
© Elisabeth Binder
Julia Klöckner beim Netzwerk Frauen100: Und plötzlich war die Regenbogenflagge das Thema
Im China Club diskutierte das Frauennetzwerk über eine faire Debattenkultur der Politik – und die aktuelle Auseinandersetzung über die Regenbogenflagge auf dem Reichstag am Tag des CSD.
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Die Frauen, die aus Protest gegen den Auftritt von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) dem Treffen des Netzwerks Frauen100 fernblieben, haben etwas verpasst. Das Netzwerktreffen am Donnerstagabend im China Club gerät zu einer Demonstration dafür, wie man Konflikte sachlich und fair austragen kann.
Von einem „fetten Elefanten“ im Raum ist anfangs die Rede, und der Abend beginnt mit einem klaren Statement der Moderatorinnen: „Queerfeindlichkeit und Rassismus haben mit Feminismus nichts zu tun und hier keinen Platz.“ Hintergrund der Proteste, die vorab die Gastgeberinnen, Janina Hell und Felicitas Karrer, erreichten, war die Weigerung Klöckners, aus Anlass des kommenden Christopher Street Days die Regenbogenflagge auf dem Reichstag zu hissen. Dies hatte für heftige Debatten in der Öffentlichkeit gesorgt. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte sich mit seiner „Zirkuszelt“-Bemerkung daran beteiligt.
Außerdem hatte der von Klöckner berufene Verwaltungsdirektor Paul Göttke verfügt, dass queere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung, das sogenannte Regenbogennetzwerk, nicht als angemeldete Gruppe auf der CSD-Parade mitlaufen dürfen.
Flagge zeigen gegen Homophobie
Skandalisierung sei für die Demokratie nicht förderlich, argumentiert CDU-Politikerin Klöckner. Sie habe die Flagge am 17. Mai, dem internationalen Tag gegen Homophobie hissen lassen. Die Regel, dass das nur einmal im Jahr geschehen kann, gehe auf die frühere Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zurück. Sie könne sie also gar kein zweites Mal aufziehen lassen. Privat könne jeder zum CSD gehen. Dass es dafür keinen Sonderurlaub gebe, gelte genauso für andere Demonstrationen wie „Fridays for Future“ oder den „Marsch für das Leben“.
Lasst uns aus den Gesinnungsschubladen herauskommen.
Julia Klöckner (CDU), Bundestagspräsidentin
Das Lob, dass sie sich der Kritik „stelle“, kontert sie mit dem Hinweis, dass sie sich gar nicht stellen müsse. „Ist Frauensolidarität nur ein Label?“, fragt sie. Und fordert: „Lasst uns aus den Gesinnungsschubladen herauskommen. Sonst freuen sich nur die Männer, die Veränderung in der Gesellschaft gar nicht wollen.“
Monique King, Vertreterin des Beirats für lesbische Sichtbarkeit beim Christopher Street Day Berlin, sticht in Jeans und Hoodie optisch heraus aus dem Kreis der Frauen, die den Dresscode „fließend, floral und elegant“ mehrheitlich ebenso akribisch wie kreativ umgesetzt haben. Sie bringt ihren Schmerz darüber zum Ausdruck, dass die Flagge an diesem Tag nicht über dem Parlament wehen soll.

© dpa/Soeren Stache
„Ich fühle mich sicher, wenn die Fahne da hängt.“ Am Ende sind sich alle einig: „Wir müssen Räume schaffen für solche Diskussionen.“ Junge Frauen sollten, so Klöckner, die von Anfang an beim Netzwerk Frauen 100 dabei ist, Vertrauen in die Politiker und die Demokratie gewinnen, die Diskussionskultur müsse gefördert werden.
Im zweiten Teil spricht Familienministerin Karin Prien (CDU) mit Ricarda Lang (Grüne) auf dem Podium. Ursprünglich sollte es um Parität gehen, aber letztlich wird ein Gespräch daraus, wie man besser miteinander umgehen kann in der Politik. Beide haben zum Thema Regenbogenflagge am CSD unterschiedliche Meinungen, respektieren das aber.
„Wir brauchen eine Kultur, in der wir solche Diskussionen miteinander austragen“, sagt Prien. „Wir müssen lernen, schwierige Debatten differenziert zu führen. Cancel-Culture, da ist man sich ziemlich einig, hilft keinem weiter. Es sei jedoch der falsche Weg, sogenannte Spaltungsthemen zu meiden, ist Lang überzeugt.
Man muss immer bedenken, der andere könnte recht haben.
Karin Prien (CDU), Familienministerin
Prien weiß, dass selbst Parteifreunde nicht alles gut finden, was sie sagt. Sie weiß aber auch, dass sie ihren Job nicht machen könnte, wenn sie nicht aussprechen würde, wovon sie überzeugt ist. Beide Politikerinnen machen klar, wie wichtig es ist, die Feinde der Demokratie zu bekämpfen und mit den anderen fair zu streiten.
„Man muss immer bedenken, der andere könnte recht haben“, sagt Prien, die sich nach einer Bemerkung zum Thema Migration und Bildung falsch verstanden und anschließend einem „unterirdischen Shitstorm“ ausgesetzt sah. Über komplexe Themen müssten komplexe Debatten geführt werden.
Am Ende herrscht auf dem Dach eine Stimmung wie nach einem Gewitter, befreit und hoch motiviert, genauso weiterzumachen. Manche Frauen, die nicht die ganze Zeit gebannt aufs Podium gestarrt haben, erzählen von einem großen Regenbogen, der während der Diskussion am Himmel über Berlin erschienen sei.
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