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Der Aquadom in der Nähe des Alexanderplatzes ist zerstört worden.

© REUTERS / MICHELE TANTUSSI

„Ich habe gedacht, das sei ein Erdbeben“: Ein Knall und das Berliner Riesen-Aquarium war zerstört

Passanten und Hotelgäste stehen fassungslos vor dem Trümmerfeld. Am Morgen ist das Riesen-Aquarium im Radisson-Hotel geplatzt. Zeugen erzählen horrorähnliche Geschichten.

Die ältere Frau, eingehüllt in einen Wintermantel, zieht einen großen Rollkoffer durch die Spandauer Straße, direkt auf zwei Polizisten zu. Die stehen an einem Klapptisch mit Papierbögen, auf denen diverse Namen notiert sind. Der Name der älteren Frau kommt dazu.

Sie gehört zu den 400 Hotelgästen, welche die Polizei hier registriert. Sie werden dann weitergeleitet zu zwei Bussen, in denen es an diesem Freitagvormittag in der Nähe des Alexanderplatzes sehr viel wärmer ist. Ein Bus gehört der Berliner Feuerwehr, einer der BVG, sie stehen gleich neben dem Klapptisch.

Aber bevor die Frau einsteigt, sagt sie noch: „Das ganze Bett hat gewackelt, ich habe gedacht, das sei ein Erdbeben.“ Es war das geplatzte Großaquarium Aquadom.

Eine Million Liter Wasser strömten heraus

Eine Million Liter Salzwasser sind am Freitag gegen 5.30 Uhr über das Erdgeschoss des Radisson-Hotels geströmt. Der riesige Wasserzylinder, bestehend aus bis zu 20 Zentimeter dickem Acrylglas, ist in Sekundenschnelle gebrochen, die Wassermassen haben sich auf die Lobby, die Karl-Liebknecht-Straße und in die Tiefgarage des Hotels verteilt.

Zwei Menschen wurden verletzt, rund 1500 Fische weggespült. „Im Eingangsbereich sieht fast so aus wie im Krieg“, sagt ein Sprecher der Feuerwehr am Vormittag.

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Der Rest der Trümmer, mitgerissen von der schieren Gewalt des Wassers, ist auf der Straße zerstreut, Metallstangen, Blumenkübel, Holzstücke, Grünpflanzen. Ein riesiger Tontopf ist sogar bis auf die gegenüberliegende Straße geschwemmt worden. Zerbrochen liegt er zwischen zwei E-Scootern.

Man sah, wie das Ding auseinanderbrach.

Ein Hotelgast, der die Zerstörung verfolgt hatte

Die Feuerwehr ist mit rund 100 Einsatzkräften am Ort, die Polizei hat den Unfallort abgesperrt. Fahrzeuge der BSR streuen Salz und Sand auf die spiegelglatte Fahrbahn. „Es war Salzwasser“, sagt ein Feuerwehrsprecher, „bei allem Unglück muss man ja sagen: zum Glück. Sonst wäre es auf der Straße noch glatter geworden.“

Der Aquadom war eine Touristenattraktion.

© dpa/Annette Riedl

Zwei Menschen wurden leicht verletzt, sie werden im Krankenhaus behandelt. Adrian Wentzel, ein anderer Feuerwehrsprecher, sagt gegen 10 Uhr, dass „derzeit keine weiteren Personen vermisst werden“.

Rettungshunde schnüffeln sich die Trümmer

Aber das bedeutet ja nicht, dass unter den Trümmern niemand mehr liegt. Also wird gesucht, aber nicht von Feuerwehrleuten. Die Zerstörungen sind zu gravierend, der Bereich ist fast nicht begehbar. Hunde der Rettungsstaffel des Deutschen Roten Kreuzes übernehmen die Aufgabe. Sie schnüffeln sich durch die Trümmer. Gefunden haben sie zum Glück nichts.

Hotelgäste, die sich registrieren lassen, erzählen alle das Gleiche, schreckliche Geschichten, horrorähnliche Geschichten, unterscheidbar nur in Details. „Man hat gesehen, dass das ganze Ding auseinandergebrochen ist“, sagte ein junger Mann. Sechzehn Meter hoch war das Becken, die Wassermenge hätte 5000 Badewannen füllen können.

Trümmer vor dem Radisson Hotel nach dem Unglück.

© AFP / JOHN MACDOUGALL

Ein anderer Mann sagt, er habe das Hotel um sechs Uhr zum Rauchen verlassen. „Ich hatte da schon gesehen, dass das schöne Aquarium weg war.“ Vor dem Hotel sei Polizei gewesen. Eine Rückkehr ins Hotel sei nicht erlaubt worden. Es habe aber keinen Alarm gegeben.

