zum Hauptinhalt
Bereiche in der U-Bahn, in die Männer nicht rein dürfen? Wir haben Fahrgäste gefragt, was sie von dem Vorschlag halten.

© Tagesspiegel/Kitty Kleist Heinrich

„Ich würde meine Tochter nie allein fahren lassen“: Das sagen Berliner Fahrgäste zur Petition für Schutzräume bei der BVG

Eine neue Petition fordert geschützte Abteile für nicht-männliche Fahrgäste und erhält viel Zuspruch. Wir haben uns bei Fahrgästen umgehört, wie sie die Idee finden.

Stand:

Es ist Silvester 2014. Alex Born steigt aus der U-Bahn, ein Mann verfolgt sie. Später habe dieser Mann sie vergewaltigt, wie die Aktivistin nun öffentlich berichtet. Einige Jahre später – es ist wieder Silvester – habe sie einen weiteren erschütternden Moment in der U-Bahn erlebt: „Ein etwa 50-jähriger Mann fotografierte in der U-Bahn einem Mädchen unter den Rock – direkt vor meinen Augen.“

Es sind diese Erlebnisse, die die Aktivistin dazu veranlassten, eine Petition zu starten: Darin fordert Alex Born die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) dazu auf, Schutzräume in Zügen für Flinta-Personen einzurichten. Bis Freitagmittag haben schon mehr als 16.500 Menschen unterschrieben.

Ich würde meine Tochter nie allein fahren lassen.

Turan begrüßt die Petition

Born verlangt von der BVG einen „klar gekennzeichneten Bereich“ für Flinta-Personen – also für Frauen, Lesben, Inter*-Personen, Non-Binary*-Personen, trans*-Personen und Agender*-Personen. Es soll ein geschützter Raum sein, „in dem wir sicher unterwegs sein können, ohne Angst vor sexueller Belästigung“, sagt Born.

Dafür schlägt die Aktivistin den hinteren Teil der U-Bahnen, Trams und der Busse vor, weil dort oft übergriffige Männer säßen. Um den Bereich kenntlich zu machen, empfiehlt sie lilafarbene Sitze.

Die meisten Frauen, die der Tagesspiegel befragt hat, befürworten die Petition. Sie berichten teilweise von ähnlichen Erfahrungen – davon, dass sie sich schon mal unsicher in öffentlichen Verkehrsmitteln gefühlt haben, weil Männer ihnen zu nahe gekommen sind. So auch Turan. Sie empfindet Busse und Züge als solch’ übergriffige Orte, dass sie sagt: „Ich würde meine Tochter nie alleine fahren lassen.“

Isabella kann diesen Eindruck bestätigen. Es passiere oft, dass sie angestarrt werde. Es sei daher eine gute Idee, Bereiche für Frauen einzurichten. „So würde ich mich auf jeden Fall besser fühlen.“ Gleichzeitig, sagt sie, sei es aber auch traurig, dass diese Debatte überhaupt geführt werden muss. „Am liebsten würde ich die Männer ändern“, sagt sie.

Auch Olga erzählt, dass sie Momente kennt, in denen sie sich in Gegenwart von Männern unwohl fühlt. „Besonders wenn die Bahn leerer ist und ich merke, dass ich fast die einzige Frau bin.“ Und: Sie habe eine Angst vor betrunkenen Männern entwickelt.

Gegenvorschlag: Awareness-Teams ins Zügen?

Laura sagt, sie würde Flinta-Bereiche in der BVG selbst gerne nutzen, wenn sie eingerichtet würden. Sie kenne diese Gedankenspiele von sich, wenn sie aus der Bahn aussteigt: „Folgt mir der Mann jetzt oder nicht?“ Passiert sei bisher aber nichts.

Elisa ist sich nicht sicher, ob das eine gute Idee ist. Klar, es brauche mehr geschützte Räume, „safe spaces“. Aber sie hat Sorge, dass sich die Diskriminierung durch Männer verschlimmern könnte. „Extra-Wagons könnten sie als Abgrenzung wahrnehmen.“ Sie fände es besser, wenn Awareness-Teams die Züge kontrollierten. So einem Team würde sie sich gerne anschließen und für Ordnung sorgen.

Selma sagt, ein Flinta-Bereich würde die Sicherheit bestimmt erhöhen, weil sich dort weniger Cis-Männer (eine Person, der bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen wurde und die sich auch als Mann identifiziert) aufhielten. Allerdings sei fraglich, ob man die Bereiche gut kontrollieren könne. „Eine langfristige Lösung ist das nicht“, sagt sie. „Es sollte eher von der Sozialisierung her und der Bildung gelöst werden“, sagt sie.

Betroffen von sexuellen Übergriffen sind meistens Frauen

Im Berliner Nahverkehr ist die Zahl der registrierten Straftaten im vergangenen Jahr zwar insgesamt leicht zurückgegangen – doch bei Sexualdelikten zeigt sich ein gegenteiliger Trend: Laut einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen stieg deren Zahl 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent. Insgesamt wurden 380 Fälle gemeldet – mehr als ein sexueller Übergriff pro Tag. Betroffen sind meist Frauen, die Täter in der überwiegenden Mehrzahl männlich.

Bereits im November 2024 hatte die verkehrspolitische Sprecherin der Berliner Grünen, Antje Kapek, vorgeschlagen, spezielle Frauenabteile in U-Bahnen einzuführen. Ziel sei es, weibliche Fahrgäste gerade in vollen Zügen besser vor Übergriffen zu schützen. Anlass war unter anderem eine Vergewaltigung im Frühjahr 2024 auf der U3 in Zehlendorf.

In anderen Ländern gibt es bereits in Zügen Schutzräume für Frauen

Ein Vorbild für solche Maßnahmen ist Tokio, wo abends in Zügen spezielle Frauenabteile eingeführt wurden. Sie sollen weiblichen Fahrgästen einen sicheren Raum bieten und es ihnen ermöglichen, auch bei starkem Gedränge ohne Belästigung unterwegs zu sein. Und: In der U-Bahn von Neu-Delhi stehen weiblichen Fahrgästen spezielle Waggons zur Verfügung, die allerdings meist nicht baulich vom restlichen Zug abgetrennt sind.

Auch in Rio de Janeiro sind während der Hauptverkehrszeiten an Werktagen einzelne Abteile ausschließlich für Frauen reserviert. In Österreich bieten die Bundesbahnen (ÖBB) in Nachtzügen sogenannte Damenabteile an, in denen Frauen unter sich reisen können.

Laut RBB verweist die BVG auf Anfrage zur Petition indes auf ihr bestehendes Sicherheitskonzept. Wer sich unwohl fühle, könne jederzeit über die Notruf- und Informationssäulen Kontakt zu Mitarbeitern und der Sicherheitsstelle aufnehmen. Zudem verfügten alle Fahrzeuge über Alarm- und Notrufeinrichtungen. Die BVG hätten außerdem auf bestimmten U-Bahnlinien Reinigungs- und Sicherheitsstreifen nach einer Testphase verstetigt, um das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste zu steigern. Auch die zunehmend durchgängigen U-Bahn-Züge, ohne getrennte Abteile, sollen für mehr Sicherheit sorgen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })