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Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin von Berlin, spricht mit der Ukrainerin Olga Raab von der Berliner Folkloregruppe Potpourri bei der Veranstaltung zu Ehren der Berliner Gastgeberinnen und Gastgeber für ukrainische Geflüchtete im Roten Rathaus.

© Carsten Koall/dpa

Dank für private Flüchtlingsaufnahme in Berlin: Helfer fordern Zuschuss für Energiekosten und mehr Wohnraum

Im Roten Rathaus wurde Berlinern gedankt, die ukrainische Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben. Die Helfer haben jedoch auch Forderungen an die Politik.

Bei der Mülltrennung war einfach Schluss. Da lief nichts mehr mit dem Übersetzungsprogramm. Wie soll eine App auf dem Smartphone auch erklären, in welche Tonne welcher Müll gehört? In deutsch-ukrainischer Übersetzung? Also erhielt Danuta Friesel Fotos vom Müll, verbunden mit der Frage: In welche Tonne soll der nun?

Die Fotos hatte der 38-jährigen Erzieherin aus Wilmersdorf jene Frau aus Lemberg geschickt, der sie Unterschlupf gegeben hatte – zusammen mit zwei Kindern und einem Yorkshire-Terrier-Welpen, der in einer Jackentasche die Flucht aus der Ukraine nach Berlin bewältigt hatte.

Danuta Friesel ist einer der vielen Menschen, die Flüchtlinge aus der Ukraine bei sich aufgenommen haben. Ihre Gäste sind inzwischen wieder zurück in Lemberg, aber sie können jederzeit wiederkommen.

Am Sonntag war Danuta Friesel im Roten Rathaus – der Berliner Senat hatte Helfer eingeladen, die Flüchtlinge bei sich untergebracht hatten oder haben. Eine Geste der Dankbarkeit. Zugleich war das Treffen auch eine Informationsbörse: Behörden und Einrichtungen waren vertreten und gaben Antworten auf die vielen Fragen, die mit diesem Engagement verbunden sind.

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Wie viele Flüchtlinge in der Hauptstadt privat untergebracht sind, lässt sich nicht genau sagen. Franziska Giffey (SPD), die Regierende Bürgermeisterin, sprach im Roten Rathaus von 55.000 Menschen aus der Ukraine, die in Berlin leben. Wie lange im Einzelfall, ist unklar.

Tränenreicher Abschied nach sechs Wochen

Das Engagement von Danuta Friesel und ihrem Mann hält bis heute an. Sie sind unverändert in Kontakt mit ihren früheren Gästen. Am Sonntag hat die Erzieherin die Nachricht erhalten, dass es in Lemberg dreimal Raketenalarm gegeben habe. „Die Vereinbarung ist, dass die Familie sofort und ohne Anmeldung wieder zurückkommen kann, wenn es nötig sein sollte“, sagt sie.

Es waren wohl sehr angenehme sechs Wochen des Zusammenlebens. Danuta Friesels Kinder sind zwar nicht im gleichen Alter wie jene der ukrainischen Mutter, die sie aufgenommen hat, trotzdem verstanden sie sich wunderbar. Auch zwischen den beiden Frauen herrschte Harmonie.

Franziska Giffey bei einer Gesprächsrunde auf dem Podium neben Sigrid Nikutta (links), frühere BVG-Chefin und heutige Güterverkehrschefin der Bahn, und einer Gastgeberin.
Franziska Giffey bei einer Gesprächsrunde auf dem Podium neben Sigrid Nikutta (links), frühere BVG-Chefin und heutige Güterverkehrschefin der Bahn, und einer Gastgeberin.

© Carsten Koall/dpa

Das Engagement entstand spontan: Danuta Friesel hatte Essen zum Hauptbahnhof gebracht. Sie wollte die ankommenden Menschen unterstützen, es war ja auch noch kalt in den ersten Märztagen. Als sie die Geflüchteten sah, gezeichnet vom Schrecken des Krieges in ihrer Heimat, beschlossen Danuta Friesel und ihr Mann spontan, dass sie mehr tun müssten als bloß Essen kochen. So nahmen sie die Familie auf, vermittelt durch private Kontakte.

