zum Hauptinhalt
Coach und Choreografin. Joelle Bertelmann hat erst als Model, dann als Agentin gearbeitet. Inzwischen schult sie unter anderem Führungskräfte.

©  Kai-Uwe Heinrich

Schönheitswettbewerb: Germany’s Black Topmodel wird in Berlin gewählt

An diesem Freitag wird die „Miss Black Germany“ in Berlin gekürt. Choreografin ist Joelle Bertelmann. Sie hat erlebt, wie sich das Ansehen schwarzer Menschen ändert.

Joelle Bertelmann ist angezogen, um zu beeindrucken. Auf High Heels und in enger Lederjacke kommt sie ins Café am Ku’damm gestöckelt. Der Fototermin – kein Problem. Ihre Körperhaltung: aufrecht, Aufmerksamkeit ausstrahlend. Sie weiß, wie sie wirkt, lief sie doch jahrelang über Laufstege und bringt jetzt anderen bei, wie man auf dem Catwalk das Publikum und als Hostess oder Stewardess die Kunden beeindruckt. Wer dabei an „Germany’s Next Topmodel“ denkt, liegt gar nicht so falsch. „Von manchen Dingen oder Personen – Bruce Darnell oder Jorge zum Beispiel – lasse ich mich inspirieren“, gibt sie zu.

Ansonsten aber macht sie ihr eigenes Ding. Und das bedeutet für sie, das Model im Ruhestand, gezielt schwarze Models zu fördern. 2009 gründete sie die inzwischen geschlossene Modelagentur „Sheeva Models“, am Freitagabend ist sie als Choreografin dabei, wenn die erste „Miss Black Germany“ in Berlin gekürt wird. Über ihr Alter möchte sie nicht sprechen, nur so viel: Sie hat einen langen Weg zurückgelegt, um so weit zu kommen.

Joelle Bertelmann wuchs in einem kleinen Dorf in Baden-Württemberg auf, hatte die dunkelste Hautfarbe im ganzen Ort. „In meiner Kindheit war es so, dass schwarz sein als hässlich galt“, erinnert sie sich. Es fehlte an Vorbildern. Das änderte sich erst, als mit der Band „Tic Tac Toe“ und ihren Sängerinnen Ricky, Lee und Jazzy endlich starke, schwarze Frauen auf die Bildfläche kamen. „Die drei waren unglaublich wichtig, für alle Schwarzen in der Region“, sagt sie. Bald darauf nahm sie ihre Tante mit zu afrikanisch geprägten Kulturveranstaltungen, wo sie zum ersten Mal über den Catwalk lief. „Ich habe früh bemerkt, dass es Spaß macht, sich auf einem Laufsteg zu inszenieren“, sagt Joelle Bertelmann. Sie lief auch bei Misswahlen und wurde „Miss Schwarzwald“. Sie erinnert sich noch an die Schlagzeile „Schwarze wird Miss Schwarzwald“. Sie hat aus den Zuschreibungen und Erwartungen der Gesellschaft Kraft gezogen. Damals war die Ära der Supermodels, neben Heidi Klum und Claudia Schiffer kam auch Naomi Campbell groß raus. 2004 zog es sie dann nach Berlin, hier fühlt sie sich seither zu Hause.

„Das System begünstigt schwarze Models sicher nicht“

Viel hat sich hier geändert, seitdem sie hergezogen ist. „Nach meinem Empfinden sind heutzutage mehr dunkelhäutige Menschen in besseren Berufen zu sehen als noch vor ein paar Jahren“, sagt sie. Mit der gestiegenen Kaufkraft von schwarzen Menschen in Großstädten wie Berlin steige auch die Sichtbarkeit von ganz alleine – auch bei Misswahlen und in der Werbung. Woanders wartet man da nicht so lange. 2009 gab es bei der Fashion Week in São Paulo eine Zehn-Prozent-Quote für schwarze Models. Über die Frage, ob sie so eine Regelung auch in Deutschland für sinnvoll hält, muss sie lange nachdenken. Ihre diplomatische Antwort: „Das fände ich sinnvoll – so lange, bis es normal ist, dass Deutschsein nicht mehr nur hellhäutig sein bedeutet.“

Joelle Bertelmann ist ein positiver Mensch. „Nicht meckern, machen“, lautet ihre Devise. Deswegen ist sie auch nach Berlin gekommen. Sie liebt an der Stadt, dass man hier Ideen sehr schnell umsetzen kann. Mit Kritik an Shows wie „Germany’s Next Topmodel“, die dünne, meist hellhäutige Models in den Vordergrund stellen, hält sie sich zurück. „Das System begünstigt schwarze Models sicher nicht“, sagt sie. Bertelmann erfuhr das System am eigenen Leib, denn bei der Wahl zur Miss Baden-Württemberg war damals Schluss für sie, wie für so viele ihrer dunkelhäutigen Kolleginnen. Eine schwarze Miss Germany gibt es bis heute nicht.

Mut zur Hässlichkeit

Ihr Kriterium für Schönheit? „Schönheit kommt von innen, und das ist keine Floskel“, sagt sie. Haare, Haltung, Make- up, Gangart, daran kann man arbeiten, notfalls helfe vielleicht eine OP. „Na gut … OPs sind jetzt nicht so mein Ding“, schiebt sie hinterher. Mittlerweile wendet sie ihre Coaching-Methoden auch auf Führungskräfte an, lässt sie bewusst hässlich, etwa als Zombies verkleidet, über den Catwalk laufen und anschließend in der U-Bahn modeln. Nur wer Mut zur Hässlichkeit hat, ist mit sich im Reinen, meint sie.

Am Freitag aber werden sich die Kandidatinnen so schön wie möglich präsentieren. Auf der Facebook-Seite der Veranstalter werden sie vorgestellt: langbeinige Damen, keine davon hat eine Kleidergröße über 38, aber alle strahlen ein gesundes Selbstbewusstsein und Lebensfreude aus. Rundungen sind jetzt wieder akzeptiert, Kim Kardashian sei Dank, meint Bertelmann. Sie selbst sei früher extrem dünn gewesen, jetzt freut sie sich auf Fitnessstudio und Sauna. „Gott sei Dank wird Schönheit vielfältiger“, sagt sie zum Schluss und macht sich auf, die Stöckelschuhe gegen Turnschuhe einzutauschen.

Miss Black Germany, diesen Freitag ab 21 Uhr, Loewe Saal, Wiebestraße 42, 10553 Berlin-Mitte, Karten 32,08 €

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false