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„Kann unmöglich Urlaub machen, wo 40 Prozent Nazis wählen“: So reagiert die Tagesspiegel-Community auf Beschwerden Brandenburger Gastwirte
Während eine Gastronomin in Brandenburg über leere Betten klagt, berichten Leserinnen und Leser von offener Hetze und rechtsextremer Stimmung in Brandenburg. Für viele ist Urlaub dort keine Option mehr.
Stand:
Nach der Bundestagswahl im Februar hat die AfD in vielen ostdeutschen Wahlkreisen gewonnen, was auch Auswirkungen auf den Tourismus hat. In Orten wie Wittenberge berichtet eine Gastwirtin von einem deutlichen Rückgang der Buchungen, was sie auf die politische Stimmung zurückführt.
Anette Riehl, Betreiberin einer Pension in der Region, beklagte sich, dass Gäste oft aus politischer Skepsis fernbleiben. Sie appelliert an die Besucher, sich ein eigenes Bild von der Region zu machen und die Gastfreundschaft vor Ort zu erleben: Brandenburg verdiene eine Chance. Doch was die Tagesspiegel-Leser berichten, zeichnet ein anderes Bild.
Viele Leserinnen und Leser zweifeln, ob sie in Regionen Urlaub machen möchten, in denen rechte Einstellungen offen vertreten werden. Sie fürchten Ausgrenzung oder Anfeindungen – etwa wegen Herkunft, sexueller Orientierung oder politischer Haltung. Einige berichten von konkreten Vorfällen, die sie abschrecken. Besonders bei hohen AfD-Wahlergebnissen und offen rechtsextremem Gedankengut fragen sich viele: Wie soll man dort unbeschwert Urlaub machen? Hier lesen Sie, was unsere Leserinnen und Leser in Brandenburg erlebt haben.
Benmawie
Ich kann jeden verstehen, der keine Lust mehr hat, in den blauen Gegenden Urlaub zu machen. Ich habe auch keine Lust mehr. Man sitzt dort gemütlich in einem Café, Restaurant, Lokal oder sonst wo und muss am Nachbartisch hören, wie laut und unüberhörbar über Ausländer und Flüchtlinge gehetzt wird. Da vergeht einem das Essen und der Urlaub. Die Hetze ist dort überall sicht- und hörbar. Schade für die schöne Landschaft.
Jarvis
Es tut mir leid für Pensionsbetreiber, die unter den Wahlergebnissen der letzten Bundestagswahl auf diese Weise mittelbar leiden. Aber ich kann unmöglich an einem Ort Urlaub machen, bei dem ich davon ausgehen muss, dass 40 % der Wähler dort Nazis sind. Ich finde diese Wahlergebnisse heutzutage sogar noch verwerflicher als Anfang der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts, denn die Wähler heute wissen genau, wozu diese Rechtsradikalen fähig sind. Sie dennoch zu wählen, widert mich an.
Ich möchte an dieser Stelle einen Antwortbrief Einsteins an Otto Hahn vom 28. Januar 1949 auf eine Einladung nach Deutschland hin zitieren, der meine diesbezügliche Gefühlswelt gut wiedergibt:
„Nicht einmal Reue und ehrlicher Wille zeigt sich, das Wenige wieder gut zu machen, was nach dem riesenhaften Morden noch gut zu machen wäre. Unter diesen Umständen fühle ich eine unwiderstehliche Aversion dagegen, an irgend einer Sache beteiligt zu sein, die ein Stück des deutschen öffentlichen Lebens verkörpert, einfach aus Reinlichkeitsbedürfnis.“
Nocheiner
Wer möchte schon in einem Umfeld Urlaub machen, in dem extremistische Meinungen verbreitet sind? Und nicht nur Meinungen, sondern auch Taten. Wenn du vom Supermarkt zum Campingplatz gehst und dich dann zwei Jungnazis anpöbeln und sogar angreifen, hast du keine Lust mehr, dort Zeit zu verbringen. So geschehen am Himmelfahrtswochenende einer Gruppe Jugendlicher, bei der auch meine Tochter dabei war.