Eine Politikerin wird durch einen Knall geweckt

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Weeser sagt, sie sei im Tiefschlaf gewesen und dann ruckartig wach geworden. Sie habe zuerst an ein Erdbeben oder etwas Ähnliches gedacht. Es habe einen kurzen Knall und „ein kurzes Beben des Gebäudes gegeben“. Sie sei dann wieder eingeschlafen. Aus den Medien habe sie erfahren, was passiert sei. Polizei und Feuerwehr hätten dann die Gäste informiert.

Im Hotel sehe es „ein bisschen aus wie im Kriegsgebiet. Es ist ein Bild der Verwüstung mit vielen toten Fischen und Scherben. „Die, die vielleicht noch hätten gerettet werden können, waren erfroren.“

Eine Katastrophe, eine Tragödie

Eine junge Frau, die den Aquadom oft besucht hat

Aber ein paar Fische des Aquadoms haben doch überlebt. André Baumann, der Einsatzleiter der Feuerwehr, sagt am frühen Nachmittag, am Fahrstuhl seien in einer Wasserschale überlebende Fische gefunden worden.

In der Tiefgarage wurden keine Autos beschädigt

Wasser lief natürlich auch in die Tiefgarage des Hotels. Als bei der Feuerwehr der Alarm eintraf, wusste noch niemand, wie schwer der Schaden sein würde. „Die Tiefgarage hat mehrere Untergeschosse“, sagt Feuerwehrsprecher Wentzel. „Aber wir haben dann festgestellt, dass Autos nicht beschädigt sind, der Wasserstand war nicht hoch genug.“

Auch aus einem Seiteneingang des Hotels ist Wasser geströmt, in eine Passage zwischen dem Hotel und einem weiteren Komplex. Dort sind jetzt Stühle und Tische akkurat aufgereiht. Ein paar Stunden zuvor sah es noch ganz anders aus. Ein Polizist hat mit seinem Handy fotografiert. Er zeigt die Fotos auf seinem Smartphone. Auf den Bildern liegen die Stühle und Tische wild durcheinander.

Eine Frau war vor zwei Monaten im Aquadom

Hinter einem weiß-roten Flatterband, das die Polizei weiträumig um das Trümmerfeld gezogen hat, steht auch Ulrike Bömmie, an der Hand ihren kleinen Sohn Julius. Sie blickt mit einem Anflug von Fassungslosigkeit auf die Szenerie. „Das ist schon traurig“, sagt sie. „Vor zwei Monaten war ich noch noch selber mit ihm im Auqadom.“ Sie meint Julius. „Das Ganze hat uns schon sehr gefallen.“

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Ulrike Bömmie hat den Unfallort durch Zufall entdeckt. Sie wohnt eigentlich in Adlershof, am Alexanderplatz war sie wegen eines Arzttermins. Und weil Julius so ein großer Feuerwehrfan ist, zog es ihn zu den Blaulichtern und den roten Feuerwehrautos, die er auf der Straße entdeckt hatte. Die Mutter ging mit. Erst vor Ort erfuhr sie den Grund des Großeinsatzes.

Ein paar Meter verfolgt eine andere junge Frau die Aufräumarbeiten. Sie wohnt in der Nähe und hat den Aquadom immer wieder besucht. „Das ist schon eine Katastrophe“, sagt sie. Ihr Schal ist um den Hals gewickelt, sie hüllt sich in einen langen, dunklen Wintermantel. Es ist verdammt kalt, wenn man sich eine Zeitlang nicht bewegt. „Eine Tragödie“ ergänzt sie dann leise. „Die haben sich ja auch um den Artenschutz gekümmert.“ Aber auch die Architektur des Aquadoms habe sie fasziniert. Man fragt sich ja, wie funktioniert es, dass so ein Fahrstuhl mitten im Aquarium nach oben fährt.“

Ein Statiker prüft die Risse in Decken und Wänden

Vor ihr taucht ein Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes auf, an der Leine einen Collie von der Hunde-Rettungsstaffel. Der Einsatz der Tiere ist vorbei, der Collie wird in seine Box im DRK-Lieferwagen gehievt. Ein lautes Winseln dringt über den Gehweg.

Und irgendwo im Hotel arbeitet inzwischen auch ein Statiker, der das Gebäude untersucht. „Wir haben Risse in Decken und Wänden gesehen“, sagt Feuerwehrsprecher Wentzel, „der Statiker muss prüfen, ob das Gebäude sogar einsturzgefährdet ist.“

In der Karl-Liebknecht-Straße ist inzwischen eine junge Frau vor Kälte zitternd bei einem Polizisten aufgetaucht. Auch sie wohnte im Hotel, war aber nicht im Gebäude, als es knallte. Der Beamte zeigt ihr den Weg zum Klapptisch. Doch bevor sie sich registrieren lässt, muss sie fast schluchzend eine bittere Botschaft loswerden: „Meine Kleider, mein Geld, alles im Hotel.“ Doch das Hotel ist geschlossen.

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