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Ein Ort für Aussteiger – und Versteck für Terroristen? Der Fips-Wagenplatz in Friedrichshain ist eine der letzten linken Inseln in Berlin.

© Tagesspiegel

Im Bauwagen neben dem RAF-Terroristen: So erinnert sich ein Berliner Nachbar an Burkhard Garweg

Dem Ex-RAF-Terroristen auf der Spur: Die Polizei hat Burkhard Garweg auf einem Friedrichshainer Wagenplatz gesucht. Ein Bewohner erinnert sich an ihn – und der Verein distanziert sich.

Stand:

Bei der Fahndung nach den beiden früheren RAF-Terroristen Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub rückt plötzlich ein kleiner Bauwagenplatz in Berlin in den Mittelpunkt der Ermittlungen. Hier, am Markgrafendamm in Friedrichshain, soll sich zumindest Garweg aufgehalten haben, da ist sich die Polizei inzwischen sicher. Einen Container der Fips-Wagenburg hat sie sichergestellt, das Gelände ist an diesem Montag abgeriegelt, zahlreiche Beamt:innen arbeiten auf dem Areal. Der Tagesspiegel hat mit Bewohner:innen gesprochen.

Ein 61-Jähriger, der sich Oskar nennt, will Garweg mal auf dem Gelände gesehen haben, ein anderer berichtet, sein Hund habe mit Garwegs Hund Streit gehabt – wenn er es denn wirklich gewesen ist. Dass es sich bei ihm um einen RAF-Terroristen handelt, hätten sie aber jedenfalls nicht gewusst, beteuern beide. Erst durch die Fahndungsfotos in den Medien sei ihnen aufgefallen, dass es sich bei ihrem Nachbarn um den gesuchten Garweg gehandelt haben dürfte.

Wir als Verein würden da nicht hinterstehen, wenn wir das gewusst hätten.

Dennis vom Vorstand des Fips-Trägervereins Edelrost

„Der war immer ganz freundlich“, sagt Oskar, der schon seit zehn Jahren auf dem Gelände wohnt. Wann er ihm zuletzt begegnet ist, kann er nicht mehr sagen. „Man kennt eigentlich jeden dort“, sagt er und beschreibt das Leben: „Mit manchen trinkt man einen Kaffee, andere kann man nicht leiden, und manche sieht man kaum.“

Oskar will Garweg auf dem Fips-Gelände gesehen haben – ohne zu ahnen, um wen es sich handelt.

© Tagesspiegel/Robert Klages

Geordnetes Chaos. Ein Blick auf den Wagenplatz vor einigen Monaten.

© Tagesspiegel

Fotografieren verboten. Die Bewohner:innen des Platzes wollen nicht gestört werden.

© Tagesspiegel

Auf dem Areal wohnen wohl rund 20 Personen. Darunter auch Dennis, er hat dort seit drei Jahren eine Kunstschlosserei und ist im Vorstand des Trägervereins. Er sagt ganz klar: „Wir als Verein würden da nicht hinter stehen, wenn wir das gewusst hätten.“

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Nicht politisch organisiert, aber doch ein politischer Ort

Derzeit herrsche natürlich große Konfusion und Unruhe. Die Polizei gibt an, kein Privateigentum zu durchsuchen, allerdings wurde schon der ein oder andere Wagen aufgebrochen – unklar ist, von wem. Bei der Polizei aussagen mussten die Bewohner:innen bisher noch nicht. Teile des Areals dürfen derzeit aber nicht betreten werden.

Wir sind hier nicht die Rigaer Straße.

Dennis vom Vorstand des Fips-Trägervereins Edelrost

Gewalttätig sei in ihrem Kollektiv niemand, sagt Dennis. Es handele sich eher um Künstler:innen. „Und wo Kunst ist, da ist Linkssein natürlich nicht weit“, ergänzt Oskar und lacht. Das sei auch beispielsweise am Gorki-Theater oder anderen Bauwagenplätzen in Berlin so. Aber es sei hier kein organisierter politischer Raum. „Wir sind hier nicht die Rigaer Straße.“ Dort befindet sich seit Jahren eine Hochburg der Autonomen.