Das Problem ist, dass sich einige dort in einer Mehrheit wähnen und sich Zustände wie in den 90ern ankündigen. Dann aber gehen die Touristen eben woandershin. Zu Recht, denn wer möchte schon in solche Situationen im Urlaub geraten? Ich nicht, und dann fahre ich eben in zivilisiertere Gegenden.
Wendet Euch nicht an die Touristen. Wendet Euch an Eure Freunde und Bekannte, die ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben.
Tagesspiegel-User JeanLuc7
JeanLuc7
Wendet Euch nicht an die Touristen. Wendet Euch an Eure Freunde und Bekannte, die ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben. Überzeugt sie, wieder eine Partei des FDGO-Spektrums zu wählen. Alles andere löst sich dann von selbst.
Kondabass
Es kommt, wie es kommen musste. Brandenburgs große Chance war und ist der Tourismus. Schönes Land, offene Seen, Meer. Gut für Tagesausflug aus Berlin, Kurzurlaub oder auch länger. Als ich das erste Mal in den 90ern auf Rügen war, herrlich. Aber auch damals bekam ich schon so ein Gefühl. Habs abgetan und dachte, ach, so sind die Insulaner, damals aber waren auch die Zahlen der Rechtswähler schon hoch.
In den 0er Jahren dann dachte ich, ja, jetzt geht alles in eine gute Richtung. Freunde kauften sich Immobilien oder hatten schon welche. Ich traf Bayern, die in Brandenburg Urlaub machen. Brandenburg boomte. Aber seit ein paar Jahren die Rückwärtsentwicklung. Anti-Bouletten, Anti-Grün, Anti-West ... als bräuchte es immer ein Feindbild, um sich eine Identität zu konstituieren. Die Menschen mit der Pension und auch andere tun mir leid, aber der Appell an die Touristen wird es nicht richten. Tourismus für alle funktioniert nur mit Willkommenskultur und Lust am Unterschied.
Yarramalong
Ich habe nie solche Probleme erlebt, wohl weil ich mittlerweile durch den Osten fahre wie einst durch die DDR – ohne Anhalten, durch bis zum Ziel. Traurig, aber wahr.
Ich rate jedem Besucher aus Südamerika oder Asien von den neuen Ländern ab.
Tagesspiegel-Userin Annemie
Annemie
Mein Mann ist Inder mit dunkler Hautfarbe. Ich habe ihm schon vor zwanzig Jahren verboten, in die sogenannten neuen Länder zu reisen, die Gefahr des Rechtsextremismus ist mir zu groß. Ich rate jedem Besucher aus Südamerika oder Asien von diesen Ländern ab. Der Fachkräftemangel in diesen Regionen in der Gastronomie oder Pflege oder bei den Hausärzten wird an der rechten Gesinnung auch nichts ändern. Es ist schade, den Mauerfall damals habe ich begrüßt und mich gefreut. Vierzig Prozent AfD-Wähler lässt mich schaudern und kotzen!
Minztee
So leid es mir auch für die vernünftigen Menschen in Brandenburg tut, mich werden trotzdem in den nächsten Jahren keine zehn Pferde dazu bringen, dort Urlaub zu machen! Wie soll ich denn entspannt Urlaub machen, wenn ich annehmen muss, dass ein Großteil der Menschen um mich herum mich aufgrund meiner Sexualität oder Lebensweise aus dem Land schmeißen will? Mal drastisch ausgedrückt. Und ich habe da noch Glück, da ich „zumindest“ noch blond bin.
Jetzeaba
Selbstverständlich gibt es auch in der Hotelerie/Gastronomie weltoffene, nicht AfDumm wählende Menschen. Etliche könnten ja auch ihr Unternehmen ohne Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund gar nicht betreiben. Viele dieser Gewerbetreibenden sind in den örtlichen Tourismusvereinigungen vertreten bzw. aktiv. Da könnten dann ggf. auch Aktionen wie „Wittenberger Beherbungsbetriebe vereint gegen Rassismus, Nazismus und Homophobie“ initiiert werden.
Schaefea
Vor nicht allzu langer Zeit bin ich mit dem Rad durch Wittenberge gekommen auf dem Weg von Hamburg nach Berlin und habe dort übernachtet. Ich hatte nicht bedacht, dass Montag ist. Montagsdemo. Mit dabei eine Reihe klassischer Neonazis, aber auch eher bürgerlich aussehende Menschen. Die Redebeiträge ein wilder Mix aus Verschwörungstheorien und seltsamen Anforderungen an die Politik. Ein Handwerker beschwerte sich darüber, dass er seine Auszubildenden bezahlen muss und sie nicht über die gesetzlichen Zeiten hinaus arbeiten lassen darf.
Wir haben uns dann sehr schnell in unsere Unterkunft zurückgezogen. Und ja, das war das letzte Mal, dass ich in Wittenberge übernachte. Ich habe durchaus wahrgenommen, dass sich die Stadt auf Radtourismus einstellt. Aber was nützt mir das, wenn ich mit meiner demokratischen Grundeinstellung in dieser Stadt nicht willkommen bin. Als Berlinerin fahre ich natürlich trotzdem noch nach Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Aber ich wähle aus, wo ich hinfahre.
Nocheiner
Ja, wenn es einigen in Brandenburg und den Ostländern wichtiger ist, den rechten Macker zu geben und damit Gäste zu belästigen, bleiben diese eben nachhaltig fern. Gleiches gilt für Fachkräfte, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, die eben dann dort nicht mehr in Wirtschaft, Verwaltung, Krankenversorgung und so weiter arbeiten, weil sie das jämmerliche rechtsradikale Gesülze nicht ertragen oder das vorherrschende Mindset (wenn auch nicht aller) als gefährlich für Leib und Leben empfinden. Denn aus Worten werden Taten – wir kennen es aus den Baseballschlägerjahren.
Dann können sich die Rechten dort gerne in einem deindustrialisierten Land ohne Infrastruktur und Krankenhäuser weiter ihrer völkischen Ideologie hingeben. In ihren drive-thru-states zwischen den liberalen und lebenswerten Metropolen. Aber bitte dann nicht jammern. Niemand muss dort leben und versuchen, eine Existenz aufzubauen, solange Teile der eigenen Bevölkerung dem Tourismus und der Wirtschaft aus idiotischen Gründen schaden.
Solange ich als toleranter und weltoffener Bürger dieser Erde nicht weiß, ob neben mir ein rechtsextremer Neonazi mit seiner Familie urlaubt, werde ich nicht kommen.
Tagesspiegel-Userin AntjeMarie
AntjeMarie
Vielleicht sollten alle von der Tourismusbranche Lebenden in den Ostbundesländern auf ihren Webseiten ihre Unternehmenskultur beschreiben und veröffentlichen. Wenn ich dort lesen kann, dass Menschen mit nationalistischem und menschenfeindlichem Gesinnungsgut nicht willkommen sind, werde ich wieder buchen. Solange ich als toleranter und weltoffener Bürger dieser Erde nicht weiß, ob neben mir ein rechtsextremer Neonazi mit seiner Familie urlaubt, werde ich nicht kommen.
Aber dazu fehlt den meisten Anbietern der Mut, das hieße ja, sich öffentlich zur Demokratie und Vielfältigkeit in dieser ostbraunen Gemengelage zu bekennen. Und ja, es kann auch passieren, dass Sie dann angefeindet werden. Aber im Leben ist nichts umsonst, auch nicht die Demokratie. Also, bevor ich um eine Chance gebeten werde, brauche ich erst mal Sicherheit, zu wem ich da eigentlich in den Urlaub reise.
