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Grünen-Politiker klagte gegen Bericht: Stefan Gelbhaar verliert vor Gericht gegen die „Süddeutsche Zeitung“
Vor dem Landgericht Hamburg klagte Stefan Gelbhaar gegen die „SZ“. Sie berichtete über die Erlebnisse mehrerer Frauen mit dem Grünen-Politiker. Nun wurde der Antrag größtenteils zurückgewiesen.
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Erst zog der Berliner Grünen-Politiker und Ex-Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar erfolgreich gegen den RBB und seine Parteikollegin Klara Schedlich vor Gericht. Dann klagte er erneut – gegen die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ). Am Mittwoch wies das Landgericht Hamburg Gelbhaars Antrag größtenteils zurück.
Die „SZ“ hatte über die Erlebnisse mehrerer Frauen mit dem Grünen-Politiker und sein mutmaßlich grenzverletzendes Verhalten berichtet. Im März erschien ihre „Chronologie eines Grenzfalls“.
Die geschilderten Erlebnisse mit Gelbhaar sollen die Frauen in der Zeit von 2008 bis 2024 gemacht haben. Dabei soll es um unangemessene Berührungen, Direktnachrichten in den sozialen Medien und Flirts gegangen sein, die die Frauen als bedrängend empfunden haben sollen. Diese Darstellung wollte der Grünen-Politiker der „SZ“ vom Gericht untersagen lassen.
In insgesamt 18 Punkten hatte er den Bericht angegriffen. Doch das Landgericht Hamburg gab Gelbhaar nur in zwei kleinen, nebensächlichen Details recht, den größten Teil wies es zurück. Zu acht Neunteln verlor Geldhaar. So ging jedenfalls die Kostenentscheidung des Gerichts aus. Die „SZ“ muss nur ein Neuntel der Verfahrenskosten tragen.
„Sämtliche eidesstattlichen Versicherungen erschöpfen sich nicht nur in der Wiedergabe des Kerngeschehens, sondern sind ausführlich, detailreich und auch bezüglich des eigenen Verhaltens selbstkritisch“, heißt es in dem neunseitigen Beschluss des Gerichts. Und: „Mit der streitgegenständlichen Berichterstattung wird der Verdacht eines grenzüberschreitenden und übergriffigen Verhaltens des Antragstellers gegenüber einer Mehrzahl jüngerer Frauen in zulässiger Weise verbreitet.“
Gelbhaar hat nun zwei Wochen Zeit, um gegen den Beschluss Beschwerde einzulegen. Und die Zeit drängt: Am 16. Mai verhandelt das Landgericht Hamburg mündlich über Gelbhaars Eil-Klage gegen Schedlich.
Zunächst hatte das Landgericht Schedlich mehrere Aussagen aus ihrer eidesstattlichen Versicherung für den RBB untersagt. Dagegen legte Schedlich Widerspruch ein – nun wird das Ganze in vier Wochen vom Gericht in aller Öffentlichkeit verhandelt.
Schedlich äußerte sich trotz erster Niederlage vor Gericht
Dabei ging es um nächtliche Nachrichten, Kommentare zu ihrem Aussehen und Gelbhaars angeblichen Versuch, sie auf einen Kaffee treffen zu wollen. Der Eindruck, dass es eine einseitige, von Gelbhaar ausgehende Kommunikation war, traf für das Gericht nicht zu.
Weitere Aussagen wurden untersagt, weil Schedlich ihre Aussagen nicht glaubhaft belegen konnte. Es ging um Schmeicheleien, angebliche Berührungen an Arm und Rücken, eine angebliche Einladung in eine Wohnung – und dass ihr die Situationen unangenehm gewesen seien. Ob das wahr oder unwahr ist, entschied das Gericht nicht.
In der „SZ“ widersprach Schedlich dann trotz der ersten Niederlage von Gericht Gelbhaars Darstellung, sie hätten ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt: Sie sei damals mit 18, 19 Jahren stark verunsichert gewesen und habe sich unwohl gefühlt. Das hat das Gericht bei Gelbhaars Antrag gegen die „SZ“ aber nicht beanstandet.
Kaum Optionen für Gelbhaar
Der Grünen-Politiker hat nun kaum Optionen: Legt er keine Beschwerde gegen den Beschluss zur „SZ“ vor, hat er gegen Schedlich schlechte Karten. Macht er weiter, zieht er die Vorwürfe gegen sich in die Verlängerung.
Im Verfahren gegen die „SZ“ gab das Landgericht Gelbhaar nur bei zwei von 17 von ihm angegriffenen Passagen recht. Einmal ging es darum, wann eine der Frauen eine Meldung bei der Ombudsstelle in der Parteizentrale der Grünen eingereicht hat. Richtig wäre Dezember, nicht Januar, entschieden die Richter.
Die zweite nun vom Gericht untersagte Passage betrifft eine Passage zur Neuwahl des Direktkandidaten des Pankower Kreisverbands für die Bundestagswahl. Nachdem Gelbhaar zunächst im November gewählt worden war, dann nach Bekanntwerden erster Vorwürfe im Dezember auf die Kandidatur für Platz zwei der Landesliste der Grünen verzichtet hatte, setzte der Kreisverband auch für den Direktkandidaten eine Neuwahl im Januar an.
Kein Verdacht strafbaren Verhaltens erweckt
Die „SZ“ schrieb zunächst, dass Gelbhaar diese Neuwahl per einstweiliger Anordnung des Landesschiedsgerichts habe verhindern wollen. Richtig ist allerdings, dass er die Abstimmung verschieben lassen wollte.
Das Gericht äußerte sich auch zum RBB. Der hatte seinen Beitrag zu Gelbhaar von Ende Dezember selbst gelöscht und eine Unterlassungserklärung abgegeben. Der Sender war einer falschen eidesstattlichen Versicherung aufgesessen – ausgestellt von einer damaligen Grünen-Bezirkspolitikerin unter falschem Namen. Zudem suggerierte der Sender, er habe mit der Frau gesprochen.
Im Januar untersagte das Gericht dem RBB dann auch, die Darstellung der Grünen-Abgeordneten Schedlich weiterzuverbreiten. Schließlich wurden auch Schedlich selbst zentrale Aussagen verboten.
Dennoch hat die „SZ“ darüber berichtet, was mehrere Frauen aus der Partei mit Gelbhaar erlebt haben sollen. Das Gericht befand nun: Es sei „zu berücksichtigen, dass ein ganz erhebliches öffentliches Interesse“ an Gelbhaars Person und den „thematisierten Vorgängen besteht“. Und zwar wegen seiner Stellung, er war bis vor kurzem Bundestagsabgeordneter, und wegen der „viel beachteten Vorgeschichte rund um die Berichterstattung des RBB“.
Außerdem werde zwar der Verdacht eines grenzüberschreitenden und übergriffigen Verhaltens erweckt, aber nicht wie etwa beim RBB der Verdacht eines strafbaren Verhaltens.
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