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Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD).

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Update

Verdacht der Strafvereitelung im Fall Anis Amri: Innensenator Geisel zeigt Berliner LKA an

Ermittler sollen Pannen im Fall Anis Amri vertuscht haben. Der Berliner Senat hat nun Anzeige wegen möglicher Strafvereitelung im Amt und Urkundenfälschung erstattet.

Der tunesische Attentäter Anis Amri hätte vor dem Anschlag vom Dezember 2016 in Untersuchungshaft genommen werden können. Das sagte der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Demnach hatten Ermittler des Berliner Landeskriminalamtes (LKA) bei Amri banden- und gewerbsmäßigen Handel mit Drogen festgestellt – und ihn nicht nur, wie bislang bekannt, als Kleindealer geführt.

Auf dieser Grundlage sei „eine Verhaftung wohl möglich gewesen“, sagte Geisel, man werde den Sachverhalt „aufklären“, die Neuigkeiten seien „bedrückend“.

Sonderermittler Jost habe schnell die richtigen Fragen gestellt

Zudem ist Geisel zufolge eine LKA-Akte – mit der Zusammenfassung der Telefonüberwachung Amris – von Januar 2017 auf November 2016 zurückdatiert worden. Festgestellt wurde der Vorgang erst am Dienstag, er erhärtete sich am Mittwoch. Der im März vom Senat eingesetzte Sonderermittler und Ex-Bundesanwalt Bruno Jost habe schnell die richtigen Fragen gestellt, wie Geisel sagte. Der Innensenator hat Anzeige wegen möglicher Strafvereitelung im Amt und Urkundenfälschung gestellt.

Mehrere Polizisten im LKA werden disziplinarrechtlich überprüft. Eine mögliche Erklärung für die etwaige Manipulation der Akten könnte sein, dass die Beamten den Asylbewerber Amri zwar als Islamisten verfolgten, ihn aber nicht wegen Dealens festnehmen wollten. Möglicherweise hätten Ermittler die Erkenntnisse nicht verfolgt, weil Drogenhandel eben keinen islamistischen Hintergrund habe, sagte Geisel.

Im Nachgang sei der Vermerk dann womöglich verändert worden, um die Panne zu verschleiern. Senator Geisel betonte, es handele sich dabei aber um Spekulation. Gewerbsmäßiger Drogenhandel ist ein Verbrechen und sollte bei Beobachtung zur Festnahme führen.

Asylbewerber Amri war am 19. Dezember 2016 mit einem entführten Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast. Insgesamt tötete Amri zwölf Menschen. Mehr als 50 Männer, Frauen und Kinder wurden verletzt. Es war der folgenschwerste islamistische Anschlag in Deutschland. Wenige Tage später wurde Amri auf der Flucht in Italien von Polizisten erschossen.

AfD und FDP fordern Untersuchungsausschuss

Auch dort war er zuvor als Krimineller aufgefallen. In Italien saß er nach seiner Ankunft in Europa eine vierjährige Strafe ab: Der Tunesier hatte eine Schule angezündet und einen Sozialarbeiter geschlagen.

In Berlin verkehrte Amri vor der Tat in der Fussilet-Moschee in Moabit. Der dort residierende Verein ist von Geisel kürzlich verboten worden. Als Asylbewerber registrierte sich Amri in Deutschland mit womöglich bis zu 14 Identitäten. In Nordrhein-Westfalen und Berlin bezog er Sozialleistungen.

Nach dem Anschlag war bekannt geworden, dass Amri deutschen Behörden schon länger als sogenannter Gefährder bekannt war. In Berlin war Amri in einen Überfall unter Dealern beteiligt. Er hatte auch Kontakte zu einem Mitglied eines arabischen Clans.

Die AfD forderte am Mittwoch einen Untersuchungsausschuss in Berlin. Auch der FDP-Landeschef Sebastian Czaja plädierte dafür. Die CDU möchte eine Sondersitzung des Innenausschusses.

Eine Chronologie des Versagens im Fall Amri können Sie hier nachlesen.

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