So gut wie jedes Gespräch mit Einheimischen gleitet irgendwann zum Thema Migranten ab und dann wird es ungemütlich.
Tagesspiegel-Userin Pat7
Pat7
Warum sollte ich? Denen gab ich genug Chancen und ich bin selbst Ossi. Mittlerweile habe ich nach unseren Erfahrungen eine tiefe Abneigung gegen die ostdeutsche Provinz. So gut wie jedes Gespräch mit Einheimischen gleitet irgendwann zum Thema Migranten ab und dann wird es ungemütlich. Das tun wir uns nicht mehr an. Wenn Besuche im Umland, dann ohne Kontakt zu Einheimischen. Essen und Trinken wird mitgenommen.
Grossstadtberlinerin
Wer macht schon gerne Urlaub, wo Dritter-Weg-Aufkleber o.Ä. an den Laternenmasten Zeit haben zu verbleichen.
Caldoverde @grossstadtberlinerin
Eine Freundin von mir wurde von einem Anwohner in Ahlbeck mit dem Auto verfolgt, als sie einen „White Supremacy“-Aufkleber im Wohngebiet von einem Laternenmast entfernt hat. Sie konnte sich retten, weil eine Touri-Gruppe Rentner entgegenkam. Aber klare Einschüchterung der Touristin. An der Promenade werden solche Aufkleber glücklicherweise von der Gemeinde entfernt.
Mikael
Letzten Sommer war ich mit meiner Familie in Eisenach. Wollte der Region ne Chance geben, trotz Bauchschmerzen gegenüber bekannten politischen Einstellungen dort. Eigentlich auch ne ganz schöne Stadt ... Wären da nicht die vielen Faschisten, die dann auch noch beim Stadtbummel massiv dort aufgetreten sind; als großer Demonstrationszug. Nachdenklich hatte uns auch gestimmt, dass bei Stolpersteinen für Ermordete/ Verschleppte der Familienmitglieder der Familie „Apfel“ regelmäßig Apfelgriebsche dort lagen. Unerträglich für uns. Das war leider der erste und letzte Besuch dort von uns in absehbarer Zeit.
Puschel69
Liebe Einwohner von Brandenburg! Ihr lebt da wirklich auf einem sehr schönen Fleckchen Erde mit vielen Seen, Wäldern, im Norden die Ostsee und toll sanierten mittelalterlichen Städtchen. Gebt uns Touristen wieder eine Chance, eure Idylle im wohlverdienten Urlaub genießen zu können!
Hetzt am Nachbartisch nicht über Ausländer! Klagt nicht ständig über euer Leid! Versprüht gute Stimmung und Zuversicht! Lasst alle Touris sein und leben nach ihrem Gusto! Bedroht und attackiert keine Menschen mit Behinderung, keine Ausländer, keine Linken und keine Andersdenkenden! Macht keine martialisch anmutenden Demos mehr mit tätowierten Stiernacken, Reichskriegflaggen und NS-Demagogie! Gebt uns Touristen wieder eine Chance!!!
Schirmi55
Wie schrieb der Dachdecker aus Sebnitz? Keine Hakennasen und keine Bimbos. Eine ähnliche Haltung ist uns in Ahlbeck und Heringsdorf verstärkt begegnet. Viele Jahre sind wir gern nach Usedom, nach Görlitz oder Pirna gefahren. Warum verschließen wir Augen und Ohren vor so viel braunem Gedankengut? Eine Lösung, außer demokratisch wählen und leben, gibt es nicht. Urlaub machen wir im Osten von Deutschland jedoch nicht mehr.
(Korrekturhinweis: Die Aussage zu leeren Betten in Brandenburg bezieht sich ausschließlich auf die Aussage der im Artikel erwähnten Gastwirtin. Entsprechende Passagen wurden im Text korrigiert. Wir bitten für die Unklarheit um Entschuldigung.)
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