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Die Abgeordneten aller gewählten Parteien sitzen während der konstituierenden Sitzung des Landtages Brandenburg.

© Soeren Stache/dpa

Gleichstellung bei der Wahl: Brandenburgs Parité-Gesetz gilt jetzt – und ist schon unter Beschuss

Am Dienstag trat es in Kraft. Bald entscheiden Verfassungsrichter über das Parité-Gesetz. Es gibt mehrere Klagen, jetzt auch von den Jungen Liberalen.

Brandenburg war Vorreiter, als der Landtag im Februar 2019 ein bis dahin deutschlandweit einmaliges Gesetz beschlossen hat. Am Dienstag trat das von der damaligen rot-roten Regierungskoalition und den Grünen angeschobene Parité-Gesetz in Kraft.

Für künftige Landtagswahlen – die nächste ist 2024 – müssen Parteien ihre Landeslisten abwechselnd mit Frauen und Männern besetzen. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken bleiben Direktkandidaten in den Wahlkreisen ausgenommen.

Ob das Gesetz Bestand hat, entscheidet das Landesverfassungsgericht. Zwei Verhandlungstage sind ab 20. August angesetzt, dann werde die Klagen von AfD und NPD verhandelt, weitere Klagen von Piratenpartei und einer Einzelperson liegen vor.

Am Dienstag reichten Vertreter des FDP-Nachwuchses Junge Liberale (Julis) Klage ein, darunter Julis-Landeschef Matti Karstedt und Julis-Bundesvize Laura Schieritz. „NPD und AfD klagen in dieser Sache aus ganz anderen Motiven“, sagte Karstedt. „Eine Argumentation aus einem Gesellschaftsbild der 50er Jahre heraus, wie die AfD es propagiert, oder aus den 30er-Jahren wie bei der NPD wird unserem Anliegen nicht gerecht.“

Verfassungsrechtler sehen Verstöße gegen das Grundgesetz

Vielmehr heble das Paritätsgesetz die Wahlrechtsgrundsätze völlig aus. „Dass der Staat die Wählbarkeit von Menschen an äußere Merkmale wie das Geschlecht knüpft, ist ein höchst bedenklicher Vorgang“, sagte Karstedt.

„Das unserer Verfassung zugrunde liegende Verständnis von Repräsentation geht nicht davon aus, dass Männer nur von Männern und Frauen nur von Frauen vertreten werden können. Das ist verordnete Ergebnisgleichheit statt echter Chancengerechtigkeit, wie wir sie wollen“, sagte der Julis-Landeschef.

Julis-Landeschef Matti Karstedt und Julis-Bundesvize Laura Schieritz
Julis-Landeschef Matti Karstedt und Julis-Bundesvize Laura Schieritz

© promo

Chancengerechtigkeit und Gleichberechtigung seien Kulturfragen sind, die sich nicht per Gesetz verordnen ließen. „Wir wollen Repräsentationsdefizite in der Politik angehen, ohne dabei das freie Wahlvorschlagsrecht abzuschaffen“, sagte er.

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Tatsächlich halten auch nicht wenige namhafte Verfassungsrechtler und Verfassungsrechtlerinnen das Gesetz für grundgesetzwidrig. Der Tenor: Es schränke die Freiheit der Parteien und Mandatsträger ein und verstoße gegen den Grundsatz der freien, gleichen und geheimen Wahlen. Vor allem stelle es das Demokratieprinzip in Frage, weil die Volkssouveränität durch Gruppensouveränität nach Identitäten ersetzt werde.

Auch in Thüringen entscheiden die Verfassungsrichter

Nach Brandenburg hat auch Thüringen ein Parité-Gesetz beschlossen. Dort entscheiden die Verfassungsrichter am 15. Juli über eine Klage der AfD. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte nach seiner Wiederwahl im März angekündigt, die Paritätsregelung außer Kraft zu setzen, um die vorgezogene Wahl im April 2021 rechtlich nicht zu gefährden.

In Brandenburg würden mit Parität sieben Frauen mehr im Parlament sitzen – und sieben Männer weniger. Aktuell liegt der Frauenanteil bei 33 Prozent, es sind 29 Frauen und 59 Männer im Landtag. Das ergab eine Studie der Universität Mannheim. Mit Parität stiege der Anteil auf 39,8 Prozent. Bis zur Wahl 2019 lag der Anteil bei 38,6 Prozent.

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