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Das Hauptgebäude der Humboldt-Universität Unter den Linden in Berlin-Mitte.

© dpa/Soeren Stache

HU klagt erfolgreich gegen Berliner Hochschulgesetz: Postdocs müssen nicht mehr unbefristet beschäftigt werden

Die Berliner Uni klagt erfolgreich gegen den Paragrafen 110 des Hochschulgesetzes. Dieser schrieb die unbefristete Übernahme von Postdocs vor.

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Die im Berliner Hochschulgesetz verankerte Entfristungsregelung für promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde der Humboldt-Universität (HU) hatte in Karlsruhe Erfolg. Die Vorschrift greife in das Grundrecht auf Freiheit der Wissenschaft ein, so das Gericht. Außerdem fehle dem Land Berlin die nötige Gesetzgebungskompetenz.

Ein Postdoktorand – auch Postdoc – ist ein Wissenschaftler, der sich nach seiner Doktorarbeit weiterqualifiziert und Forschungserfahrung sammelt, um seine Karriere in der Wissenschaft voranzutreiben. Der Paragraf 110 verpflichtete die Hochschulen dazu, den Postdocs nach Ende des Arbeitsvertrags sowie bei Erreichen ihres Qualifikationsziels eine unbefristete Beschäftigung zuzusagen. Die Berliner Humboldt-Universität klagte mit Erfolg gegen die Vorschrift.

Das von der rot-rot-grünen Landesregierung reformierte Hochschulgesetz trat zunächst im September 2021 in Kraft und löste schon damals heftige Debatten aus. Die frühere HU-Präsidentin Sabine Kunst trat aus Protest zurück. Die Uni kritisierte, das Land Berlin habe seine Gesetzgebungskompetenz überschritten – und reichte Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ein.

Im Jahr darauf wurde die Anwendung der Norm vom Gesetzgeber zunächst temporär ausgesetzt. Die Übergangsregelung wurde immer wieder verlängert und die Anwendung bis heute vertagt. Im vergangenen Herbst hatte die Senatsverwaltung von Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) erklärt, wegen der verfassungsrechtlichen Bedenken „von der gegenwärtigen Regelung Abstand nehmen“ zu wollen. Mittlerweile liegt ein Gesetzentwurf der Berliner CDU-SPD-Koalition vor, in dem die Entfristungsvorschrift wegfällt.

Mehr als 80 Prozent befristet eingestellt

Das zentrale Problem sei, dass es an den Hochschulen um Daueraufgaben gehe, diese meist aber eben nicht durch Personen auf Dauerstellen abgedeckt würden, „sondern von wissenschaftlichen Beschäftigten, die immer und immer wieder befristete Arbeitsverträge bekommen“, sagt Felicia Kompio von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin. Das erschwere sowohl die Forschung als auch die Karriereplanung der Mitarbeitenden.

Mehr als 80 Prozent der wissenschaftlichen Beschäftigten an deutschen Hochschulen seien befristet angestellt, so Kompio. Die Zahl liege damit weit höher als der Durchschnittswert des gesamten Arbeitsmarkts von etwa 7 Prozent. „Wir sehen durchaus, dass es in der Wissenschaft Gründe dafür geben kann, mehr zu befristen als in anderen Branchen“, sagt Kompio. Aber eine so hohe Quote mache den Karriereweg in die Wissenschaft unattraktiv und sorge für Instabilität an den Instituten.

Landesregierung will neue Personalkategorien schaffen

Welche Auswirkungen das Karlsruher Urteil nun konkret auf die Landespolitik haben wird, wird sich erst noch zeigen. Der Berliner Senat hatte schon vor der Entscheidung angekündigt, andere Wege gehen zu wollen, um mehr Dauerstellen für Postdocs zu schaffen.

„Es ist und bleibt eine wichtige Aufgabe der Hochschulen in ihrer Autonomie, für die Wissenschaft geeignete Personalstrukturen und gute Karrierewege zu entwickeln“, sagte die Präsidentin der Humboldt-Universität, Julia von Blumenthal, nach der Entscheidung. Mit der Berliner Landesregierung habe die Uni im letzten Jahr bereits ein Konzept entwickelt, um den bundesgesetzlichen Rahmen auszufüllen. „Wir begrüßen, dass der Entwurf einer Änderung des Berliner Hochschulgesetzes vorliegt, mit der neue unbefristete Stellenkategorien für den akademischen Mittelbau eingeführt werden sollen.“

Nach den schwarz-roten Plänen sollen neue Kategorien für sogenannte „Lecturer“ und „Researcher“ an den Hochschulen geschaffen werden. Nach Ansicht der GEW reicht das aber nicht aus. „Die Schaffung dieser Stellenkategorien verpflichtet keine Hochschule dazu, diese Stellen an ihrer Hochschule zu schaffen“, kritisiert Kompio. Die Stellen würden dann zwar theoretisch existieren, die Hochschulen könnten aber genauso gut ohne sie weitermachen. „Es steckt keinerlei Verpflichtung darin.“ (Tsp, dpa)

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