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„Glaube nicht, dass sie notwendig sind“: Berlins Verkehrssenatorin gegen U-Bahn-Wagen nur für Frauen
153 Sexualdelikte registrierte die Berliner Polizei im vergangenen Jahr an U-Bahnhöfen. Die Grünen fordern ein neues Schutzkonzept für Frauen – Senatorin Ute Bonde hält davon nichts.
Stand:
Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) hält nichts von dem Vorschlag der verkehrspolitischen Sprecherin der Grünen, in der Hauptstadt U-Bahn-Wagen ausschließlich für Frauen einzurichten. „Nein, ich glaube nicht, dass ‚Frauenabteile‘ notwendig sind und ehrlich gesagt widerspricht das auch meiner Vorstellung von einer, unabhängig von meiner Genderzugehörigkeit, gleichberechtigten Gesellschaft“, sagte sie am Mittwoch dem Tagesspiegel.
Zuvor hatte die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Antje Kapek, mit Blick auf sexualisierte Gewalt im öffentlichen Nahverkehr in Berlin U-Bahn-Wagen nur für Frauen gefordert. Das berichtete die „Bild“ am Mittwoch.
Die Wagen sollen demnach außerhalb der Stoßzeiten nur von Frauen genutzt werden können. Sie sollen direkt hinter dem Fahrer oder am Ende des Zuges liegen, wenn es – wie in Tokio, wo dies bereits praktiziert werde – einen weiteren mitfahrenden Fahrer gebe, wird Kapek in dem Bericht zitiert. Wie ein abgetrennter Bereich in den Zügen realisiert werden soll, die durchgängig und ohne Abteile sind, blieb bei dem Vorschlag offen.
Zudem sollen explizit markierte Zonen mit Notrufsäulen und Videoüberwachung an Bahnsteigen eingerichtet werden, fordern die Grünen.
Senatorin Bonde verweist darauf, dass es diese Notrufsäulen längst gebe. Auf jedem S- und U-Bahnhof befänden sich Notruf- und Informationssäulen, über die zu jeder Tages- und Nachtzeit ein direkter Kontakt zu Mitarbeitenden der Unternehmen und damit zur jeweiligen Sicherheitsleitstelle aufgenommen werden könne, sagte sie. Auch in den Fahrzeugen gebe es Alarm- und Notrufanlagen. „Und insbesondere bei Fahrten mit dem Bus kann das Fahrpersonal, das auch entsprechend geschult ist, direkt angesprochen werden.“ Die Verkehrsunternehmen nähmen das Thema Sicherheit der Fahrgäste sehr ernst.
Die Sicherheitsdienste der Verkehrsunternehmen seien gut ausgebildet und insbesondere an Schwerpunktbahnhöfen dauerhaft vor Ort. Bonde sprach von einer engen Zusammenarbeit mit der Polizei und verwies auf „Tausende Videokameras“ sowohl auf den Bahnhöfen als auch in den Fahrzeugen.
Auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) können dem Vorschlag der Grünen nichts abgewinnen. „Wir arbeiten mit vollem Einsatz daran, dass alle Fahrgäste jederzeit sicher und mit einem guten Gefühl ans Ziel kommen“, sagte ein Sprecher. Wer sich unwohl fühle oder Hilfe benötige, habe auf jedem Bahnhof zu jeder Tages- und Nachtzeit die Möglichkeit, über die Notruf- und Informationssäulen direkten Kontakt zu den Mitarbeitenden und der Sicherheitsleitstelle aufzunehmen.
Ebenso gebe es auch in allen Fahrzeugen Alarm- oder Notrufeinrichtungen. Jeden Tag seien rund 250 Mitarbeitende der BVG-Sicherheit und weitere Dienstleister auf Streife, und rund um die Uhr in den Fahrzeugen und Anlagen der BVG, so der Sprecher. Schwerpunktbahnhöfe würden dauerhaft Tag und Nacht besetzt, zusätzlich alle Endbahnhöfe zwischen 20 und 5 Uhr.
Auch der Verkehrsexperte der Berliner SPD, Tino Schopf, ist skeptisch. „Die Forderung der Grünen-Fraktion halte ich nicht für zielführend, denn wenngleich ich den Gedankengang nachvollziehen kann, greift die Idee aus meiner Sicht zu kurz“, sagte er dem Tagesspiegel. Für U-Bahn-Wagen für Frauen „würde es ganz klar auch gesondertes Personal bedürfen, welches diese spezielle Regelung überwacht und umsetzt“. Stattdessen müsse die Präsenz von Sicherheitspersonal ausgeweitet werden.
Das sieht auch der Verkehrsexperte der Linken, Kristian Ronneburg, so. Aus seiner Sicht wäre es notwendig, in den Zügen und an den Bahnhöfen dauerhaft mehr Sicherheitspersonal einzusetzen, um Übergriffe zu verhindern.
Vorbild Japan
In den Bahnen Japans existiert bereits ein Schutzkonzept für Frauen, das allerdings nur in den Stoßzeiten gilt. Morgens bis 10 Uhr und abends von 17 bis 21 Uhr sind bestimmte Wagen nur Frauen und Rollstuhlfahrern sowie Jungen von bis zu zwölf Jahren vorbehalten.
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Auch in Sachsen sind Frauenabteile bereits Realität. 2016 führte die Mitteldeutsche Regiobahn (MRB) in den Zügen zwischen Leipzig und Chemnitz Abteile für alleinreisende Frauen sowie für Mütter mit Kindern ein. Auch andernorts gibt es das Konzept: Ganz egal, ob Buenos Aires, Rio de Janeiro oder im muslimisch geprägten Doha. Viele Städte haben bereits Frauenwagen eingeführt. In Guatemala sind sogar ganze Buslinien Frauen vorbehalten.
Auslöser für die Forderung der Grünen ist dem Bericht zufolge eine Vergewaltigung im Berliner Südwesten Anfang Februar. Damals soll ein 33-Jähriger nachts an der Endhaltestelle Krumme Lanke eine Frau sexuell genötigt und anschließend vergewaltigt haben. Die Polizei wandte sich mit Videos und Bildern des Verdächtigen an die Öffentlichkeit und konnte den Mann wenig später festnehmen.
Zahl der Sexualdelikte an Berliner U-Bahnhöfen konstant
Die Polizei registriert seit Jahren in Berlin einen Anstieg bei Sexualdelikten. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 7000. Darunter fallen etwa Vergewaltigungen, sexuelle Nötigung, sexuelle Übergriffe und der sexuelle Missbrauch von Kindern. In der U-Bahn liegt die Zahl der Sexualdelikte laut Daten der Polizei, die dem Tagesspiegel vorliegen, auf einem konstanten Niveau.
Im vergangenen Jahr registrierte die Behörde 153 Sexualdelikte in und an den 175 Bahnhöfen (siehe Grafik). 2022 waren es 182, im Jahr 2021 waren es 148. Wie viele der Taten direkt in den U-Bahnen passierten, wird daraus nicht ersichtlich. Auch dürften die tatsächlichen Zahlen höher sein, da nicht alle Taten auch angezeigt werden und die Dunkelziffer gerade bei Sexualstraftaten hoch ist.
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