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Der ZDF-Moderator Jan Böhmermann.

© Christophe Gateau/dpa

Update

Datenabfrage zu Jan Böhmermann: Kein Bezug zu „NSU 2.0“-Drohbrief bei Berliner Polizei

Die Datenabfrage bei der Berliner Polizei zu dem ZDF-Moderator stehen in keinem Zusammenhang zu den Drohschreiben. Eine Abfrage im Sommer 2019 hatte polizeiliche Gründe.

Die Datenabfrage zum ZDF-Moderator Jan Böhmermann bei der Polizei Berlin steht in keinem Zusammenhang zu Drohschreiben, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet waren. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Kreisen der Verwaltung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Freitag.

Die Darstellung der „Frankfurter Rundschau“ sei nachweislich falsch. Das Blatt hatte berichtet, dass ein Berliner Polizist im Juli 2020 die Daten von Böhmermann abgefragt habe, woraufhin wenige Tage später Drohschreiben verschickt wurden, die seine Privatadresse enthielten.

Die Datenabfrage im Juli 2020 zu dem ZDF-Moderator gab es demnach nicht. Vielmehr seien bereits im Juli 2019 die Daten von Böhmermann im System der Berliner Polizei abgefragt worden. Dies sei aber polizeilich und dienstlich begründet gewesen, hieß es. Die zu den „NSU 2.0“-Drohschreiben zentral ermittelnde Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main führe den Berliner Beamten, der die Datenabfrage durchgeführt hat, auch nicht als Beschuldigten. Der Beamte sei für die Ermittler ein Zeuge.

Am Nachmittag bestätigte die Berliner Polizei dies in einer Pressemitteilung. Darin hieß es: "Nach jetzigem Kenntnisstand erfolgte die Überprüfung aus einem dienstlichen Kontext heraus. Der Angehörige der Polizei Berlin, der die Abfrage tätigte, hat die Abfragegründe plausibel dargelegt."

Im Sommer 2020 ist dennoch ein Drohschreiben an Böhmermanns Berliner Privatadresse aufgetaucht. Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) hatte dem Bericht zufolge am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags in Wiesbaden über die Datenabfrage bei der Berliner Polizei berichtet.

Der „Frankfurter Rundschau“ liegt nach eigenen Angaben ein „NSU-2.0“-Drohbrief vom 1. August vor, in dem Böhmermanns Adresse zu finden ist. Die E-Mail selbst sei dabei nicht an Böhmermann, sondern an andere Empfänger gegangen.

Ähnlicher Vorgang im Fall der Kabarettistin İdil Baydar

Die Ministerin machte im Ausschuss allerdings keine Angaben zu der Frage, ob die Daten aus Berlin in einem Drohschreiben gegen Böhmermann aufgetaucht seien. Der Bericht der „Rundschau“ enthält auch keine näheren Informationen darüber, welche Daten über den Polizeicomputer abgerufen worden sind - und ob die Adresse dabei war.

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Einen ähnlichen Vorgang hatte es in Berlin bereits am 5. März 2019 gegeben, als persönliche Daten der Kabarettistin İdil Baydar ohne erkennbaren dienstlichen Grund an einem Polizeicomputer abgefragt worden waren. Auch Baydar hatte kurz darauf ein Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ erhalten.

Zwei Beamten sollen der „Tagesschau“ zufolge keine stichhaltigen Gründe für ihre Abfragen geliefert haben. Allerdings sollen sie auch keine allzu privaten Informationen über Baydar abgerufen haben können. Die Abfrage sei nur sehr oberflächlich gewesen, Namen von Familienmitgliedern waren nicht dabei. Die wurden jedoch in einer anonymen Droh-SMS, die Baydar nur wenige Tage später erhalten hatte, erwähnt.

Auch in Hamburg wurden Daten abgerufen. Ein Polizist soll den hessischen Ermittlern aber gesagt haben, er sei wütend über die umstrittene „taz“-Kolumne von Hengameh Yaghoobifarah, „Abschaffung der Polizei: All cops are berufsunfähig“, gewesen. Er habe deshalb Anzeige gegen Yaghoobifarah erstatten wollen. Daher habe er ihre Daten abgefragt, dann aber auch auf eine Anzeige verzichtet, denn die Deutsche Polizeigewerkschaft hatte dies bereits getan.

Eine weitere Hamburger Polizistin soll laut „Tagesschau“ erklärt haben, sie sei einfach nur neugierig gewesen, wer die „taz“-Kolumnistin sei und habe daher in den polizeilichen Systemen nachgeschaut. Die beiden Hamburger Polizeibeamten sollen demnach bestritten haben, etwas mit den „NSU 2.0“-Drohmails oder Rechtsextremismus zu tun zu haben.

Die Hamburger Polizei hat auch keine Hinweise darauf, dass die Daten verwendet oder weitergegeben wurden oder dass die beiden Beamten mit rechten Strukturen zu tun haben.

Die Serie der Drohungen von „NSU 2.0“ begann im August 2018

Die Serie der Drohungen mit dem Logo „NSU 2.0“ begann im August 2018 mit gefaxten Hassparolen gegen die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz und ihre Familie.

Ermittlungen führten zu illegalen Datenabfragen bei der Frankfurter Polizei und zu einer rechten Chatgruppe von hessischen Polizisten. Weitere Empfänger von „NSU-2.0“-Drohmails waren etwa der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler und die neue Linken-Fraktionschefin in Berlin, Anne Helm.

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Bei keiner der Spuren konnte bislang ein Zusammenhang mit den Drohschreiben eindeutig nachgewiesen werden. Im Juli nahmen die Ermittler einen bayerischen Ex-Polizisten und seine Frau fest, doch auch hier ließ sich der Verdacht nicht erhärten. Nicht ausgeschlossen ist zudem, dass zum Teil Trittbrettfahrer Mails mit der Signatur verschickt haben, die auf die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ Bezug nimmt.

Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren mehr als 100 Drohschreiben, unterzeichnet mit „NSU 2.0“, an Politiker und Politikerinnen, an eine Anwältin, an Künstlerinnen und Aktivisten verschickt. Darin werden die betroffenen Personen mit dem Tod bedroht, beleidigt und beschimpft.

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