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Designer Justin Reddig und seine Partnerin Mila Greifenberg bezeichnen sich als Seelenverwandte.

© Mike Wolff

Modedesign aus Berlin-Charlottenburg: Jedes Kleid hat eine eigene Geschichte

Seine erste Modekollektion entwarf der Berliner Justin Redding mit 14 Jahren. Gerade hat er in Charlottenburg einen neuen Laden eröffnet - mit eleganter Mode und zeitlosen Stoffen.

Eine seiner ersten Kundinnen war aus New York zu Besuch in Berlin und begeistert von der femininen Aura seiner Mäntel. Das war 2004 bei seiner ersten Modenschau an der John-F.-Kennedy-Schule, die Justin Reddig damals besuchte. Er war 14 Jahre alt, zeigte 20 eigene Kreationen und wusste schon ziemlich genau, dass Mode sein Ding war. Dabei lockte ihn nicht die Glamour-Welt der großen Designer. „Es machte mir einfach Spaß, etwas mit den Händen zu machen“, erzählt er 14 Jahre später. Das Nähen und Sticken hat er sich mit zwölf Jahren autodidaktisch beigebracht.

Der junge Mann mit den markanten Augenbrauen sitzt an der Theke seines neuen Geschäfts im Fasanenhof gegenüber dem Literaturhaus, Fasanenstraße 74 in Charlottenburg. Ringsum hängen an den Stangen tragbare, elegante Modelle, Kostüme aus Chanelstoff, teils bestickt mit Perlen und Schmucksteinen, Capes aus Cashmere, Mäntel mit Lurex durchwirkt, schlichte, aber aufwendig bestickte Blusen, außerdem Blazer, romantische Tüllröcke und vor allem Abendkleider. „Justin sieht Frauen am liebsten auf dem roten Teppich“, sagt seine Geschäftspartnerin Mila Greifenberg lächelnd.

Am liebsten entwirft Justin Redding elegante Abendmode.

© Mike Wolff

Justin bestickt Kostüme selbst mit Swarowski-Kristallen

Sie ist die Frau an der Nähmaschine, die in einer Ecke des hellen Geschäftsraumes steht. Der junge Designer zeichnet die Entwürfe für seine Kreationen, sie macht daraus an der Maschine erste Einzelteile, bringt eigene Vorstellungen ein. Er wiederum hat kein Problem damit, auch mal selber ein Kostüm mit 1600 Swarowski-Kristallen zu besticken. „Schauen Sie mal!“ Stolz hält er sein (Hand-)Werk hoch. Er liebt es, Dinge exakt zu machen, handgestickte Knopflöcher aus Seidengarn gehören zu seinen Spezialitäten, aber auch exakte Nähte.

Dass er die fast doppelt so alte, heute 51-jährige Mila Greifenberg kennenlernte, war auch so ein Zufall. Sie besaß einen Kosmetiksalon in Kleinmachnow, er fand seine Augenbrauen viel zu stark. Das Problem war schnell erledigt, aber man kam darüber ins Gespräch und rasch war klar: „Wir sind Seelenverwandte.“

Auf dem Boden des Kosmetiksalons schneiderten sie in langen Nächten gemeinsam ihr erstes Kleid, ein schwarzes Abendkleid aus Seidensatin und Tüll mit aufgestickten Spiegelsteinen. Justin Reddig hält es hoch: „Das ist unverkäuflich!“ Eine Schneiderbüste aus Paris war schnell besorgt, fortan ging es nach der Schule oft nach Kleinmachnow.

Mila Greifenberg, aufgewachsen in Breslau in dem kleinen Wohn-Schneideratelier ihrer deutschstämmigen Großmutter mit einer alten Singer-Nähmaschine, fand auch schon früh Gefallen an der Arbeit mit den Händen. Als sie Mitte der 80er Jahre nach Berlin kam, fand sie ihre erste Unterkunft genau gegenüber vom Fasanenhof im Hotel Augusta. Im Nachhinein wertet sie das als Zeichen. Dass sie genau in diese Gegend zurückkehrte, verdankt sie einem Stammkunden, dem das Haus gehört. „Ihr gehört an den Ku’damm“, habe der gesagt.

