit nicht erst gehandelt werde, wenn es zu spät sei, brauche es Fallkonferenzen, die sogenannte Wegweisungsdauer – also das Verbot, die Wohnung zu betreten – müsse verlängert und Kontakt- und Näherungsverbote durchgesetzt werden.

„Vor allem die Bedarfe der Betroffenen müssen in den Blick genommen werden“, sagte Franco und forderte unter anderem mehr Plätze in Schutzeinrichtunge und mehr Täterarbeit.

Gerichte ordnen bislang nur selten Fußfesseln an

Ähnlich kritisch äußerte sich auch Benjamin Jendro, Sprecher der Polizeigewerkschaft GDP. Es sei zwar richtig, dass die Justizsenatorin das Thema ernst nehme. „Im optimalen Fall könnte eine Fußfessel dazu führen, dass ein Femizid verhindert wird“, sagte Jendro dem Tagesspiegel. In der Realität bestehe allerdings für Gerichte längst die Möglichkeit, Fußfesseln bei der Haftentlassung nach schweren Gewalttaten anzuordnen – nur würden Richter davon fast nie Gebrauch machen.

„In Berlin haben wir vermutlich nur eine Handvoll Täter, die mit Fußfesseln herumlaufen – obwohl viel mehr schon schwere Gewalttaten und Sexualdelikte begangen haben“, sagte Jendro.

Damit ein Gericht wirklich gegen einen Mann vorgeht, muss schon ziemlich viel passiert sein.

Benjamin Jendro, Sprecher der Polizeigewerkschaft GDP

Zudem sei der Umgang mit Fußfesseln in der Praxis schwierig: Deren Signale würden zentral in Hessen erfasst, die dortige Direktion müsse das dann erst an die Berliner Kolleg:innen weitergeben. „Ehe dann jemand vor Ort ist, ist es oft zu spät“, sagt Jendro. Er glaube auch nicht, dass die Justizsenatorin durchsetzen könne, dass Richter:innen künftig häufiger Fußfesseln anordnen.

Bislang sei es auch so, dass Täter, die gegen Auflagen wie das Annäherungsverbot verstoßen, nahezu keine Konsequenzen zu befürchten hätten. „Damit ein Gericht wirklich gegen einen Mann vorgeht, muss schon ziemlich viel passiert sein“, sagt Jendro.

Er fordert mehr Möglichkeiten, gegen potenzielle Täter vorzugehen – etwa durch eine verlängerte Ingewahrsamnahme. Zentral ist aber auch für ihn der Ausbau des Opferschutzes. „Wir müssen ehrlich sagen, dass sich Männer mit Tötungsabsichten nicht mit einer Fußfessel abhalten lassen“, sagt Jendro.

Am Mittwochabend hatte ein Mann seine mutmaßliche Ex-Frau, eine 36-jährige Mutter von vier Kindern, in Zehlendorf mit mehreren Messerstichen ermordet. Der Mann war zuvor mehrmals wegen häuslicher Gewalt aufgefallen, ein Gericht soll ein Annäherungsverbot gegenüber der Frau ausgesprochen haben. Daran hielt der Mann sich offensichtlich nicht.

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