Ein politischer Ort ist die Fips-Wagenburg in jeden Fall. Denn sie steht auf einer Vorhaltefläche für die geplante Stadtautobahn A100. Daher formiert sich auf dem Areal der Widerstand gegen die A100: Von hier werden Demonstrationen eingeleitet, denn natürlich sind die meisten hier gegen eine Stadtautobahn, vor allem, wenn durch deren Bau der eigene Bauwagen weg müsste.

Abgeriegelt. Seit Sonntag war die Polizei schon zweimal auf dem Fips-Wagenplatz im Einsatz – auf der Suche nach Burkhard Garweg.

© Tagesspiegel/Robert Klages

Der Verein Fips hatte das 6000 Quadratmeter große Gelände neben den Schienen der Berliner Ringbahn, unweit des Bahnhofs Ostkreuz, 1992 von der Treuhand gemietet. Seit 1996 gehört die Fläche dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und wird zur gewerblichen Nutzung vermietet.

Verein: Haben Garwegs wahre Identität nicht gekannt

Inzwischen heißt der Trägerverein des Fips-Geländes Edelrost. Am Montagnachmittag verliest die Gruppe eine Erklärung, in der sie beteuert, von Garwegs wahrer Identität nichts geahnt zu haben. Bis Sonntag habe man „weder seinen echten Namen“ gewusst, „noch dass es Ermittlungen gegen ihn gab“. Man sei „selbst von den Vorgängen vollkommen überrascht worden“, heißt es.

Der Wagen, in dem Burkhard Garweg gelebt haben soll, wird am frühen Montagmorgen vom Technischen Hilfswerk abgeschleppt.

© dpa/Dominik Totaro

„Alle Menschen, die auf dem Projektgelände wohnen oder arbeiten, sind schockiert von den Ereignissen und dem großen und überraschenden Polizeieinsatz am Sonntag“, erklärt der Verein. „Die polizeilichen Maßnahmen auf dem Gelände galten einem einzelnen Menschen und nicht unserem gesamten gemeinsam genutzten Gelände.“ Man stehe „seit jeher für alternative Kultur und ein friedliches Zusammenleben aller Menschen“ und distanziere sich „von Gewalt aller Art“.

Auf dem Wagenplatz soll Garweg unter dem Namen „Martin“ aufgetreten sein, so ein Staatsanwalt. Man nehme derzeit an, dass vielen die wahre Identität nicht bekannt gewesen sei – aber prüfe zugleich, ob einzelne doch im Bilde gewesen seien.

Wer nichts von seiner Vergangenheit erzählen möchte, muss das auch nicht

Die Bewohner:innen des Wagenplatzes leben selbstverwaltet. Klassisch für Berlin: Natürlich gibt es regelmäßig stattfindende „KüFas“, Küche für alle – jeder bezahlt, wie viel er mag oder kann. Wer nichts über seine Vergangenheit erzählen möchte, muss das auch nicht, es gibt keine gegenseitige Kontrolle. Dennis beschreibt es so: „Für den einen ist es Lebensraum, für den anderen ein Atelier, für den nächsten Freiheit.“ Aber auf jeden Fall ein „Refugium für Leute, die in der kapitalistischen Welt wohl kaum Chancen hätten“.

Ein Ort der Kunst und der linken Aussteiger – und immer auch des Widerstands gegen das gesellschaftliche System.

© Tagesspiegel

„Zimmervermittlung“. Auf dem Wagenplatz kann man Unterschlupf finden.

© Tagesspiegel

Das sieht Oskar genauso. Ein Grund für ihn, hier zu leben, sei natürlich die günstige Miete. „Und ich brauche viel Licht, Luft und Sonne.“ Neben den Bauwagen gibt es kleinteiliges Gewerbe, Werkstätten, Hobbyräume und Ateliers.

Derzeit wird das alles von der Polizei bewacht, Bewohner:innen dürfen raus und rein, müssen aber Ausweise vorzeigen. Besucher:innen oder Kund:innen der Werkstätten werden gelegentlich abgewiesen. Dennis sagt, er hoffe, dass das bald vorbei sei und sie ihr Leben führen können, wie zuvor auch.

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