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Angstraum in Orange. Als Grusel-Drehort ist der Tunnel populär.

© Kai-Uwe Heinrich

Messe Berlin: Im Tunnel am ICC soll bald Musik laufen

Die berüchtigte Fußgängerunterführung am Messegelände soll aufgehübscht werden. Vielleicht verschwindet sie aber auch ganz.

Manche sprechen von einem „Angstraum“ oder dem „Tunnel des Grauens“: Die Fußgängerunterführung am Messegelände ist berüchtigt für die selten funktionierenden Rolltreppen und Aufzüge und den häufigen Uringestank. Bauliche Verbesserungen sind nicht absehbar. Damit sich Passanten trotzdem bald wohler fühlen, will die Messe Berlin den Tunnel nun mit Musik beschallen. In etwa drei Monaten könne es losgehen, sagte Sprecher Emanuel Höger bei einer Podiumsdiskussion über das Bauwerk zwischen dem Zentralen Omnibusbahnhof, dem S-Bahnhof Messe Nord und dem Internationalen Congress Centrum (ICC).

Was genau zu hören sein wird, steht noch nicht fest. Laut Höger will man „keine atonale Musik“ zur Vertreibung der Obdachlosen und anderer ungebetener Gäste erklingen lassen. Gleichwohl nimmt er an, dass „bei Musik keiner mehr im Tunnel übernachtet“.

Die Einladung zur Diskussion stammte vom Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne). Er möchte die Unterführung für Kunst und Jugendkultur nutzen. „Wir brauchen freie Räume, es werden immer weniger“, sagte Schruoffeneger und zog einen Vergleich mit dem Teufelsberg, wo Streetart-Künstler die einstige Abhörstation nutzen. Mit der Messe Berlin und der Tourismusgesellschaft VisitBerlin will der Stadtrat eine Allianz bilden, um Ideen bis zum Jahresende zu konkretisieren und die Landesregierung um Gelder aus der Bettensteuer (City Tax) zu bitten.

Unter Skatern ist der Tunnel beliebt

„Mit sportlicher Jugendarbeit ist viel möglich“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Skateboardverbands, Hans Jürgen „Cola“ Kuhn. Unter Skatern sei der Tunnel beliebt, weil es darin immer trocken bleibe. Andernorts in Berlin seien solche Orte rar, es gebe „nur eine professionell betriebene Skaterhalle“. Nach seiner Kenntnis suchen auch Berliner Bogenschützen „einen windstillen Ort“. Außerdem könne es Billard- und Tischtennisturniere geben. Ähnlich argumentierte Uwe Buhrdorf von der Veranstaltungsagentur „die wellenmaschine“, der zusätzlich Fotoausstellungen vorschlug.

Ein professioneller Eventmanager könne damit beauftragt werden, Nutzungen zu koordinieren, schlug der Architekt und Publizist Wilfried Wang vor. Mit Messesprecher Höger war er sich einig darin, dass man die längerfristige Zukunft im „größeren Zusammenhang“ mit der geplanten Neugestaltung des Autobahndreiecks Funkturm sehen müsse.

Für die Rolltreppen gibt es keine Ersatzteile

Vielleicht sind die Tage des Tunnels schon gezählt. Die Senatsverkehrsverwaltung erwägt, ihn abzureißen beziehungsweise zuzuschütten. In ungefähr drei Jahren will sie mit dem Umbau der Kreuzung an der Ecke Messedamm/Masurenallee/Neue Kantstraße beginnen – und vor allem Fußgängerampeln installieren. So verlöre die Unterführung ihren bisherigen Sinn. „Die Verkehrsverwaltung wird den Bau nicht mehr unterhalten wollen“, sagte deren Straßenbau-Experte Horst Wohlfahrth von Alm. Bisher investiere man 300.000 bis 400.000 Euro pro Jahr.

Die Tunnelschließung könne auch technisch notwendig werden. Die gesamte Ampeltechnik sei nämlich auf dem „Ingenieurbauwerk“ montiert und damit schwer versetzbar für die geplante „kompaktere“ Kreuzung. Lösungen soll eine Machbarkeitsstudie aufzeigen, die für das erste Halbjahr 2019 erwartet wird. Wohlfahrth von Alm erklärte auch, warum die Rolltreppen und die Aufzüge so oft unbenutzbar sind. Die Rolltreppen seien „Unikate“, für die es im Handel keine Ersatzteile gebe. Vielmehr müssten diese nach jedem Schaden eigens angefertigt werden.

Eine Ausschreibung für den Bau ganz neuer Rolltreppen sei gescheitert, keine Firma habe sich beworben. Eine zweite Ausschreibung sei angedacht. Bei den zwei Fahrstühlen bestehe das Problem darin, dass sie als Toiletten missbraucht würden. Wenn Urinlachen oder Kothaufen zu sehen und zu riechen seien, sperre man die Aufzüge bis zur Reinigung.

Vermissen würden den Tunnel wohl besonders Filmproduzenten aus aller Welt, die wegen der auffälligen Architektur oft darin drehen. Beispielsweise hetzte Jennifer Lawrence als Rebellin in „Die Tribute von Panem – Mockingjay 2“ spektakulär zwischen den Säulen hindurch, gejagt von fliegenden Steinstacheln aus dem aufbrechenden Fußboden.

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