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Nicht nur Danuta Friesel und ihr Mann zeigten Herz und Engagement. Auch von völlig unerwarteter Seite gab es Unterstützung. Ihr Vermieter wohnt in Frohnau und erzählte einem Obsthändler, bei dem er häufig einkauft, von der ukrainischen Familie, die nun bei seinen Mietern wohnte. Der Händler packte daraufhin Obst zusammen und brachte es von Frohnau nach Wilmersdorf zu Familie Friesel.

Auch Vertreterinnen der Organisation tubman.network nahmen an der Veranstaltung teil.
Auch Vertreterinnen der Organisation tubman.network nahmen an der Veranstaltung teil.

© Carsten Koall/dpa

Als die ukrainische Familie nach sechs Wochen wieder in ihre Heimat zurückging, war es ein tränenreicher Abschied. Für die ukrainische Mutter war es eine schwere Entscheidung. Ihre eigene Mutter lebt noch in Lemberg, die Tochter hatte den Drang, sie zu unterstützen. Andererseits hatte sie Verantwortung für ihre Kinder, die in Berlin geschützt waren. Die Lösung dieses inneren Konflikts ist die Vereinbarung, dass die Familie jederzeit zurück nach Wilmersdorf kann.

Kritik und Fragen an die Verwaltung

Ein Rentner aus Spandau hat spontan zwei Menschen mit deren Katze in seine Vier-Zimmer-Wohnung aufgenommen, als er am Hauptbahnhof die erschöpften Menschen sah.

Mit seinen Mitmietern läuft alles gut, seine Frage nun lautete: Kann ihm jemand bei den Energiekosten unter die Arme greifen? „Ich bekomme ja bald eine Rechnung“, und die wird natürlich höher als liegen als sonst. „Ich hätte gerne einen kleinen Obulus“, sagte er. Doch Franziska Giffey, die allen Helfern überschwänglich gedankt hatte, konnte ihm keine konkrete Zusage machen.

Die Veranstaltung war nicht nur eine Geste der Dankbarkeit, sondern auch eine Informationsbörse. Behörden und Einrichtungen waren vertreten.
Die Veranstaltung war nicht nur eine Geste der Dankbarkeit, sondern auch eine Informationsbörse. Behörden und Einrichtungen waren vertreten.

© Carsten Koall/dpa

Diana Ziegler aus Rummelsburg hat eine sechsköpfige Familie aufgenommen. Sie kam ins Rote Rathaus, um sich mit anderen auszutauschen, aber auch um Kritik an der Verwaltung zu üben: „Ich finde es beschämend, wie die Situation bei der Ankunft der Flüchtlinge war. Ohne die freiwilligen Helfer wäre gar nichts gelaufen", sagte sie in einer Gesprächsrunde.

Sprachbarriere ist zentrales Thema

Die Stadt müsse dringend Wohnraum zur Verfügung stellen. Außerdem sei das Informationsangebot unübersichtlich. „Ich kenne fast niemanden, der Personen über die Vermittlungsseiten der Bundesregierung aufgenommen hätte. Man organisiert sich privat.“ Deswegen fehle es an Kontrolle, wer Menschen aufgenommen habe und wie sie lebten. Diana Ziegler hat mit rund 100 Freiwilligen ein Netzwerk zur Unterstützung von Flüchtlingen aufgebaut.

Ein zentrales Thema ist immer wieder die Sprachbarriere. Viele Flüchtlinge möchten so schnell wie möglich Deutsch lernen. Bis sie es geschafft haben, sind sie auf Hilfe von Menschen wie Diana Ziegler angewiesen.

Für die Kinder sei es etwas leichter gewesen, sich einzuleben, sagt Ziegler. Sie haben eine Willkommensklasse gefunden, in der sie Deutsch lernen. Die Familie bereite sich darauf vor, länger in Deutschland zu bleiben. Zum Rückkehren sei es für sie bei weitem zu früh, sagt die Mutter.

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