Die Anfänge der Kooperation liegen freilich in dem Geschäft in Kleinmachnow. Irgendwann, da war Justin Reddig 22 Jahre alt, erhob sich die Frage: Wollen wir das wirklich auf uns nehmen mit der Selbstständigkeit? Mit Zahlen arbeiten beide nicht so gerne und Buchhaltung gehört nun mal zum Geschäft. Aber die Obsession war da, „okay“, sagte Greifenberg, „ziehen wir die Socken an.“

Mode ist nicht sein einziges Talent

Nicht dass Mode Reddigs einziges Betätigungsfeld gewesen wäre. Schon früh war er in seinem Umfeld für ausgesucht höfliche Umgangsformen bekannt. Vier Jahre lang sang er nebenbei Kinderrollen im Theater des Westens, übernahm auch Sprecherrollen für Sprachkurse und Werbung. In Filmen mit Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg hat er zum Beispiel den englischen Brieffreund synchronisiert. Seine Mutter ist Engländerin, daher ist er zweisprachig groß geworden. Die Eltern waren beide Tänzer, lernten sich im Ballett der Deutschen Oper kennen.

Nebenbei arbeitet Reddig als Flugbegleiter auf Interkontinentalstrecken, mal Asien, mal USA, mal Südamerika. Da bleibt genug Zeit, Eindrücke einzufangen von Modeströmungen weltweit. Manchmal findet er unterwegs auch neue Kundinnen. Mit einer kam er über ihre Handtasche ins Gespräch, eine andere, die als Managerin in Mexiko arbeitet, fragte nach Restaurant-Tipps und gewann ihn gleich als Begleiter. Inzwischen lässt sie sich auch neue Kleider von ihm entwerfen.

Was Reddig und Greifenberg nicht selbst fertigen können, lassen sie in Frankreich, Italien und Bayern nähen. Demnächst soll auch wieder Herrenmode dazukommen. Reddig zieht sich ein Jackett an aus ganz feinem weichen Stoff. Früher hat er mal Herrenmode entworfen und ist über einen Hamburger Bekannten an ein großes chinesisches Textilunternehmen geraten. Dort wollte er seine Kollektion fertigen lassen.

Die Chinesen waren dann so begeistert von den Entwürfen, dass sie die beiden gleich als Designer engagierten, was sie zwei Jahre lang blieben. Das Pendeln zwischen China und Deutschland war aber auf die Dauer zu anstrengend. Heute reisen sie entspannter gemeinsam zu Messen nach Frankreich oder Asien, um Stoffe und Accessoires zu finden. Die Stoffrosen an einigen Abendkleidern kommen freilich fast aus der Nähe, aus einer Dresdner Manufaktur, die auch für die Hüte der Queen liefert.

Mit Trunk Shows fahren die beiden auch durch Deutschland, mal auf ein Schloss nach Baden-Württemberg, mal zu einer Ladies Party nach Frankfurt, was sich durch zufällige Kontakte so ergibt.

Die Atmosphäre in dem Laden mit der geräumigen Ankleidekabine erinnert ein bisschen an die Schneiderateliers früherer Zeiten. Von diesem Geist ließ sich Ex-Model Katja Schwabe entzünden, deren große Zeit auf den Berliner Laufstegen etwa 50 Jahre zurückliegt.

Preise zwischen 349 und 25.000 Euro

Sie brachte nicht nur ein mit Zigarettenrauch geschwängertes Fotoalbum vorbei, sondern auch eine Mappe mit eigenen Entwürfen, mit Capes und Cocktailkleidern und interessant geschnittenen Blusen. Justin Reddig freut sich über Anregungen, Feedback einer so erfahrenen Kundin. Ein „Sale“-Schild sucht mal freilich vergeblich. „Uns ist Wertigkeit ganz wichtig, gute Verarbeitung, schöne Materialien“, sagt Reddig. „Warum sollten wir das zum halben Preis anbieten?“ Praktisch alles, was im Laden zu sehen ist, kann man länger tragen. Kleider und Jacken sind mit echter Seide gefüttert. Preislich liegt die Bandbreite zwischen 349 Euro für eine Bluse und 25.000 Euro für ein über und über mit Kristallen besticktes Abendkleid.

Natürlich geraten sie öfter mal in Streit, sagt Mila Greifenberg, da knallen schon mal die Türen. Ursprünglich hat sie Zahntechnikerin gelernt. Ihr Ehemann, ein Bauunternehmer, hat geholfen, das Geschäft zu gestalten. Zum ersten Event kamen Kundinnen von überallher, aber auch viele Mütter alter JFK-Schulfreunde. Sie zeigen den neuen Laden gerne vor, sie lieben ihn „mit Herz und Seele“, wie sie sagen, denn: „Jedes Kleid hat eine eigene Geschichte.“

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