
© Kitty Kleist-Heinrich/Tagesspiegel
Immobilienpoker in der Kreuzberger Oranienstraße: Land Berlin fordert Millionensumme von Journalisten
Begrenzte Mieten, soziale Räume und freie Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen versprachen die Journalisten. Dafür kassierten sie Millionen. Nun fordert das Land das Geld zurück.
Stand:
Die Kreuzberger Oranienstraße hat auch außerhalb Berlins einen absoluten Kult-Status. Wo sich einst Linksautonome mit der Polizei Straßenschlachten lieferten, leben mittlerweile Besserverdienende. Eine Gruppe linker Journalisten soll sich die Gentrifizierung zu Nutze gemacht und sich mit Landesgeldern am Wohnhaus mit der Hausnummer 169 bereichert haben. Das Land Berlin zieht nun vor Gericht, es geht um eine Millionensumme.
Die Senatsbauverwaltung hat bereits im April eine Klage am Verwaltungsgericht eingereicht. Das bestätigten die Pressestelle und eine Gerichtssprecherin übereinstimmend. Der Senat fordert die Rückzahlung von Fördergeldern in Höhe von 1,7 Millionen Euro nebst Zinsen von sechs Prozent ab 1998. Wann die Klage verhandelt wird und in dem Verfahren ein Urteil ergeht, sei nicht absehbar. Die Bauverwaltung wollte sich nicht näher äußern. Zuvor hatte der „Spiegel“ über die Klage berichtet.
Wie der Tagesspiegel im Januar 2023 berichtete, war eine beteiligte Journalistin einst Chefredakteurin der „Berliner Zeitung“, sie selbst kritisierte den Ausverkauf städtischer Wohnungen scharf, pries sie als Volkseigentum. Die Eigentümer des Hauses arbeiteten bei „taz“, „Zeit“, „Süddeutsche Zeitung“ und beim „Spiegel“ selbst.
Unter dem Deckmantel eines besonderen wohnungspolitischen Projekts sollen die Journalisten um die ehemalige Chefredakteurin Ende der 90er-Jahre Sanierungskosten von mindestens 3,4 Millionen D-Mark kassiert haben.
Der Deal war klar und vertraglich fixiert: Die vermeintliche „Selbsthelfergruppe“ versprach begrenzte Miethöhen, keine Verdrängung von Altmietern, auch sollten frei werdende Wohnungen Mietern mit Anspruch auf sozialen Wohnraum vorbehalten sein – und das zwanzig Jahre lang. Dafür übernahm das Land Berlin 85 Prozent der Sanierungskosten – umgerechnet rund 1,7 Millionen Euro.
Doch von all den Versprechen soll die Gruppe schnell zurückgetreten sein. Frei werdende Wohnungen wurden unter der Hand über Privatkontakte vermietet, mit Gewinn und teurer als vereinbart. Sozialen Wohnraum für Bedürftige gab es nicht. Die Eigentümer hatten auch Gemeinschaftsräume für soziale Projekte versprochen, doch die zogen niemals ein.
Land Berlin fordert 1,7 Millionen Euro plus Zinsen
Nach Auslaufen des Fördervertrags mit dem Land im Jahr 2022 wollten die Journalisten das Wohnhaus gar gewinnbringend an einen Investor verkaufen. Nun fordert das Land die Fördergelder zuzüglich Zinsen zurück. Die Argumentation des Landes: Das „besondere wohnungspolitische Projekt“ für die Allgemeinheit, die die Sanierungskosten mitgetragen hat, habe es gar nicht gegeben.
Die Senatsbauverwaltung hatte auch Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Schwerer Betrug verjährt nach fünf Jahren. Weil die Sozialbindung für das Haus 2017 auslief, wurde kein Verfahren eingeleitet.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: